Wenn verletzte Herzen wieder wachsen
Biologen erforschen Herzregeneration bei Zebrafischen

Ulm University

Zebrafische haben eine wunderbare Eigenschaft: Die unter Biologen eigentlich als Zebrabärblinge bekannten Fische sind außerordentlich regenerationsfähig und können nicht nur verletzte Extremitäten wieder nachwachsen lassen. Sogar Verletzungen am Herzen heilen bei dieser Fischart vollständig wieder aus. Kardiologen, die Herzinfarktpatienten behandeln, können davon bisher nur träumen.

Wissenschaftler der Universitäten Utrecht und Ulm haben nun einen zentralen molekularen Mechanismus entschlüsselt, über den dieser Heilungsprozess gesteuert wird. "Das verletzte Gewebe regeneriert sich durch die vermehrte Zellteilung von Herzmuskelzellen an der Wundgrenze", erklärt Professor Gilbert Weidinger vom Institut für Biochemie und molekulare Biologie der Universität Ulm. Wie das internationale Forscherteam - an dem neben dem Weidinger-Labor auch Wissenschaftler des Uni-Klinikums Utrecht beteiligt sind - zeigen konnte, wird die Zellvermehrung über ein besonderes Protein gesteuert: das sogenannte bone morphogenetic protein (BMP). BMP ist ein wichtiges Signalprotein der Zell-Zell-Kommunikation. Die Forscher konnten nachweisen, dass es insbesondere im Wundbereich re-aktiviert wird, wo gesundes und verletztes Gewebe aufeinander stoßen.

Die Wissenschaftler konnten die Geweberegeneration sogar forcieren

 Hierfür haben die Molekularbiologen ein spezielles Verfahren zur Sequenzierung von RNA (RiboNucleic Acid) entwickelt, über das es möglich ist, im Wundbereich und den benachbarten Gewebsregionen die Aktivität diverser Gene genau zu lokalisieren. "So entsteht ein genomweiter Atlas an regional sehr unterschiedlichen Expressions- und Aktivitätsmustern, die im regenerierenden Herzen Aufschluss darüber geben, welche Gene und Zell-Signale im gesunden (rechte Spalte) und im verletzten Gewebe (linke Spalte), beziehungsweise genau an der Wundgrenze (Mittelspalte) aktiviert sind", so Chi-Chung Wu. Der Doktorand aus Hong Kong, der an der Uni Ulm forscht, ist wie sein Utrechter Kollege Fabian Kruse Co-Erstautor der in der renommierten Fachzeitschrift Developmental Cell (2016/36: 36-49) veröffentlichten Studie.

 So wiesen die Wissenschaftler nach, dass das BMP-Signal von Herzmuskelzellen aktiviert wird, die aus dem Grenzbereich zwischen gesundem und verletztem Herzmuskelgewebe kommen. Mit Hilfe von transgenen Zebrafischlinien, bei denen der BMP-Signal-Weg einerseits blockiert und andererseits verstärkt wurde, konnten die Forscher den Regenerationsprozess gezielt beeinflussen. Bei der genetisch veränderten Variante mit blockiertem BMP-Signal-Weg waren Zellvermehrung und damit die Regenerationsfähigkeit deutlich reduziert (Abbildung Mitte). Bei der Variante mit überaktivem BMP konnte die Regeneration dagegen sogar forciert werden (Abbildung rechts).

 Auch Herzmuskelzellen von Mäusen reagieren auf BMP: Sie sterben allerdings

 "Erstaunlicherweise spielt dieser Signalweg keine Rolle bei der Zellteilung während der embryonalen Herzentwicklung, sondern nur bei verletzungsbedingter Herzregeneration", zeigen sich die Wissenschaftler überrascht. Das heißt, dass die Gewebebildung im Fischherz bei der Embryonalentwicklung und bei der Regeneration über unterschiedliche Prozesse gesteuert wird.Und auch ein weiterer Befund lässt die Forscher staunen: "Das BMP-Signal ist auch in verletzten Maus-Herzen aktiv, aber dort reagieren die Herzzellen völlig anders darauf: sie sterben. Hier wird durch BMP also keine Regeneration ausgelöst, sondern die beschädigten Zellen werden stattdessen in den Zell-Selbstmord getrieben", so Professor Jeroen Bakkers vom niederländischen Hubrecht Institut am Universitätsklinikum Utrecht, der wie Professor Gilbert Weidinger ko-korrespondierender Autor der Studie ist.

 Die Wissenschaftler wollen nun herausfinden, wieso Herzzellen in Zebrafischen und in Säugetieren wie der Maus so unterschiedlich reagieren und welche Prozesse letztendlich dafür verantwortlich sind.Könnten Säugetiere - denen taxonomisch auch der Mensch zuzurechnen ist - verletzte Herzzellen ebenso gut durch gesunde ersetzen wie der Zebrafisch, gäbe es neue Hoffnung für Herzinfarktpatienten. Denn ein Myokardinfarkt, wie dieses lebensbedrohliche Ereignis auch genannt wird, ist deshalb so gefährlich für den Menschen, weil sterbende Herzmuskelzellen nicht ersetzt werden können, sodass der Herzmuskel vernarbt und das Organ an Kraft verliert. Die medizinische Relevanz des Projektes ist also beträchtlich. "Vielleicht wird es eines Tages möglich sein, die Regenerationsfähigkeit von menschlichem Herzgewebe durch entsprechende Medikamente oder Therapien, die auf der Grundlage solcher Forschungsergebnisse entwickelt wurden, deutlich zu verbessern", hoffen die Forscher.

 

Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann 

Chi-Chung Wu forscht
Doktorand Chi-Chung Wu forscht zur Herzregeneration bei Zebrafischen (Foto: Heiko Grandel)
Zebrabärblinge
Zebrabärblinge haben eine außergewöhnliche Eigenschaft: sie können nicht nur verletzte Flossen regenerieren, sondern auch verletztes Herzgewebe nachwachsen lassen. (Foto: Eberhardt/kiz)
Aktive Gene bei der Herzregeneration
Eine von den Autoren neu entwickelte Sequenzier-Methode (Tomo-Seq) identifiziert Gene, die in bestimmten Regionen des regenerierenden Herzen aktiv sind. Die linke Spalte zeigt Gene, die in der Wunde aktiv sind (blaue Färbung), in der Mitte sind aktive Gene zu sehen, die nur an der Wundgrenze lokalisiert sind, und rechts aktivierte Gene im gesunden Gewebe. (Aufnahmen: Chi-Chung Wu)
Bestimmte Signale sind für die Herzregeneration nötig
BMP (bone morphogenetic protein) Signale sind nötig für die Regeneration des Herzens. Diese können die Regeneration beschleunigen, wenn sie experimentell verstärkt werden. Der gestrichelte Bereich markiert die Verletzung, die in Kontrollherzen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig regeneriert ist. In Herzen, in denen BMP Signale blockiert wurden, ist die Wunde größer (mittleres Bild), während Herzen, in denen BMP Signale verstärkt wurden, kleinere Wunden aufweisen. (Aufnahme: Chi-Chung Wu)
Doktorand am Mikroskop
Doktorand Chi-Chung Wu am Mikroskop (Foto: Heiko Grandel)