DFG-Präsident Prof. Strohschneider als Festredner
Die pluralistische Universität als Ort des „Streiten-Könnens“
In seinem viel beachteten Festvortrag befasste sich Professor Dr. Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, mit dem Wandel des „Institutionentyps Universität“ in den vergangenen fünf Jahrzehnten. In der Geschichte der Bundesrepublik hätten Universitäten immer mehr Aufgaben übernommen – von Lösungsbeiträgen zu gesamtgesellschaftlichen Problemen ökonomischer, ökologischer oder demographischer Art bis zur sozialen Integration von Migranten und der Supra-Maximalversorgung Kranker.
Im Zentrum des Vortrags standen weiterhin die Rolle und die Herausforderungen der „pluralistischen Universität“ angesichts aktueller Entwicklungen in Politik und Gesellschaft. Strohschneider nahm Bezug auf autoritäre, nationalistische und populistische Strömungen in zahlreichen europäischen Gesellschaften sowie auf das erodierende Vertrauen in "übernationale Institutionen wie die Europäische Union" – allzu deutlich ausgedrückt im Brexit. Bei alledem habe sich das Internet nicht zum Raum demokratischer Partizipation entwickelt, vielmehr funktionierten die „a-sozialen Medien“ als Echokammern, die nicht die Auseinandersetzung mit Unbekanntem beförderten, sondern die eigenen Urteile und Vorurteile bestätigten.
Auf den intellektuellen Habitus der Irritabilität ziele jedoch die moderne Forschungsuniversität: „Deswegen muss sie streiten gegen die populistischen Vereinfacher und gegen gesellschaftliche Entwicklungen, bei denen intellektuelle Abweichung für illegitim erklärt wird“, so Strohschneider. Kurz sei der Weg von populistischer Ignoranz zur Wissenschaftsfeindlichkeit, wie die executive orders des neuen US-Präsidenten oder die „Säuberungen“ der türkischen Universitäten zeigten. Die Universität, so Strohschneider, sei ein Ort des Streitens, des Streiten-Könnens und der ,Zumutung‘ im positiven Sinne – und zum Besten der Gesellschaft, die die Universität trage. „Sie war ein solcher Ort hier in Ulm im zurückliegenden halben Jahrhundert. Und sie wird es auch in den kommenden 50 Jahren sein. Das jedenfalls ist der wichtigste Wunsch, den ich mir zum Universitätsgeburtstag denken kann“, so der DFG-Präsident.