zurück
Neu-Ulmer Zeitung, online, vom 12.02.2013
Der religiöse Vivaldi wird enträtselt
Universitätschor und ausgewählte Solisten begeistern mit geistlichen Werken
Von Florian L. Arnold
Ulm Beim Namen Antonio Vivaldi (1678-1741) denkt man an das Streicherkonzert „Die vier Jahreszeiten“, vielleicht auch an das eine oder andere Konzert für Violine oder andere Instrumente. Aber geistliche Musik? Die wird doch eher selten mit Vivaldi verbunden – was auch daran liegen mag, dass diese bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts fast vollständig in Vergessenheit geraten war. Dass diese Messesätze, Kantaten und Motetten genauso hörenswert sind wie die Instrumentalwerke, hat der Ulmer Universitätschor mit einem Konzert mit ausgewählten Solisten und Instrumentalisten eindrucksvoll verdeutlicht.
Wie die Werke gesungen wurden, ist heute unbekannt
Die erhaltenen Partituren von Vivaldis geistlicher Musik gaben Rätsel auf. Niemand weiß, wie die Werke wirklich gesungen wurden. Die Chorsätze sind zumeist (wie allgemein üblich) für Sopran, Alt, Tenor und Bass notiert. Man weiß allerdings, dass Vivaldi am „Ospedale della Pietá“ (Venedig) einen Frauenchor leitete – und für diese Besetzung höchstwahrscheinlich seine großen Chorwerke schrieb. Die heute gängige Aufführungspraxis ist aber der gemischte Chor (also unter Beteiligung von Männern).
Der Universitätschor hatte mit seinem reinen Vivaldi-Konzertabend unter dem bewährten und führungssicheren Dirigat von Kirchenmusikdirektor Albrecht Haupt eine Sternstunde. Man hatte unter anderem das selten zu hörende „Magnificat“ (RV 610) für Soli, Chor, zwei Oboen, Streicher und Basso continuo gewählt. Das im strukturellen Aufbau stark an das bekannte „Magnificat“ von Johann Sebastian Bach erinnernde Werk vertont in ständigem Solo- und Tuttiwechsel das neutestamentliche „Canticum“.
Mit Maria Rosendorfsky (Sopran), Martina Koppelstetter (Mezzosopran), der Kammerphilharmonie Ulm und den Instrumentalsolisten Conrad Schütze (Orgel), Angelika Hirsch (Cembalo), Burkhard Solle (Violine), Karl-Hein Gudat (Solocello) und Anja Tamaru-Solle (Oboe) standen dem Chor ausgezeichnete Solisten zur Seite. Rosendorfsky bewies in den ausdrucksstarken Soli ihren schlanken, brillanten Sopran, während Koppelstetters Mezzosopran auch in der Tiefe mit rundem Timbre gefiel. Besonders ausdrucksstark gerieten die Duette dieser beiden Sängerinnen – berückend schön, etwa beim „Esurientes“ (filigran durch die Continuogruppe begleitet): ein klarer Höhepunkt des Vivaldi-„Magnificat“.
Die Instrumentalisten mit Burkhard Solle an der 1. Violine spielten drei Sätze aus dem „Frühling“. Ganz ohne die geliebten „Jahreszeiten“ geht es eben nicht. Zum Glück, denn die Kammerphilharmoniker erwiesen sich erneut als Spitzenkönner, spielten zur Begeisterung des Publikums mit viel Spielfreude die elektrisierenden Naturhymnen.
Die Solo-Motette „O qui coeli“ (Oh ihr Himmel) erklang in Ulm ebenso zum ersten Mal wie das doppelchörige „Kyrie“ – zwei weitere Belege für die Bandbreite von Vivaldis Kunst, die trotz hoher Verluste immer noch 169 nachgelassene Werke aufweist. In „O qui coeli“ mit seinen weit gespannten Melodien am Schluss bewies sich Rosendorfsky als Idealbesetzung.
„Gloria“ mit strahlender Trompete und expressiven Dissonanzen
Das „Gloria“ als bekanntestes unter Vivaldis geistlichen Werken stand als letzter Punkt auf dem Programm: Das prächtige Werk, 1713 als abgeschlossene Komposition entstanden, umfasst zwölf Sätze, meist für Chor, dazwischen auch mit Soli für Sopran und Mezzosopran. Schon der Eingangschor stimmt mit seiner strahlenden Solotrompete (Johann Konnerth) auf ein glanzvolles Werk ein. Höhepunkt ist der kunstvolle Chorsatz „Et in terra pax“ mit expressiven Dissonanzen und dem unabhängig davon vorangehenden Orchester.
Prägnanz, Detailschärfe und das natürlich fließende Tempo machten auch die Umsetzung dieses Werkes zu einem Genuss für Hörselige. Ein Konzert, das dem Unichor wie auch dem „unbekannten“ Vivaldi fraglos neue Freunde bescherte.
zurück
Südwest Presse online vom 12.02.2013
Zirzensischer Geigenzauber lässt den Winter vergessen
Ein reines Vivaldi-Programm boten der Universitätschor Ulm und die Ulmer Kammerphilharmonie bei ihrem Konzert im Haus der Begegnung.
Autor: GOTTFRIED LOTHAR | <time datetime="2013-02-12" itemprop="datePublished">12.02.2013</time>
Exakt eine Woche nach dem ersten Konzert des Kammerchores der Universität Ulm sang der bereits seit 1976 bestehende Universitätschor sein Semester-Konzert im überfüllten Haus der Begegnung. Lag die musikalische Leitung letzte Woche bei Sohn Sebastian, so führte nun der Vater, Universitätsmusikdirektor Albrecht Haupt, den Stab und leitete mit großen Gesten das Konzert. Der fast 100-köpfige Chor und die Kammerphilharmonie Ulm sorgten für ein romantisch üppiges Klangerlebnis mit Werken von Vivaldi - ein spannender Kontrast zur historischen Werkauffassung des Händelschen "Messias" am Sonntag zuvor
Mit dem "Magnificat" und dem bekannten "Gloria" bildeten zwei der beliebtesten Werke des Italieners den Rahmen. Die Motette für Sopransolo "O qui coeli" wurde erstmals in Ulm aufgeführt und fand in Maria Rosendorfsky und der Kammerphilharmonie engagierte Interpreten. Mit ihrer wunderschönen, sich mühelos verbreitenden Stimme brachte sie dieses herrliche Stück in nahezu himmlische Sphären, zu denen die Instrumentalisten ihr wichtiges Scherflein beitrugen. Ein etwas weniger schlampiger Umgang mit den Konsonanten hätte das Glücksgefühl vervollkommnet.
Mit dem abwechslungsreichen "Magnificat" konnte bereits zu Beginn des Konzertes der Chor seine musikalischen Fähigkeiten unter Beweis stellen, da er sowohl mit voluminösem Klang als auch filigranen Koloraturen glänzen durfte, die beim doppelchörigen "Kyrie" nicht mehr ganz so sicher erklangen. Hingegen gelang das abschließende "Gloria" wieder ohne Mühen.
Wunderbar tönte das "Domine Deus" für Sopran. Im "Domine Deus, Agnus Dei" strömte die samtweiche Stimme der Mezzosopranistin Martina Koppelstetter. Und zum Finale gesellte sich zu Oboistin Anja Tamaru-Solle noch festlicher Trompetenglanz durch Johann Konnerth hinzu. Neben der Cembalistin Angelika Hirsch muss unbedingt auch Konzertmeister Burkhard Solle erwähnt werden, der beim "Frühling" aus dem Jahreszeiten-Zyklus mit dem notwendigen zirzensischem Geigenzauber die winterlichen Tturen vergessen ließ.
Der Mitschnitt erfolgte durch drrb audio production - Dr. Rolf Bäuerle, Ulm. Vielen Dank dafür!