Erdmännchen leiden unter Klimawandel

Erderwärmung verändert Verhalten und Darm-Mikrobiom der Wildtiere

Der Klimawandel hat Auswirkungen auf wildlebende Erdmännchen in der südafrikanischen Kalahari. Biologinnen und Biologen der Universität Ulm konnten anhand von Kotproben nachweisen, dass sich die Zusammensetzung der Darm-Bakterien in den Tieren in den vergangenen 20 Jahren verändert hat. Daraus folgen eine höhere Anfälligkeit gegenüber Tuberkulose und somit eine geringere Lebenserwartung. Erschienen ist die Studie in der Fachzeitschrift »Global Change Biology«.

Die Sonne brennt am Himmel über der Kalahari. Es ist ein weiterer heißer Tag in der Savannenlandschaft im Norden Südafrikas. Statt nach Insekten zu suchen, bleiben die Erdmännchen lieber etwas länger im Bau: Sogar den sonnengewöhnten Savannenbewohnern ist es zu warm, um draußen auf Nahrungssuche zu gehen.

Die durchschnittliche Höchsttemperatur hat in der südafrikanischen Kalahari in den letzten zwei Jahrzehnten um mehr als zwei Grad zugenommen, fünfmal mehr als im globalen Durchschnitt. Im gleichen Zeitraum hat sich das Darm-Mikrobiom der Kalahari-Erdmännchen (Suricata suricatta) mit den zumeist krankheitserregenden Bacteroidia angereichert und ist an Milchsäurebakterien verarmt, einer Gruppe von Bakterien, die als vorteilhaft gelten. Eine Veränderung, die auch über Generationen nachweisbar ist. Gründe dafür sieht Dr. Nadine Müller-Klein vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Uni Ulm vor allem in den veränderten Temperaturen: »Erdmännchen gehen normalerweise, wenn es zu heiß wird, unter die Erde in ihre Bauten. Das heißt aber auch, dass sie dann weniger Zeit haben, Futter zu suchen. Und weniger Nahrung heißt weniger Energie. Dazu kommt der physiologische Stress durch die Hitze, der den Körper und damit das Immunsystem beeinflusst. Daraus folgt eine höhere Anfälligkeit für Krankheiten, die auch mit einer höheren Mortalität einhergeht.« Zusammen mit Dr. Alice Risley ist Müller-Klein Erstautorin der Studie.

Eine Gruppe Erdmännchen
Eine Gruppe Erdmännchen

»Dazu kommt der physiologische Stress durch die Hitze, der den Körper und damit das Immunsystem beeinflusst«

 

Mehr Bacteroidia im Darm waren zusätzlich mit einem Anstieg von Tuberkulose in der Erdmännchen-Population verknüpft. Trockene, heiße Wetterphasen, schlechte Konstitution und das Auftreten von Tuberkulose sind Faktoren, die direkt mit einer bis zu zehnmal niedrigeren Überlebenschance der Kleinsäuger verbunden sind. Der gleichzeitig auftretende Verlust an Milchsäure-produzierenden Bakterien, die für die Gesundheit von Wirtsorganismen wichtig sind, trug ebenfalls zur erhöhten Sterblichkeit bei. Damit beantworten die Biologinnen und Biologen eine bislang offene, dennoch wichtige Frage: Wirken sich Klimaveränderungen auf das Darm-Mikrobiom und damit längerfristig auf die Fitness des Wildtierwirts aus?

Besuch bei den Erdmännchen in der Kalahari

Mitarbeiter wiegt ein Erdmännchen
Mitarbeiter des Kalahri Meerkat Project wiegt ein Erdmännchen

Untersucht haben die Ulmer Forschenden für die Langzeitstudie insgesamt über elfhundert Kotproben von rund 230 Erdmännchen-Individuen. Diese werden seit 1993 im Kuruman River Reservat im nördlichen Südafrika gesammelt. Dort läuft das »Kalahari Meerkat Project« unter der Leitung von Professor Tim Clutton-Brock (Universität Cambridge, Großbritannien) und Professorin Marta Manser (Universität Zürich, Schweiz). Die Biologinnen und Biologen des Instituts für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik reisten selbst mehrmals von Ulm in die Kalahari, um vor Ort die Probennahme zu beobachten, Vorträge zu halten und weitere Projekte zu besprechen. Bei ihrem Aufenthalt 2023 gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zudem, eine Gruppe von tuberkulosekranken Erdmännchen, die seit Monaten nicht lokalisierbar war, wiederzufinden. In Ulm wurden im Forschungslabor die bakterielle DNA der Kotproben extrahiert und ein bestimmtes Gen identifiziert, mit dem man Bakterien klassifizieren kann.

Das Mikrobiom – Schlüssel für die Gesundheit

Warum ist das Mikrobiom, also die Gemeinschaft von Bakterien im Darm, aber von so zentraler Bedeutung für den Stoffwechsel und die Immunität des Wirts? Das Mikrobiom reguliert das Gleichgewicht vieler zentraler physiologischer Prozesse im Organismus, die so genannte Homöostase. Wird diese mikrobielle Gemeinschaft dauerhaft gestört, kann das schwerwiegende Konsequenzen haben und zu einer Dysbiose führen, die oft mit der Abnahme nützlicher Bakterien und der Zunahme potenziell krankheitserregender Bakterien verbunden ist. Stressoren, die eine derartige Störung hervorrufen können, sind vielfältig:
Dazu gehören unter anderem vom Menschen gemachte Veränderungen des Lebensraumes gekoppelt mit Veränderungen der natürlichen Nahrung, des sozialen Umfelds, sowie psychischer und physischer Stress, Umweltgifte wie Dünger oder Unkrautvernichter, Medikamente oder Krankheiten.

»Langzeitstudien über die mikrobielle Darmgemeinschaft von Wildtierarten sind äußerst selten«

 

Mithilfe eines statistischen Modells konnten die Ulmer Forschenden einen Zusammenhang zwischen den Temperaturveränderungen und der Zusammensetzung der bakteriellen Darmgemeinschaft ausmachen. Institutsleiterin Professorin Simone Sommer ordnet diese Erkenntnisse ein: »Langzeitstudien über die mikrobielle Darmgemeinschaft von Wildtierarten sind äußerst selten. Viele Fragen zu den Folgen von Temperaturveränderungen oder Krankheitsanfälligkeit können oft nur in Experimenten behandelt werden oder werden aufgrund kurzfristiger Beobachtungen vermutet. Um zu verstehen, ob die vermuteten Auswirkungen biologisch bedeutsam sind, müssen die Annahmen jedoch anhand von Langzeitdaten und unter natürlichen Gegebenheiten überprüft werden, wozu wir hier erstmals Gelegenheit hatten.«

Die Studie am Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Universität Ulm ist die Erste, die die Auswirkungen der Klimaveränderung und der Krankheitsdynamik auf die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms in einer Region der Welt dokumentiert, in der die globale Erwärmung fünfmal so schnell voranschreitet wie im Rest der Welt.

Erdmännchen balancieren auf Gestrüpp, um nach Räubern Ausschau zu halten
Erdmännchen balancieren auf Gestrüpp, um nach Räubern Ausschau zu halten

Publikationshinweis:
Alice Risely, Nadine Müller-Klein, Dominik W. Schmid, Kerstin Wilhelm, Tim H. Clutton-Brock, Marta B. Manser, Simone Sommer (2023). Climate change drives loss of bacterial gut mutualists at the expense of host survival in wild meerkats. Global Change Biology, 00, 1–13 doi.org/10.1111/gcb.16877

Text: Daniela Stang
Fotos: Dr. Nadine Müller-Klein, Prof. Simone Sommer