Von heilenden Herzen und wie der Mensch davon profitieren kann

Die Anti Aging-Strategien des Zebrafisches

Pfeilschnell flitzen sie durchs Wasser — die rund 20 000 tierischen "Mitarbeiter" von Professor Gilbert Weidinger. Der Entwicklungsbiologe vom Institut für Biochemie und Molekulare Biologie forscht zur Regenerationsfähigkeit des Zebrafisches. In den Räumen des Instituts und im Keller des Universitätsklinikums stehen insgesamt mehr als tausend Tanks voll mit den Süßwasserfischen, die gerne im Schwarm leben. In den neuen Sonderforschungsbereich (SFB) »Aging at Interfaces« bringt Gilbert Weidinger seine Erkenntnisse um die erstaunliche Regenerationsfähigkeit des Zebrafisches ein, der sogar ganze Flossen nachwachsen lassen kann. Denn der drei bis vier Zentimeter große »Zebrabärbling« ist dem Menschen ähnlicher, als es auf den ersten Blick scheint.

Seit Ende der 1990-er Jahre ist der Zebrafisch in der biomedizinischen Forschung ein anerkannter Modellorganismus. Rund 70 Prozent seiner Gene teilt er mit dem Menschen. Auch viele Signalwege sowie die Aktivierung von Genen funktionieren ähnlich. "Doch im Gegensatz zu Menschen ist der Zebrafisch in der Lage, Organe und Körperteile zu regenerieren", erklärt Weidinger. "Bei einem Infarkt bleibt das menschliche Herz dauerhaft beschädigt und abgestorbene Herzmuskelzellen können nicht ersetzt werden. Zebrafische jedoch schaffen es, verlorene Zellen wiederherzustellen und ihr Herz vollständig zu regenerieren." Wie genau diese Selbstheilungskräfte funktionieren, das erforschen Weidinger und seine menschlichen Mitarbeitenden im Labor.

Für den SFB hat Professor Weidinger seine ursprüngliche Fragestellung erweitert: »Die Regenerationsfähigkeit, die wir am Zebrafisch erforschen, hat nämlich auch Bedeutung für das menschliche Altern.« Beim Menschen können sich manche Organe und Zellen wie die Haut oder das Blut ebenfalls erneuern und nach Verletzungen "selbst" reparieren. Doch diese Fähigkeit lässt im Alter nach. Eine mögliche Ursache für die mangelnde Regeneration ist der so genannte Replikationsstress. Dieser führt dazu, dass sich die DNA während der Zellteilung schlechter verdoppeln kann. Weidingers Arbeitsgruppe hat nun entdeckt, dass Zebrafische keineswegs immun gegen diesen Stress sind, sondern einfach besser damit umgehen.

Prof. Gilbert Weidinger hält einen Behälter mit Zebrafischen
Prof. Gilbert Weidinger

Der Zebrafisch kompensiert Replikationsstress durch die Aktivierung eines bestimmten Signalwegs und könnte so Vorbildcharakter haben. Denn auch wir Menschen besitzen entsprechende Signalweg-Moleküle, genannt BMP (bone morphogenetic protein). In Zusammenarbeit mit SFB-Sprecher Professor Hartmut Geiger hat Weidinger bereits Hinweise gefunden, dass eine Aktivierung dieses spezifischen Signalwegs die Teilungsfähigkeit von Blutstammzellen älterer Menschen verbessert. "Im nächsten Schritt werden wir experimentell prüfen, welche funktionale Rolle die BMPs bei der Regeneration des Zebrafižsches spielen und welche Gene dadurch reguliert werden", schildert Weidinger. So soll weiter entschlüsselt werden, wie die Zebrafisch-Regeneration zum "Anti Aging" des Menschen beitragen kann.

Text: Daniela Stang
Foto: Heiko Grandel