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Kinder-Diabetes-Studie zeigt:
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund werden häufiger zuckerkrank

Ulm University

Laut einer neuen Studie der Universität Ulm, die aktuell im Fachjournal Pediatric Diabetes veröffentlicht wurde, sind Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund von Diabetes Typ II besonders häufig betroffen. Ihr Anteil an erfassten Erkrankten war mit 40 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der Anteil an der Gesamtbevölkerung. Insbesondere Kinder türkischer, osteuropäischer und russischer Abstammung litten überdurchschnittlich häufig daran.

"Unser Ergebnis deckt sich auch mit Vergleichsstudien aus anderen Ländern. So sind es in den USA vor allem ethnische Minderheiten wie Indigene, Afroamerikaner, Lateinamerikaner und Asiaten, die an dieser übergewichtsbedingten Form der Insulinresistenz erkranken", erläutert Dr. Wendy Awa, die als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie an der Universität Ulm diese Studie verfasst hat. "Hier spielen wohl vor allem auch sozioökonomische Gründe eine Rolle", vermutet die Wissenschaftlerin.

Die promovierte Humanbiologin hat die demografischen, biometrischen, klinischen, immunologischen und genetischen Daten von insgesamt 107 jungen Typ II-Diabetes-Patienten in Deutschland und Österreich auf statistische Zusammenhänge hin analysiert. Grundlage der deskriptiven Untersuchung war die sogenannte Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV), deren Herzstück die Ulmer Kinder-Diabetes-Biobank (paedBMB) ist, für die im Deutschen Biobanken-Register ein neues Projektportal eröffnet wurde (wie berichtet). Dort lagern neben den Patientendaten über 2000 Blut- und Serumproben aus rund 150 pädiatrischen Diabetes-Einrichtungen (wir berichteten). Hinzugezogen wurde auch die sogenannte Adipositas Verlaufsdokumentation (APV), in der die medizinischen Daten von fettsüchtigen Kindern mit stark steigendem Blutzuckerspiegel erfasst waren.

Herzstück der Studie: die Ulmer Kinder-Diabetes-Biobank

"Mit dieser Biobank haben wir ein hervorragendes Instrument, um Hinweise auf signifikante Zusammenhänge als Grundlage für weitere Forschungen zu suchen", so der Koordinator der Ulmer Kinder-Diabetes-Biobank und Leiter der Studie, Professor Reinhard Holl, ebenfalls vom Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie der Universität Ulm. "Gleichwohl die Krankheit auch hierzulande in den letzten Jahren immer häufiger diagnostiziert wird, sind wir von einer Epidemie, wie sie in den Medien gerne ausgemalt wird, noch weit entfernt", meint der Kinderdiabetologe. Holl weiter: "Brisant hingegen ist, dass die Typ II-Diabetes häufig einhergeht mit dem sogenannten metabolischen Syndrom, einem wesentlichen Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen, der folgende Faktoren umfasst: Adipositas, Bluthochdruck, krankhaft veränderte Blutfettwerte und Insulinresistenz.

Eine Schlüsselrolle spielt die familiäre Vorprägung durch die Mutter

Eine gesundheitlich bedenkliche Verknüpfung dieser Krankheitsbilder zeigte sich vor allem bei den jungen männlichen Patienten. Anders als die Mädchen - die bezogen auf die untersuchte Gesamtheit der Patienten zwar die Mehrzahl der Diabetes-Typ II-Erkrankten stellten - litten die Jungs besonders häufig noch an Begleitkrankheiten wie Bluthochdruck oder krankhaft veränderten Blutfettwerten und mussten dementsprechend medikamentös behandelt werden. Weitaus weniger überraschend war die festgestellte Tatsache, dass ein Großteil der jungen Diabetes-Typ II-Patienten stark übergewichtig oder sogar adipös war. So gilt gerade die Fettsucht als eine der Hauptursachen für die Entstehung von so genanntem Altersdiabetes bei Kindern. "Ursächlich dafür ist nicht nur ein falsches Ernährungs- und Bewegungsverhalten", erklärt Awa. Die studierte Biologin und Public-Health-Expertin weiter: "Die Ergebnisse der Studien weisen zudem auf eine familiäre Veranlagung hin, wobei uns insbesondere eine gewisse Vorprägung durch die Mutter auffiel." So waren deutlich mehr Mütter als Väter von adipösen Kindern ebenfalls stark übergewichtig oder adipös, und bei über 80 Prozent der Eltern beziehungsweise Großeltern war ebenfalls Diabetes festgestellt worden.

Bei der Betrachtung autoimmunologischer Aspekte anhand von Diabetes-Antikörpern stellte sich heraus, dass mehrere Patienten Diabetes-Mischformen hatten. So waren Patienten aufgrund ihres starken Übergewichts als Typ II klassifiziert worden und wiesen dabei gleichwohl das Autoimmunprofil eines Typ I-Diabetikers auf. "Unsere Biobank kann also auch dabei helfen, die Diagnose zu präzisieren", meint Holl. Für den Patienten macht dies einen großen Unterschied. "Für viele Typ II-Patienten gibt es Hoffnung, die Krankheit mit gesünderer Ernährung und mehr Bewegung in den Griff zu kriegen. Typ I-Patienten brauchen dagegen lebenslänglich Insulin", sagt Dr. Wendy Awa. Die in Kamerun geborene Wissenschaftlerin forscht mittlerweile als Postdoc im Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen über neue Methoden zum "Health Technology Assessment".

 Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann