5 Anatomie des Blattes
Wie bei der Sprossachse, kann man auch beim Blatt die 3 Grundgewebesysteme unterscheiden, nämlich Abschlussgewebe, Grundgewebe und Leitgewebe. Die Gewebe des Blattes können entsprechend der Hauptfunktion Photosynthese beschrieben werden in Hinblick auf Lichtgewinn, Gasaustausch und Transpiration. Bei der Achse standen demgegenüber die Funktionen Stofftransport, Festigung und Speicherung im Vordergrund.
5.1 Ausgliederung
Neue Blätter entstehen an der jungen Sproßspitze in der der Initialzone unmittelbar folgenden Zone der Primären Morphogenese. Der Ort einer jungen Blattanlage wird im histologischen Bild erkennbar durch eine stärkere Anfärbbarkeit und durch Zellteilungsaktivität an der Flanke der Initialzone im Sprossscheitelmeristem. Dieser Bereich der Blattanlegung wird deshalb als Flankenmeristem bezeichnet. Die ersten Zellteilungen werden meist in der ersten subepidermalen Schicht sichtbar.
Die Entstehung des jungen Blattes selbst kann man beschreiben als eine Meristemfraktionierung: vom Scheitelmeristem der Achse wird ein Teil abgespalten, der das Blatt aufbaut. Das auf diese Weise entstandene Blattmeristem ist direkt nach seiner Fraktionierung aus dem Sprossscheitel ein nur eng begrenzter Bereich. In dem er benachbartes Gewebe in das Meristem aufnimmt, verbreitert er sich zur den Scheitel mehr oder weniger weit umgebenden jungen Blattanlage. Durch dieses Umgreifen, welches wir auch als Meristeminkorporation beschreiben können, entsteht ein das Blatt subepidermal umgebendes Randmeristem. Es ist dies sozusagen das "Scheitelmeristem" des Blattes.
Nach diesem Ausgliederungsvorgang und der Bildung des Blattrandmeristems kann es am Blatt zu weiteren morphogenetischen Prozessen kommen. In einigen Fällen, so z.B. bei der Bildung von geschlossenen Blattscheiden (z.B. bei Caltha palustris), können die meristematischen Ränder des Blattes miteinander verschmelzen. Dieser Vorgang wird als Meristemfusion bezeichnet.
Eine solche Meristemfusion kann aber auch zwischen den Randmeristemen verschiedener Blätter erfolgen. Man nennt diesen Vorgang "Gamophyllie". Als Beispiele seien hier die basal miteinander verwachsenen, gegenständigen Blätter von Dipsacus fullonum genannt. Wenn nur die Stipeln "verwachsen" wie z.B. beim Hopfen (Humulus lupulus), spricht man von "Interpetiolarstipeln".
□ Polemonium coeruleum; VP mit Blattausgliederung im REM
□ Caltha palustris [Hagemann 1970: 6]
□ Dipsacus laciniatus; Habitus mit gamophyllen Blattbasen
□ Dipsacus fullonum; Gamophyllie [Hagemann, W. 1970: 19]
□ Lonicera prolifera; Gamophyllie der Hochblätter
□ Humulus lupulus; Blätter mit Interpetiolarstipeln
Auch Blattränder von Blättern aus unterschiedlichen Knoten können sich gamophyll vereinigen. Das bekannteste Beispiel hierfür sind die "Flugorgane" der Früchte der Hainbuche (Carpinus betulus). Sie entstehen durch Vereinigung der Vorblätter erster und zweiter Ordnung der weiblichen Teilblütenstände.
Drei Prozesse sind also für die primäre morphogenetische Zone aber auch für das Blattrandmeristem selbst charakteristisch, die Meristemfraktionierung, die Meristeminkorporation und die Meristemfusion.
5.2 Spreitenentwicklung
Nach der Ausgliederung wächst das Blatt, noch bevor es deutlich flächig wird, zunächst an der Spitze mittels eines Randmeristems, welches hier zunächst dicker ist. Außerdem verdickt sich der Blattzapfen durch meristematische Tätigkeit der Ventralseite mittels eines Ventralmeristems. Die zapfenförmige Blattanlage entspricht dem späteren Stiel bzw. der Mittelrippe. Nach Erreichen der sog. Kritischen Länge von knapp unter 1 mm setzt das deutliche Flächenwachstum ein. Besonders bei relativ dünnen Blättern wie denen von einigen Wasserpflanzen kann man am Blattrand ein deutliches regelmäßiges Teilungsmuster der Zellen feststellen. Ein lokal begrenztes Randmeristem kann besonders bei sehr dicken Blättern nicht immer festgestellt werden, da die Blätter selbstverständlich durch das Zusammenspiel von Zellteilungen und Zellstreckungen wachsen.
□ Alternanthera philoxeroides; Ventralmeristem [Cutter, E.G: 1971: 5.7]
□ Drosophyllum lusitanicum; akroplastes Spreitenwachstum (Hagemann, W. 1970: 14)
□ Magnolia yunan (Hagemann 1970: 17)
□ Nicotiana tabacum (Esau 1969: 136)
□ Wasserpflanzen mit Spreitensaumbildung (Troll 1973: 326)
5.3 Fiederung
5.3.1 Dikotylentyp
Die gefiederten, pedaten oder digitaten Blätter der Dikotyledonen und einiger Monokotyledonen entstehen dadurch, dass das Randmeristem in einigen Bereichen nicht tätig wird, was wir als eine Meristemfraktionierung des Randmeristems beschreiben können. Die einzelnen Meristemfraktionen wachsen zu den Blattfiedern heran.
Äußerlich treten die jungen Fiederanlagen an der Blattanlage als kleine Vorwölbungen hervor. Ihre Bildung kann in unterschiedlicher Richtung erfolgen, was am ausgewachsenen Blatt allerdings nicht mehr zu sehen ist. Je nachdem, ob die Fiederbildung spitzenwärts, in Richtung der Blattbasis oder von der Blattmitte beginnend nach beiden Seiten hin fortschreitet, unterscheidet man eine acropetale, eine basipetale oder eine divergente Fiederbildung.
Die beschriebene Art der Fiederbildung ist auch bei einigen Monokotyledonen (z.B. Zamioculcas zamiifolia) zu finden.
(Tafelzeichnung) Meristemfraktionierung bei Fiederblattbildung
□ Polemonium caeruleum, Astragalus cicer, basipetale und acropetale Fiederbildung (Jurzitza 1987: 150)
5.3.2 Monokotylentyp
Bei den Monokotyledonen entstehen die Fiederblätter demgegenüber durch nachträglichen Gewebeschwund in einer zunächst einheitlichen Spreite. So zeigen etwa die Blätter der Araceae-Gattung Monstera einen unterschiedlichen Grad der Blattzergliederung von einzelnen auf diese Weise entstandenen Löchern bis zu einer vollständigen Fiederung.
Bei den Palmen (Arecaceae, z.B. Chamaedorea oder Chrysalidocarpus) entstehen die gefiederten oder gefingerten Blätter ebenfalls durch einen Gewebeschwund. In der frühen Ontogenese schon faltet sich das junge Blatt entsprechend der späteren Anordnung der Fiedern ein, wobei der Blattrand allerdings glatt bleibt. Später sterben schmale Gewebestreifen zwischen den Fiedern und am Blattrand ab. Der schmale Streifen am Blattrand ist oftmals noch bei der Blattentfaltung zu sehen.
□ Monstera ssp.; Blattformen [Kaplan, D.R. 1984: 3]
□ Monstera deliciosa; Blattentwicklung [Kaplan, D.R. 1984: 4]
□ Chamaedorea sp.; junges Blatt [Kaplan, D.R. 1984: 7]
□ Chrysalidocarpus lutescens u. Rhapis excelsa; Fiederblattbildung (Kaplan 1984: 6)
5.4 Peltationen
Peltationen entstehen bei der Bildung sog. Querzonen. Die Querzonen entstehen durch eine Meristeminkorporation des Blattrandmeristems auf die Blattfläche der Ober- oder der Unterseite und anschließender Meristemfusion. Der Vorgang der "Inkorporation vom Rand her" ist allerdings nicht immer auch sichtbar, vielmehr kann auch die Querzone auf der gesamten Blattober- oder -unterseite gleichzeitig sichtbar werden.
Wird eine Querzone oberhalb der Blattstielzone gebildet, so entsteht je nach Abgleich von Rand- und Flächenwachstum ein peltates oder ascidiates Blatt. Die Blätter von Tropaeolum majus bilden in jungen Entwicklungsstadien zunächst eine pedate Form. Die Spreitenbildung verläuft danach aber so, dass schließlich ein fast runder Blattumfang resultiert.
Wird die Querzone unterhalb der Blattstielzone gebildet, so entstehen Medianstipeln bzw. Ligulae (z.B. bei Hottuynia cordata u. Poaceae) und, wenn zusätzlich das Blatt den Spross vollständig umgreift, Ochreae (z.B. bei Caltha palustris).
(Tafelzeichnung) Querzone oberhalb und unterhalb der Stielzone
□ Tropaeolum majus; Blätter
□ Tropaeolum majus; Querzonenbildung [Hagemann, W. 1970: 30]
□ Nepenthes sp., Kannenblatt
□ Brassaia actinophylla; digitate Blätter
□ Brassaia actinophylla; Medianstipel
□ Poa trivialis; Ligula
□ Piper betle; Ontogenie der Ochrea (Rohweder, K., Endress, P. 1983: 32)
5.5 Die Gewebe
5.5.1 Epidermis
(a) Schließzellen
Stomata im engeren Sinne sind Öffnungen in der Epidermis. Sie wird umgeben von zwei Schließzellen. Meist werden aber die Schließzellen und die Öffnung zwischen ihnen zusammen als Stoma bezeichnet. Die Schließzellen werden entweder von "normalen" Epidermiszellen, den Nachbarzellen, umgeben, oder sie unterscheiden sich in ihrer Form von den übrigen Epidermiszellen und werden dann als Nebenzellen bezeichnet. Alle Zellen zusammen bilden den Stomakomplex oder Spaltöffnungsapparat.
Im Querschnitt sind die Schließzellen meist so gestaltet, dass sie zwischen sich auf beiden Seiten der engsten Stelle durch die Ausbildung einer äußeren und inneren Randleiste einen sog. Vorhof und einen Hinterhof bilden.
(Tafelzeichnung) Spaltöffnung in Aufsicht: Nachbarzelle, Nebenzelle (in Form von den übrigen Epidermiszellen unterschieden), Stoma, Schließzelle, Stomakomplex, Spaltöffnungsapparat
Funktionstypen
Bei den folgenden, in den üblichen Lehrbüchern genannten Spaltöffnungstypen handelt es sich um Funktionstypen.
Beim sog. Mnium‑Typ öffnen sich die Stomata durch eine einfache Abrundung der Schließzellen im Querschnitt durch eine Turgorerhöhung. Beim Helleborus-Typ sind besonders die Periklinalwände der Schließzellen verdickt. Die anderen Wände sind dünn. An der Grenze zu den Nebenzellen befindet sich eine relativ dünne Stelle in der Außenwand, so dass bei Turgorzunahme die Schließzellen an diesem Art Gelenk zurückweichen kann. Bei Gramineen-Typ haben die beiden Schließzellen eine hantelförmige Gestalt. Bei Druckerhöhung der dünnwandigeren Zellenden rücken die Zellen mit ihren starren Mittelteilen etwas voneinander ab.
□ Adianthum capillus‑veneris, Spaltöffnung vom Mnium‑Typ (A); Helleborus niger (B) [Strasburger, E. 1978: 125]
□ Zea mays; Spaltöffnung vom Gramineen‑Typ [Strasburger, E. 1978: 126]
morphologische Typen
Außer diesen "Lehrbuchtypen" gibt es eine große Anzahl von Spaltöffnungstypen, die entweder rein morphologisch zu verstehen sind oder aber auch eine ontogenetische Aussage beinhalten. Die Benennung erfolgt je nach Anzahl, Form und Lage der die Schließzellen umgebenden Neben- oder Nachbarzellen.
Die meist rein morphologisch zu verstehenden Stomatatypen sind folgende:
Die 4 klassischen Typen (VESQUE 1889)
· Ranunculaceen‑Typ (= anomocytisch oder irregular‑celled)
Die in Vielzahl vorhandenen Nachbarzellen sind in ihrer Form von den restlichen Zellen der Epidermis in Größe und Form nicht unterschieden.
· Cruciferen‑Typ (= anisocytisch oder inequal‑celled)
Die Schließzellen sind von drei Nachbarzellen umgeben, eine ist deutlich kleiner als die beiden anderen.
· Rubiaceen‑Typ (= paracytisch oder parallel‑celled)
Die Schließzellen sind auf jeder Seite von einer oder mehreren Nebenzellen parallel zu ihrer Achse umgeben.
· Caryophyllaceen‑Typ (= diacytisch oder cross‑celled)
Die Schließzellen sind von einem Paar Nebenzellen umgeben, deren gemeinsame Wand senkrecht zur Achse der Schließzelle steht.
Zu diesen Typen kommen weitere.
· actinocytisch (METCALF & CHALK 1950)
Die Schließzellen sind von einem Ring aus mehr als vier radial gestreckter Zellen umgeben.
· tetracytisch (METCALF 1961)
Die Schließzellen besitzen insgesamt vier Nebenzellen, von denen die sog. lateralen Nebenzellen parallel, die zwei polaren Nebenzellen rechtwinklig zur Schließzellenachse liegen.
· cyclocytisch (STACE 1963)
Die Schließzellen sind von einem oder mehreren Ringen von vier oder mehr schmalen Nebenzellen umgeben.
ontogenetische Typen
Für die Systematik wichtiger ist eine Typifizierung nach morphologischen und ontogenetischen Gesichtspunkten.
Die Stomabildung ist stets verbunden mit einer inäqualen Zellteilung. Je nachdem, ob und wie viele Nebenzellen aus der durch inäquale Teilung hervorgegangenen Stomainitiale entstehen, unterscheidet man nach PANT (1965) folgende ontogenetische Typen. Als mesogen (= syndetocheil, FLORIN 1933) werden solche Stomata bezeichnet, bei denen die Schließzellen und alle diese umgebenden Zellen aus der Stomainitialen entstehen. Beim mesoperigenen Typ entstehen die Schließzelle und eine oder mehrere der umgebenden Zellen aus der Initialen, und beim perigenen (= haplocheil, FLORIN 1933) sind es nur die Schließzellen selbst.
Verteilung der Stomata
Stomata können sich an allen oberirdischen grünen Pflanzenteilen befinden. Bei chlorophyllfreien Landpflanzen wie Monotropa oder Neottia und an Wurzeln findet man in der Regel keine Stomata. An Rhizomen können sie aber ebenfalls vorhanden sein.
Bezüglich der Verteilung auf der Blattober- und -unterseite unterschiedet man hypostomatische (Normalfall), epistomatische (bei Arten mit Schwimmblättern) und amphistomatische Blätter (z.B. bei Pinus sp. oder Zea mays).
□ Pinus sp.; amphistomatisches Blatt
□ Zea mays; amphistomatisches Blatt
Anzahl pro mm²
Die Anzahl der Stomata pro Flächeneinheit schwankt beträchtlich. Bei Sedum-Arten sind es ca. 20, bei der Buche (Fagus sylvatica) 340 und bei Bergahorn (Acer pseudoplatanus) bis 860 pro mm².
Metamorphosen
Stomata können bei einigen Pflanzen im Dienst der Sekretion umgewandelt sein. Als Beispiele seine hier nur die Wasserspalten (= Hydathoden) z.B. an den Blättern der Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) genannt oder die Kalk abscheidenden Drüsen bei den Plumbaginaceae Armeria maritima und Plumbago genannt.
□ Tropaeolum majus; Guttation (Fahn 1979: 2)
□ Physocarpus opulifolius; Hydathode (Jurzitza, G. 1987 : 45)
(b) Trichome
Wie bereits gezeigt wurde, besitzen Epidermiszellen gewölbte Außenwände. Von solchen Mamillen oder Papillen führt ein kontinuierlicher Übergang zu Haaren oder Trichomen. Ebenso ist der Übergang vom Trichom zu Emergenzen gleitend, weil sich manche Haare auf Sockeln entwickeln, an deren Bildung subepidermales Gewebe beteiligt ist.
Haare sind also im ausdifferenzierten Zustand lebende oder tote Auswüchse der Epidermis. Sie können eine Drüsenfunktion haben oder nicht.
Ungeachtet der Unterscheidung tot/lebend und drüsig/nicht-drüsig unterscheidet man folgende fünf morphologische Haartypen (s. Theobald, W.L., Kruhulik, J.L. & Rollins, R.C. 1979):
einfache Haare (unverzweigt) (simple (unbranched) trichomes)
Als einfach bezeichnet man unverzweigte, aus einer oder mehreren, einreihig oder mehrreihig angeordneten Zellen bestehende Haare. Sie sind mit Übergängen mit den Papillen verbunden. Ihre Form kann insgesamt kurz, lang, breit oder dünn sein. Ihr Ende kann spitz oder mit einer Köpfchenzelle versehen sein wie etwa bei vielen Drüsenhaaren.
2‑5-armige Haare (two- to five-armed trichomes)
Als 2-5-armig bezeichnet man sitzende oder gestielte, einzellige oder mehrzellige Haare, die in einer zwei bis fünf armigen Verzweigung enden (z.B. Humulus lupulus). Besonders die zweiarmigen Haare besitzen oft diagnostischen Wert.
Sternhaare (stellate trichomes)
Sternhaare sind gestielte oder sitzende, mehrzellige Haare, die in einer mehr als fünf-armigen Verzweigung enden. Die Endzellen können sternförmig in alle Richtungen gehen oder wie bei Schuppenhaaren in einer Ebene liegen.
Schuppenhaare (scales)
Schuppenhaare sind einzellige oder vielzellige, sitzende oder gestielte Haare, deren Endverzweigungen in einer Ebene liegen, wobei die einzelnen Zellen oder Verzweigungen einer Zelle bis mindestens zur Hälfte ihrer Länge verwachsen sind. Selbstverständlich gibt es hier Übergänge zu den Sternhaaren.
Beispiel: Ölweide (Elaeagnus sp., Elaeagnaceae)
Bäumchenhaare (dendritic (branched) trichomes)
Bäumchenhaare sind einzellige oder mehrzellige, einzellreihige oder mehrzellreihige, an verlängerter Achse mehrfach verzweigte Haare.
Beispiel: Königskerze (Verbascum sp., Scrophulariaceae)
□ Trichomes, simple (unbranched) [Metcalf, C.R., Chalk, L. 1979: 5.2]
□ Humulus lupulus; Hakenhaar
□ Trichomes, stellate [Metcalf, C.R., Chalk, L. 1979: 5.4]
□ Elaeagnus sp.; Schuppenhaar
□ Verbascum sp.; Bäumchenhaar
(c) Emergenzen
Emergenzen sind (nicht blatthomologe) Epidermisauswüchse, an deren Bildung außerdem noch subepidermales Gewebe mit beteiligt ist. Als bekannteste Beispiele seien die Brenn"haare" der Brennnessel (Urtica dioica) oder die Stacheln der Rose genannt. Von einigen der oben genannten Haartypen gibt es Übergänge zu Emergenzen, wenn z.B. das Blatt auf einem Gewebesockel sitzt oder wenn es sich um ein dickes, mehrzellreihiges Haar handelt.
Emergenzen können die verschiedensten Funktionen haben; sie können spitz sein und dann den eigentlichen Dornen gleichen oder auch Drüsenfunktion haben.
□ Urtica dioica; Brennhaar
□ Rosa sp.; Stachel
5.5.2 Mesophyll
Als Mesophyll bezeichnet man topographisch alles Gewebe zwischen den Epidermen eines Blattes.
(a) Schwamm- und Palisadenparenchym
Besonders bei mesomorphen Dikotyledonen ist das Mesophyll in Palisaden‑ und Schwammparenchym differenziert. Das Palisadenparenchym besteht aus rechtwinklig zur Epidermis meist gestreckten Zellen; sie können von fast isodiametrisch bis mehrfach länger als breit sein. Wenn sie "gegabelt" aussehen, werden sie als Armpalisadenzellen bezeichnet. Das Palisadengewebe grenzt direkt an die Epidermis, außer in den Fällen, in denen eine besondere Hypodermis differenziert ist. Bei mehrschichtigen Palisadengeweben (z.B. Pyrus communis) sind die äußersten Zellen meist die längsten.
Die Zellen des Schwammparenchyms sind isodiametrisch bis sehr unregelmäßig geformt, häufig sind sie in epidermisparalleler Richtung gestreckt.
Die Trennung von Palisaden- und Schwammparenchym kann unterschiedlich scharf sein. Der Differenzierungsgrad unterscheidet sich je nach Pflanzenart, Standort und auch Lage des betreffenden Blattes an der Pflanze. So haben Sonnenblätter mehr Palisadengewebe als Schattenblätter. Xeromorphe Blätter haben meist eine stärker entwickelte Palisadenschicht als mesomorphe oder hygromorphe.
Außer in ihrer Zellform unterscheiden sich die beiden Gewebe auch zytologisch. Die Palisadenzellen enthalten etwa bei Ricinus 82% der Plastiden und sie besitzen eine bis zu 3,5-mal größere freie Oberfläche als das Schwammparenchym.
Je nachdem, ob sich eine Palisadenparenchymschicht nur an der Blattoberseite oder nur an der Blattunterseite befindet, unterschiedet man bifaciale oder invers bifaciale Blätter. Bifacial sind die „normalen" Laubblätter der meisten Pflanzen. Invers bifacial sind z.B. die Blätter von Thuja und Allium ursinum. Als äquifacial (= isolateral) bezeichnet man solche Blätter, bei denen im Querschnitt kein anatomischer Unterschied zwischen einer Blattober‑ und Unterseite zu erkennen ist. Solche äquifacialen Blätter können wie bei Hakea oder Allium rund sein („äquifaciales Rundblätter) oder wie bei Iris abgeflacht („äquifaciale Flachblätter").
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Begriff „unifacial" mit dieser anatomischen Differenzierung primär nichts zu tun hat. Es handelt sich hierbei um einen veralterten „morphologischer" Begriff für bestimmte Blattformen.
□ Pyrus communis; mehrschichtiges Palisadengewebe im Blatt (Esau, K. 1969: 122)
□ Hakea suaveolens; Habitus
□ Hakea sp., Differenzierung des Mesophylls [Cutter, E.G. 1971: x.y]
□ Allium sp.; äquifaciales Rundblatt quer
5.5.3 Festigungsgewebe
(a) Kollenchym
Das Kollenchym des Blattes ist nicht so stark entwickelt wie das der Achse. Die Blattspreite wird hauptsächlich gestützt vom Leitbündelnetz. Entlang der Nerven, die bis zur Epidermis reichen können, ist die Ausbildung von Kollenchym möglich. Besonders findet man Kollenchym auch in den Blattstielen.
□ Humulus sp. (A), Cucurbita sp. (B); Verteilung von Kollenchym im Blattstiel [Esau, K. 1969: 55]
(b) Sklereiden
Sklereiden finden sich in den Blättern vor allem bei tropischen Arten. In der Achse sind besonders die Brachysklereiden (= Steinzellen) häufig; diese Form der Sklereiden kommen allem Anschein nach nur selten in Blättern vor.
Es seien im Folgenden einige Beispiele genannt, wobei zu bemerken ist, dass die genannten Typen durch Übergänge miteinander verbunden sind.
Osteosklereiden ("Knochen"- oder hantelförmige Sklereiden) haben Säulenform mit verbreiterten Enden. Sie kommen vor in Samenschalen und Blättern vieler Dikotyledonen. Bei Mouriria (Melastomataceae) reichen die an den Enden stark verbreiterten und teils verzweigten Sklereiden von Epidermis zu Epidermis.
Astrosklereiden oder "Sternsklereiden" (z.B. im Blatt von Trochodendron, Nuphar oder Boronia).
Fadensklereiden (filiforme Sklereiden) sind faserähnliche Zellen im Blattgewebe. Beim Ölbaum (Olea europaea) entwickeln sie sich direkt aus den Mesophyllzellen im Palisaden- wie im Schwammparenchym. Ein anderes Beispiel ist Rhaphidophora (Araceae).
□ Trochodendron sp.; Osteosklereiden im Blatt [Esau, K. 1969: 65]
□ Nuphar variegatum; Astrosklereiden im Blatt [Cutter, E.G. 1978: 5.3]
□ Rhaphidophora sp.; Fadensklereiden
(c) Fasern
Fasern treten oft in Verbindung mit Leitgewebe auf, wobei wieder (unnötig) gefragt werden kann, ob es jeweils Xylemfasern oder extraxyläre Fasern sind. Sie treten besonders häufig bei Monokotyledonen auf, oftmals in Streifen, die bis zur Epidermis reichen und so dem Blatt hohe Festigkeit verleihen. Als Beispiele seien der Mais (Zea mays, Poaceae) und der Neuseeländer Flachs (Phormium tenax, Phormiaceae) genannt.
Die in den unterschiedlichen Teilen des Blattes vorkommenden Fasern werden oder wurden teilweise wirtschaftlich genutzt.
Bei den Fasern der Faserbanane Musa textilis handelt es sich um Fasern der Blattscheiden. Der sog. Manilahanf ist schwer verrottbar und wird für Schiffstaue, Fischernetze, Säcke und Bindfäden verwendet.
Die Blattstiele der brasilianischen Palme Leopoldinia piassaba (Arecaceae) sind von starken Sklerenchymschichten umgeben. Hierdurch ist die Pflanze in der Lage, die bis 7m lange und bis 50 kg schweren Blätter zu tragen. Das als "Piassava" bezeichnete Material wird zur Herstellung von Besen und Bürsten verwendet.
Blattspreitenfasern der Sisalagave (Agave sisalana, Agavaceae) liefern den sog. Sisalhanf. Die Pflanze besitzt 1‑2 m lange und 8‑15 cm breite Blätter, von denen jedes Jahr 15 ‑ 20 gebildet werden. Die Fasern werden frisch gewonnen, gewaschen und getrocknet. Die Fasern werden verwendet für Bindegarn, Taue, Seile, Netze, Möbelstoffe und Teppiche. Aus Spreitenfasern besteht auch der Neuseeländer Flachs (Phormium tenax, Phormiaceae) und das aus der Palme Chamaerops humilis gewonnene Polstermaterial.
Beim gärtnerischen Bindebast von Rhaphia forinifera (= Rh. ruffia), dem Rhaphia‑Bast handelt es sich anatomisch um Epidermis und Hypodermis aus Blattfiedern noch nicht entfalteter Blätter.
□ Triticum sp., Zea mays, Phormium tenax; Blattquerschnitte mit Sklerenchym [Esau, K. 1969: Taf. 70]
□ Agave sisalana; Sisalhanf
□ Phormium tenax (Liliaceae); Neuseeländer Flachs
□ Chamaerops humilis; Habitus
5.5.4 Leitgewebe
Die Leitbündel treten am Blatt meist als vorstehende „Nerven" auf. Diese Blattnerven bestehende teils aus einem, teils aus mehreren Leitbündeln und dem „zugehörigen" nichtleitenden Gewebe. Die Anordnung dieser Nerven bezeichnet die „Venation" oder „Nervatur".
Ganz allgemein unterscheidet man meistens die offene und die geschlossene Nervatur. Offen, also ohne eine Vernetzung der Leitbündel ist etwa die Nervatur bei Ginkgo biloba, bei den Farnen und bei relativ ursprünglichen Dikotyledonen wie Kingdonia (Ranunculaceae) oder Circaeaster (Circaeasteraceae).
Bei der geschlossenen Nervatur können die Hauptnerven parallel oder netzförmig angeordnet sein. Parallelnervig sind die Blätter der meisten Monokotyledonen, netznervig die der Dikotyledonen. Ausnahmen sind auf der einen Seite etwa der Wegerich (Plantago, Plantaginaceae) oder der Bocksbart (Tragopogon, Asteraceae) und die Arten Gattung Arum, Smilax, Tacca, und der Orchidaceae auf der anderen Seite.
Die Nerven bilden ein immer feineres Netz, deren kleinste Felder als Interkostalfelder bezeichnet werden. Die Gesamtlänge aller Nerven kann bis zu 102 cm pro cm² betragen. Die Orientierung der Leitgewebeteile entspricht der Anordnung in der Achse. Der Xylemteil befindet sich also der Blattoberseite und der Phloemteil der Blattunterseite zugewandt.
□ Ginkgo biloba, Kingdonia sp. (Ranunculaceae), Circaeaster sp. (Circaeasteraceae); dichotom offene Nervatur [Esau, K. 1969: 124]
□ Blattnerven und erweiterte Bündelscheiden (Esau, K., 1969: 127)
Kurzinfo
- BIO.0001.003
Allgemeine Botanik - Dr. Jürgen R. Hoppe
- Vorlesung
- 2 SWS
Notizen / Zeichnungen: