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„Wir wollen kein deutsches Europa“:
UFW-Fachtagung mit Dr. Wolfgang Schäuble

Ulm University

„Nein, wir brauchen kein deutsches Europa – und auch wir Deutschen würden das nicht wollen.“ Deutlicher kann es Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Ulmer UFW-Fachtagung vom Freitag nicht auf den Punkt bringen. Bezugnehmend auf die aktuelle Debatte in den Medien zeigt der promovierte Wirtschaftsjurist deutlich Flagge. Das wäre nicht im deutschen Interesse. „Aber wir brauchen ein starkes und wettbewerbsfähiges Europa“, so der Minister vor über 1000 Zuhörern an der Universität Ulm.
Das Ulmer Forum für Wirtschaftswissenschaften (UFW) e.V. konnte Schäuble als Redner für die diesjährige Fachtagung gewinnen. Ihren Stolz darüber drückte die Vereinsvorsitzende Professorin Brigitte Zürn bei der Begrüßung aus.

Schäubles Vortrag zur Notwendigkeit einer einheitlichen europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung zielt vor allem auf die notwendigen Reformen der institutionellen Rahmenbedingungen. Die schändlich hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa sei nicht zuletzt ein Problem der Globalisierung, für das man noch immer keine Lösung habe. „Die europäischen Arbeitsplätze stehen international unter großem Druck. Wir müssen daher innovationsfähig bleiben und unser Augenmerk auf nachhaltiges und qualitatives Wachstum lenken.“ Mit kurzfristigen finanzpolitischen Gesten auf dem Geldmarkt könne man da wenig ausrichten. Schäubles Plädoyer für eine Fortführung einer soliden Haushaltspolitik in Verbindung mit durchgreifenden institutionellen Reformen mache die Bundesregierung sicherlich nicht überall beliebt, aber damit könne er leben.

 Ein Ausstieg aus dem Euro wäre Wahnsinn
„Uns wird immer ein Mangel an Visionen unterstellt, aber man darf doch die Realität nicht aus dem Blick lassen“, so Wolfgang Schäuble. Mit der Politik der zweitbesten Lösung fahre man nicht schlecht. Im Verweis auf Karl Poppers Politik von Versuch und Irrtum betont er, dass die Stärke der Demokratie ja gerade darin liege aus Fehlern zu lernen. Eine Vertiefung der europäischen Integration und die Beibehaltung des Euros sind für Schäuble ohne Alternative. „Ein Ausstieg aus dem Euro wäre doch blanker Wahnsinn. Der Euro wird hier zum Sündenbock gemacht für Probleme, die die Globalisierung ausgelöst hat, und die man auf die Schnelle nicht lösen kann.“ Dabei profitiert Deutschland doch mit am stärksten von Europa und der Einheitswährung. Schäuble zitiert eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, wonach die Euro-Mitgliedschaft Deutschlands zwischen 2013 und 2025 einen volkswirtschaftlichen Gewinn von rund 1,2 Billionen Euro einbringen werde.

„Wir Deutschen haben unsere Geschichte und wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu chauvinistisch rüberkommen. Außerdem waren es Deutschland und Frankreich, die als erstes die Defizitmarke überschritten haben.“ Wolfgang Schäuble verweist in diesem Zusammenhang auf die wirtschaftlich starken Regionen in Norditalien, Spanien, Portugal und auch Irland. Und wenn man die positive Entwicklung im Baltikum und insbesondere in Polen anschaue, sei das vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen. Und noch einmal mit Blick auf die Kritik an Deutschlands Sparpolitik: „Für die Sparauflagen in Griechenland haben wir uns nicht aus Hartherzigkeit entschieden, sondern aus Notwendigkeit.“

Eine klare Abfuhr gab es für Eurobonds. Laut Bundesfinanzminister seien diese finanzielle Fehlanreize. Das Problem: eine Vergemeinschaftung der Haftung bei fehlender gemeinsamer Entscheidungsmacht. Zunächst müsse eine einheitliche Finanz- und Wirtschaftspolitik ins Leben gerufen werden.

Das vereinte Europa ist ein historischer Glücksfall
„Die Europäische Integration ist als weltweit einmaliges Experiment ein Erfolgsmodell für ,international governance‘. Und auch um die soziale Marktwirtschaft beneiden uns viele Länder: Europa wird gebraucht!“, so Schäuble. Verbunden mit solidem Haushalten, wirtschaftlichem Maßhalten, sozialer Kohärenz, ökologischer Nachhaltigkeit und der Herrschaft des Rechts könne Europa ein weltweites Vorbild sein. Deutschland brauche nicht mehr ungezügelten Finanzkapitalismus, sondern die Welt mehr soziale Marktwirtschaft: „Langfristig werden wir damit erfolgreich sein.“

Bundesminister mit Sinn für regionale Eigenheiten
In seiner eindringlichen und dabei schnörkellos direkten Rede, die an vielen Stellen auch äußerst spontan und humorreich geriet, zeigte sich Schäuble ganz als überzeugter – und frankophiler – Europäer. Er gab zwar zu, dass die europäischen Mühlen manchmal langsam mahlen. Die europäische Integration sei aber der beste Weg, den Europa je gegangen sei. Anschließend hatten die Zuhörer Gelegenheit, dem Bundesfinanzminister Fragen zu stellen.
Moderiert wurde die Fragerunde von Georg Giersberg, Wirtschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Dass er auch einen Sinn für die feinen Nuancen badisch-schwäbischer Befindlichkeit hat, zeigte der gebürtige Freiburger Schäuble in Reaktion auf die Begrüßungsansprache des Universitätspräsidenten Professor Karl Joachim Ebeling. Der Präsident hatte den unermüdlichen Einsatz und die Hartnäckigkeit des Finanzministers gewürdigt. In Hinblick auf Schäubles Arbeitspensum müsse er auch an dessen Frau denken, die wohl auch heute länger auf ihn warte: „Sie bekommen nicht nur einen Blumenstrauß für Ihre Frau, sondern auch eine Vase mit schwäbischem Wasser, das Sie zuhause gerne gegen badisches austauschen können.“ Der Bundesfinanzminister erwiderte, dass er dieses Geschenk als Sohn einer schwäbischen Hausfrau zu schätzen wisse. „Gehen Sie mal in Schwaben in einen Blumenladen. Falls Sie überhaupt einen finden, gibt es dort eigentlich nur Topfpflanzen.“

Ohne Topfpflanze aber mit großem Applaus verabschiedete sich Wolfgang Schäuble aus Ulm. Die durchweg positiven Reaktionen auf die Fachtagung, die sogar in einen zweiten Hörsaal übertragen wurde, waren nicht nur ein großes Kompliment an den Redner, sondern auch an die Veranstalter vom UFW und dem Institut für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung unter Leitung von Professor Kai-Uwe Marten.  

 

Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann/ab