Countdown für Ulmer Quantentechnologie

Neues Institut DLR-QT eingeweiht

Eine zentimetergenaue Navigation im Weltraum, innovative Kommunikationstechnologien und robuste Sensoren für die Erdbeobachtung: Im neuen Ulmer DLR-Institut für Quantentechnologien (DLR-QT) werden Präzisionsinstrumente für das All und für die Erde entwickelt. Ende Mai ist das Institut mit prominenter Unterstützung eingeweiht worden. Technik vom neuen Ulmer Standort auf dem ehemaligen Daimler-Areal soll bereits 2024 zur internationalen Raumstation ISS fliegen.

Quantentechnologie aus Ulm steckt bereits in diamantbasierten Sensoren, neuartigen MRT-Scannern und bald auch im ersten deutschen Quantencomputer. Nun läuft der Countdown für Präzisionsinstrumente, die insbesondere in der Raumfahrt eingesetzt werden sollen. Entwickelt werden die quantentechnologischen Anwendungen fürs All im neuen Ulmer Institut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ende Mai ist das »DLR-QT« mit einer onlinebasierten Festveranstaltung eingeweiht worden. Neben der illustren Gästeliste – es gratulierten zum Beispiel Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der deutsche Astronaut Dr. Alexander Gerst – erregte der Veranstaltungsort Aufmerksamkeit. Erst durch die Live-Schalten wurde offiziell bekannt: Das neue Institut zieht in die Gebäude des ehemaligen Daimler-Forschungszentrums, das vom Stararchitekten Richard Meier entworfen wurde.

Das heißt: In Laboren und Hallen, wo früher Motoren getestet wurden, sollen schon bald Präzisionsinstrumente fit für den Flug in den Orbit gemacht werden. »Die Quantentechnologie wird unser Leben verändern. Sie bildet die Grundlage für neue Innovationen aus dem DLR, die über den Technologietransfer ihren Weg in die Wirtschaft finden«, sagte die DLR-Vorstandsvorsitzende Professorin Anke Kaysser-Pyzalla anlässlich der Einweihung. »Wir haben hier in Ulm ein ideales Forschungsumfeld gefunden, eingebettet in jahrelang erfolgreich implementierte lokale und regionale wissenschaftlich-technische Strukturen.«

Die Gründung des DLR-QT knüpft an unsere bisherigen Forschungsleistungen in der Quantentechnologie an und markiert gleichzeitig den Start in ein neues Zeitalter

Forschende um den Ulmer Professor Wolfgang Schleich blicken auf mehr als 15 Jahre Erfahrung mit Quantentechnologien in der Schwerelosigkeit zurück. Gemeinsam mit experimentell arbeitenden Kollegen aus Hannover waren die Physiker die weltweit ersten, die ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat in Schwerelosigkeit erzeugt haben. Dieser seltene Quantenzustand bildet unter anderem die Grundlage für hochgenaue Messgeräte wie Atom-Interferometer. Der erste Coup jenseits der Schwerkraft gelang den Quantentechnologen im 146 Meter hohen Bremer Fallturm; dann erzeugten sie ein Bose-Einstein-Kondensat an Bord einer Höhenflug-Rakete. Inzwischen ist sogar eine Apparatur zur Herstellung dieses Kondensats, bei dem alle Atome den gleichen quantenmechanischen Zustand einnehmen, auf der ISS in Betrieb – Ulmer Forschende führen im so genannten Cold Atom Laboratory (CAL) der NASA bereits Experimente durch. »Die Gründung des DLR-QT knüpft an unsere bisherigen Forschungsleistungen in der Quantentechnologie an und markiert gleichzeitig den Start in ein neues Zeitalter«, sagte Professor Wolfgang Schleich, kommissarischer Institutsleiter, bei der Eröffnungsfeier. Parallel werden vom DLR ein eng verbundenes Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik in Hannover eingerichtet sowie das Galileo-Kompetenzzentrum in Oberpfaffenhofen.

Schon im Herbst sollen erste Mitarbeitende des Ulmer DLR-Instituts ins ehemalige Daimler-Forschungszentrum umziehen. Mit dem Experten für Chip-Miniaturisierung Professor Marc Wurz sowie dem Quantenmetrologen Professor Claus Braxmeier konnten bereits zwei Abteilungsleiter des neuen Instituts in einem gemeinsamen Berufungsverfahren von DLR und Universität Ulm gewonnen werden. Langfristig wird das DLR-QT auf mehr als 200 Mitarbeitende in Wissenschaft und Verwaltung anwachsen. Dem DLR-QT stehen voraussichtlich 4000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung.

MAIUS-Atomchip zur Kühlung von Atomen

Maßgeschneiderte Instrumente fürs All

Quanten-Anwendungen und Instrumente fürs Weltall, wie sie in Ulm entstehen werden, basieren auf Eigenschaften der Quantenmechanik wie Überlagerung und Verschränkung. Dadurch werden beispielsweise eine hochgenaue Satellitennavigation möglich oder neue Messtechnologien. Um sich im Weltraum zu bewähren, müssen solche quantenbasierten Instrumente vor allem klein, robust und langlebig sein. Zudem sollten verwendete Materialien die starke Beschleunigung beim Raketenstart und extreme Temperaturunterschiede aushalten. Bereits 2024 fliegt eine optische Uhr, die in der Abteilung für Quantenmetrologie des DLR-QT fertig gestellt wird (Projekt »COMPASSO«), für Tests zur internationalen Raumstation. Diese neuartige Atomuhr soll bei der Zeitmessung um Faktor 100 präziser sein als ihre Vorgänger und eine Positionsbestimmung bis auf wenige Zentimeter erlauben. Kurzum: Sie könnte die Navigation im All auf die nächste Ebene heben.

Doch nicht nur Astronautinnen und Astronauten werden von den neuen quantentechnologischen Anwendungen aus Ulm profitieren. Auch auf der Erde könnte die optische Uhr zum Beispiel Navigationssysteme von autonom fahrenden Autos oder Schiffen und Drohnen verbessern. Tatsächlich soll das DLR-QT den Bogen von der Grundlagenforschung zur Anwendung und in die Industrie schlagen. Zur Einweihung des Ulmer Instituts sagte die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut: »Wir wollen, dass Baden-Württemberg bei der Wertschöpfung mit Quantentechnologien ganz vorne mitspielt. Das DLR-Institut für Quantentechnologien ist hier eine wichtige Transferbrücke zwischen Forschung und Wirtschaft.«

Große Schnittmengen bestehen auch zwischen dem neuen Institut DLR-QT und der milliardenschweren Quantencomputing-Initiative der Bundesregierung, bei der Ulm eine wichtige Rolle spielt. In den kommenden Jahren werden Forschende aus Wissenschaft und Wirtschaft den ersten deutschen Quantencomputer entwickeln, der hochkomplexe Rechenoperationen in kurzer Zeit ermöglicht. Anwendungen im All und am Boden reichen von der verschlüsselten, oft sicherheitsrelevanten Satellitenkommunikation über Computersimulationen für die Forschung bis hin zu Berechnungen für Versicherer, Pharmaunternehmen oder das Streckennetz der Deutschen Bahn.

Die Herausforderungen solcher zukunftsweisenden Quantentechnologien können Forschende des Instituts DLR-QT selbstverständlich nicht alleine meistern. Vielmehr bedarf es einer engen Zusammenarbeit mit der benachbarten Universität Ulm, weiteren Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Der neue Standort auf dem ehemaligen Daimler-Forschungsgelände bietet hierfür optimale Bedingungen. Auf dem Areal an der Wilhelm-Runge-Straße werden ebenfalls die DLR-Institute für KI-Sicherheit und Technische Thermodynamik einziehen. Weiterhin sollen sich Firmen und Start-ups mit Bezug zur Quantentechnologie beziehungsweise zum Quantencomputing in der unmittelbaren Umgebung ansiedeln. »In einem Jahr wird schon viel Leben auf dem >DLR-Campus< sein. Vor allem wird ein reger wissenschaftlicher Austausch über die Fächer- und Einrichtungsgrenzen hinaus stattfinden«, blickt Professor Wolfgang Schleich optimistisch in die Zukunft.

 

Feierliche Eröffnung des neuen Instituts DLR-QT

Bei einer Hybridveranstaltung mit Live- und Online-Elementen eröffneten Gründungsdirektor Prof. Wolfgang Schleich und Prof. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstand für Raumfahrtforschung und -technologie, Ende Mai das neue Ulmer Institut für Quantentechnologien (DLR-QT).

In seiner Videobotschaft betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass gleich mehrere Ulmer Forschende in der Quantentechnologie zur Weltspitze zählen. Kretschmann stellte das neue Institut in eine Reihe mit dem Quanten-Forschungszentrum IQST und dem Zukunftscluster QSens, die von den Universitäten Ulm und Stuttgart gemeinsam betrieben werden. Zuvor hatte die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Anke Kaysser-Pyzalla Bund und Ländern für die Unterstützung beim Aufbau der neuen Institute gedankt.

Unter den Gratulanten aus der Politik waren Thomas Bareiß, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, sowie die Ulmer Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer, die sich enorm für das Institut DLR-QT eingesetzt hatten. Alleine für die vierjährige Aufbauphase stellen Bund und Land fast 55 Millionen Euro zur Verfügung.

Bei der Eröffnungsfeier erinnerte sich die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut an ihren Besuch beim DLR-QT im vergangenen Jahr: Damals durfte sie ein Bose-Einstein-Kondensat auf der ISS starten. Stargast der Veranstaltung war jedoch der deutsche Astronaut Dr. Alexander Gerst, der von seinen Reisen in die Schwerelosigkeit und Experimenten auf der internationalen Raumstation berichtete.

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Texte: Annika Bingmann

Fotos: istock/ABIDAL, DLR, Elvira Eberhardt, J. Matthias, Stephan Tobias Seidel

Video: DLR