Stillen und kindliches Asthma
Die Zusammensetzung der Muttermilch hat offenbar keinen Einfluss

Universität Ulm

Muttermilch hat einen makellosen Ruf: Sie soll unter anderem die Gehirnentwicklung des Neugeborenen fördern, es im späteren Leben vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen und vor allem das Immunsystem stärken. An der Annahme, dass die Zusammensetzung der Milch einen Einfluss auf die Entwicklung von Allergien und Asthma hat, sät eine jetzt veröffentlichte Erhebung Zweifel.

Im Zuge der Ulmer Säuglingsstudie (jetzt: Ulmer Kinderstudie) haben die Epidemiologen PD Dr. Jon Genuneit und Chad Logan die Milch stillender Mütter analysiert und mithilfe komplexer, neuartiger statistischer Verfahren den Zusammenhang mit Allergien oder Asthma der Kinder bis zum 13. Lebensjahr überprüft. Mit eindeutigem Ergebnis für die untersuchte Kohorte. Ihr Fachbeitrag ist in der Zeitschrift „Allergy“ erschienen.

Schützt Muttermilch davor, im späteren Leben Allergien zu entwickeln? Bisherige Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Gründe für diese Diskrepanz könnten in der Zusammensetzung der Muttermilch zu suchen sein. Mögliche Einflussfaktoren reichen hier von der Ernährung bis zur genetischen Ausstattung der Mutter. Im Zuge der Ulmer Kinderstudie, die seit 2000 mit über 1000 Kindern und ihren Müttern durchgeführt wird, haben Wissenschaftler um PD Dr. Jon Genuneit und Chad Logan vom Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie diese Annahme überprüft.

Daten aus rund 13 Jahren

Zunächst haben die Forscher die Zusammensetzung von 721 respektive 455 Muttermilchproben sechs Wochen und sechs Monate nach der Geburt analysiert. Im Fokus standen 28 Fettsäuren. Die große Mehrzahl der Neugeborenen in dieser Kohorte war mindestens sechs Wochen nach der Entbindung ausschließlich gestillt worden. Wichtige Daten zur Gesundheit der Kinder sowie demographische Informationen der Mütter (u.a. Bildung, Lebensstil, Allergien) lagen den Wissenschaftlern bereits vor: Im Zuge der Langzeitstudie hatten die Mütter, die von November 2000 bis November 2001 in der Ulmer Universitäts-Frauenklinik entbunden hatten, über 13 Jahre mehrere Fragebögen zum Gesundheitszustand des Kindes ausgefüllt. Dabei gaben sie an, ob ihre Tochter oder ihr Sohn im vergangenen Jahr Medikamente gegen Asthma oder Allergien erhalten hat – oder ob eine entsprechende Diagnose von einem Arzt gestellt wurde.

Erstmals Wechselwirkungen der Fettsäuren berücksichtigt

Eine Besonderheit in der Methodik: „In den bisher wenigen Studien zu diesem Thema wurde bei der Datenauswertung vernachlässigt, dass die Fettsäuren in der Muttermilch miteinander in Wechselwirkungen stehen. Wir haben in unserer Untersuchung erstmals diese Korrelation zwischen ihnen berücksichtigt“, erklärt PD Dr. Genuneit.
Die Forscher haben die Fettsäuren auf verschiedene Weisen, sowohl nach der chemischen Struktur, wie es dem bisherigen Verständnis entsprach, als auch gemäß ihrer Korrelation gruppiert.

Doch das Studienergebnis ist in jedem Fall eindeutig: Bis zum 13. Lebensjahr konnten die Wissenschaftler mit dieser komplexen statistischen Methode keinen Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Muttermilch und allergischen beziehungsweise asthmatischen Reaktionen nachweisen. Auch gemeinhin als „gute Fettsäuren“ geltende Komponenten wie Omega-3 hatten keinen nachweisbaren Einfluss.

Weitere Forschung ist nötig, um beispielsweise den Einfluss kohortenspezifischer Faktoren abschätzen zu können: Die Forscher merken an, dass die stillenden Mütter in der nun veröffentlichten Auswertung älter, gebildeter und seltener Raucherinnen als der Durchschnitt der Kohorte seien. Blutuntersuchungen der Kinder sowie ein Vergleich mit Mädchen und Jungen, die nie gestillt wurden, sind angedacht. Hier sind weitere Auswertungen von Daten der Ulmer SPATZ Gesundheitsstudie, der Nachfolgestudie der „Kinderstudie“, mit Einschluss der Teilnehmer von 2012 bis 2013 geplant.

Die Ulmer Kinderstudie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und von der Ulmer Rudolf und Clothilde Eberhardt-Stiftung gefördert. Bei der Analyse der Muttermilchproben unterstützte die Firma Numico Research.

Text/Medienkontakt: Annika Bingmann

PD Dr. Jon Genuneit
PD Dr. Jon Genuneit forscht am Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie (Foto: Eberhardt/Uni Ulm)
Chad Logan
Chad Logan, Erstautor der Studie (Foto: privat)