Gehirn

Das Gehirn - ein außergewöhnliches Organ

Die Bedeutung des Gehirns für unsere Persönlichkeit, unsere physische und psychische Leistungsfähigkeit, ja sogar für die Bildung moralischer und ethischer Kategorien wird heute in der Öffentlichkeit zunehmend akzeptiert. Das Ziel dieser im Jahr 2017, im 50. Jahr des Bestehens der Universität Ulm, durchgeführten neurowissenschaftlichen Vorlesungsreihe ist es, die Bedeutung des Organs Gehirn aus dem Blickwinkel eigener Forschung zu betrachten. Ideengeber und Organisator der Reihe ist Prof. Dr. Albert C. Ludolph, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik an den Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm.

Namhafte klinische Forscher und Grundlagenforscher werden für die Öffentlichkeit interessante Themen am Freitagabend im Stadthaus vortragen und diskutieren.

 

  • 20. Januar, 18 Uhr:

Prof. Dr. Heiner Fangerau, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universität Düsseldorf, Ethische Implikationen der tiefen Hirnstimulation

Seit dem ersten Einsatz der Tiefen Hirnstimulation (THS) in den 1930er Jahren werden auch die moralischen und gesellschaftlichen Dimensionen dieses therapeutischen Ansatzes diskutiert. Die Möglichkeit, durch ein chirurgisch-technisches Verfahren auf die Stimmung und das Verhalten eines Menschen Einfluss nehmen zu können, erzeugt ebenso ein moralisches Unbehagen, wie die damit verbundene eventuelle Nutzung des Verfahrens zur Verbesserung geistigen Leistungsvermögens (Neuroenhancement) oder zur (sozialen) Disziplinierung oder Normierung. Der Vortrag diskutiert die moralischen Implikationen des Einsatzes der THS für verschiedene Indikationsbereiche und schildert die medizinethischen Argumente, die im Zusammenhang mit verschiedenen Anwendungsfeldern ausgetauscht wurden und werden.

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  • 17. Februar, 18 Uhr:

Prof. Dr. Hartmut Wekerle, Max-Planck-Institut für Neurobiologie, München, Fernauslöser: Darmflora und Multiple Sklerose

Die Multiple Sklerose ist aus heutiger Sicht Folge eine Autoimmunreaktion, wobei das fehlgeleitete Immunsystem körpereigenes Hirngewebe angreift und teilweise zerstört. Bisher war bekannt, dass es sich bei den Angreifern auf Hirngewebe spezialisierte Immunzellen, die in jedem Immunsystem anzutreffen sind, handelt.  Werden sie aber durch pathogene Signale „geweckt“, entfaltet sich das schädliche Potenzial, sie setzen MS in Gang. Wo und wie diese Aktivierung erfolgt, blieb allerdings bis vor kurzem ein Rätsel. Überraschenderweise kommt nun den Darmbakterien eine entscheidende Rolle zu: Unter speziellen Umständen wirken sie als Fernauslöser der zerebralen Autoimmunität.

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  • 05. Mai, 18 Uhr:

Prof. Dr. Christian Elger, Bonner Universitätsklinik für Epileptologie, Das Entscheidungsverhalten des Menschen

Menschen entscheiden sich höchst individuell, so nimmt man zumindest allgemein an. Bei einer genauen Betrachtung zeigt sich allerdings, dass es quasi „Entscheidungsstraßen” gibt, die „Vorfahrt” haben und häufig einen Entscheidungsfindungsprozess in eine bestimmte Richtung lenken. Drei Aspekte sind dabei wesentlich: ein archaisches Vertrauensmuster durch Gesichtserkennung, das sogenannte „Priming“ durch einen unbewusst gedächtnisbildenden Reiz und das Belohnungssystem. Das alles führt dazu, dass der Mensch ein „homo non-oeconomicus“ ist und daher leider immer wieder unökonomisch handelt.

 

  • 14. Juli, 18 Uhr:

Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Zilles, Forschungszentrum Jülich, Neuroanatomie - ein Weg zum Verständnis des alternden Gehirns und neurodegenerativer Erkrankungen

Neurodegenerative Erkrankungen führen zu charakteristischen Veränderungen der Struktur des Gehirns, die sowohl das gesamte Gehirn als auch spezifische Regionen betreffen können. Die Pionierarbeiten zur zeitlichen Dynamik der degenerativen Prozesse bei M. Alzheimer und zu den Zusammenhängen zwischen vegetativen Nervensystem und der Parkinson’schen Erkrankung durch Braak und Del Tredici sind herausragende Beispiele zur Neuroanatomie dieser häufigen Erkrankungen. Neben diesen Beiträgen wird ein Überblick zum Erkenntnisstand in diesem klinisch so wichtigen Bereich der Hirnforschung gegeben, der auf genetische, zellbiologische Ergebnisse, sowie Untersuchungen mit neuen bildgebenden Verfahren und modernen Therapieansätzen bei den verschiedenen Erkrankungen eingeht.

 

  • 20. Oktober, 18 Uhr:

Prof. Dr. Norbert Leygraf, Universität Duisburg-Essen, Hirnfunktion und Delinquenz

Die Bedeutung organischer Schädigungen des Gehirns für die Begehung von Straftaten wurde in der Vergangenheit zumeist deutlich überschätzt. Lediglich bei Schädigungen, die das Frontalhirn betreffen, hat sich statistisch ein erhöhtes Kriminalitätsrisiko feststellen lassen.
Recht ausgefeilte Hirnstudien haben in den letzten zwei Jahrzehnten dagegen durchaus Korrelationen zwischen strukturellen und funktionalen Besonderheiten bestimmter Hirnstrukturen und speziellen Deliktsformen aufgezeigt. Strittig ist jedoch, ob es sich hierbei um kausale Zusammenhänge handelt und welche Bedeutung diese Befunde für die Verantwortlichkeit von Straftätern haben. Dies soll im Vortrag diskutiert und an Beispielen aufgezeigt werden.

 

  • 15. Dezember, 18 Uhr:

Prof. Dr. Melanie Wilke, Georg-August-Universität Göttingen, Auge-Hand-Koordination und Gehirn - oder wie trifft man den Korb beim Basketball

Ob wir einen Ball werfen oder nach der Kaffeetasse greifen, zielgerichtetes Verhalten beruht auf der dynamischen Wechselwirkung spezifischer Gehirnareale. Weil viele Bewegungsprozesse unbewusst ablaufen, wird uns die Komplexität dieser Gehirnleistung oft erst klar, wenn einzelne Entscheidungs- oder Planungsprozesse ausfallen, wie beispielsweise nach einem Schlaganfall im Scheitellappen. Beruhend auf neuesten Ergebnissen aus Grundlagen- und Patientenforschung wird es im Vortrag um die Frage gehen, wie unser Gehirn Seheindrücke verarbeitet um Bewegungsentscheidungen zu treffen und wie diese Informationen zusammengeführt werden, um beispielsweise den Korb beim Basketball zu treffen.