Kooperationspreises Wissenschaft-Wirtschaft 2014 für PD Dr. Patrick Schuler
„Anschmiegsames“ Endoskopsystem erleichtert Tumor-Operationen

Die Diagnose ist ein Schock: Ein Tumor im Kopf-Hals-Bereich ist die fünfthäufigste Krebserkrankung - und verläuft in etwa 50 Prozent der Fälle tödlich. Für Betroffene ist eine schnelle und sichere Behandlung, die neben der chirurgischen Entfernung des Karzinoms oft eine Strahlen- und Chemotherapie umfasst, überlebenswichtig. An der Hals-Nasen und Ohrenklinik (HNO) wird seit Sommer letzten Jahres eine flexible OP-Endoskopieienheit getestet, mit dem sich Tumorgewebe im Kopf-Hals-Bereich minimalinvasiv und somit schonend entfernen lässt. Das so genannte Flex®- System ist Kontrollinstrument sowie OP-Arbeitskanal zugleich und wird von der US-Firma Medrobotics hergestellt. Die Besonderheit: Das computergesteuerte System passt sich der Anatomie des Patienten an. PD Dr. Patrick Schuler und seine Kollegen an der HNO-Uniklinik Ulm zählen zu den ersten Anwendern weltweit. Für die enge Zusammenarbeit mit dem Medizintechnik-Hersteller hat Schuler beim Dies academicus im Februar den Kooperationspreises Wissenschaft-Wirtschaft 2014, dotiert mit 8.000 Euro, erhalten.

„Bisher können minimalinvasive Operationen über den Rachen nicht bei allen Patienten mit gutartigen und bösartigen Erkrankungen durchgeführt werden. Standardmäßig eingesetzte starre Endoskope erfordern nämlich einen ,geradlinigen‘ Zugang, was zum Beispiel aufgrund einer kleinen Mundöffnung oder mangelnden Überstreckung des Halses schwierig sein kann“, erklärt der vielfach ausgezeichnete Oberarzt Patrick Schuler. Das System Flex®  respektiere jedoch die anatomischen Gegebenheiten des Rachenraums, kann also in Zukunft große, offene Operationen überflüssig machen.

Und so funktioniert die OP-Endoskopieeinheit: Während der Operation wird das flexible Endoskop per 3D Joystick im Rachen des Patienten positioniert. Am Ende des Endoskops befinden sich LED-Leuchten und eine HD-Kamera, die Bilder vom Operationsort auf einen Bildschirm überträgt. Ist das System optimal ausgerichtet, können die Ärzte mechanisch gesteuerte OP-Instrumente in zwei ebenfalls biegsame Arbeitskanäle an den Seiten des Rohrs einbringen und so den Tumor abtragen. Der Kontakt zur Firma Medrobotics kam vor einigen Jahren an der renommierten Carnegie Mellon University in Pittsburgh (USA) zustande. Bei regelmäßigen Treffen haben die Ulmer Ärzte das Flex® -System über mehrere HNO-Zugangswege erprobt und die Ergebnisse ihrer präklinischen und klinischen Studien in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht. „Schon seit vielen Jahren arbeitet die Firma Medrobotics mit Professor Thomas Hoffmann, Ärztlicher Direktor der HNO-Uniklinik Ulm, und PD Dr. Patrick Schuler zusammen. Sie haben unsere Prototypen getestet und unseren Entwicklungsingenieuren wertvolle Anregungen gegeben. So konnten wir vor allem Produkte optimieren, die an schwer zugänglichen Operationsorten eingesetzt werden“, sagt Dr. Samuel Straface, Präsident und Geschäftsführer von Medrobotics. Straface ließ es sich nicht nehmen, Patrick Schuler persönlich beim Dies academicus zu gratulieren.

Die ersten klinischen Einsätze auf dem Ulmer Michelsberg sowie an drei weiteren Standorten verliefen erfolgreich und wurden ebenfalls von Mitarbeitern der Firma Medrobotics begleitet. Zu der rund 900 000 US-Dollar teuren OP-Endoskopieeinheit, die dem Universitätsklinikum kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, gehören schon jetzt innovative Instrumente – eine elektrisch schneidende Nadel ermöglicht beispielsweise besonders feine Schnitte. „Als nächste Schritte werden wir den ,Instrumentenkasten‘ erweitern und die Ergebnisse der Flex® -Operationen mit klassischen, starren Eingriffen vergleichen“, weiß Schuler. Fernziel sei die Verkleinerung der OP-Endoskopieeinheit, die dann auch für Eingriffe an der Schädelbasis über die Nase eingeführt werden könne.

Erste Erfahrungen mit dem Flex® System sind also äußerst positiv: „Die Technik hat großes Potential, Operationen im Rachenbereich für Patienten schonender zu machen“, so das Fazit des Mediziners.  Seit Mai 2014 ist das System für den europäischen Markt freigegeben.

Zur Person:
PD Dr. Patrick Schuler, Jahrgang 1978, hat in Würzburg, Toronto (Kanada) und im schwedischen Uppsala Humanmedizin studiert. Seit 2013 arbeitet und forscht der HNO-Oberarzt an der Universitätsklinik Ulm – nach Stationen in Düsseldorf, Pittsburgh (USA) und Essen. Neben der roboterunterstützten Operation ist das Immunsystem bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren sein Spezialgebiet: Trotz intensiver Therapie tritt die Krebserkrankung bei etlichen Betroffenen wieder auf, unter anderem weil die Abwehrkräfte durch die Chemotherapie dauerhaft geschwächt sind. Wie sich das Immunsystem in solchen Fällen positiv beeinflussen lässt, untersucht der vielfach ausgezeichnete Arzt an der Ulmer Uniklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde.<xml> </xml>

Dr. Samuel Straface (li.) und PD Dr. Patrick Schuler (Mitte) freuen sich über den Kooperationspreis Wissenschaft-Wirtschaft