Die Metallbindung

Die Elektronengastheorie

Schon um 1900 wurde ein Modell der metallischen Bindung von Drude und Lorentz vorgeschlagen. Im Gegensatz zum ionischen Kristallgitter, in dem die Gitterplätze abwechselnd mit positiven und negativen Teilchen belegt sind, besteht das Metallgitter aus nur positiven Atomrümpfen, die Valenzelektronen sind innerhalb des Gitters statistisch verteilt. Durch die freie Beweglichkeit sind die Elektronen nicht mehr fest an einen Atomrumpf gebunden, sondern delokalisiert. Da sich die Elektronen ähnlich wie ein Gas verhalten, spricht man auch von einem Elektronengas. Nimmt man das Beispiel Aluminium, das drei Valenzelektronen besitzt, kann man sich leicht vorstellen, dass das Elektronengas den größten Teil des Volumens ausmacht. So nehmen die Aluminium3+-Rümpfe nur 18% des Gesamtvolumens ein, 82% entfallen dagegen auf das delokalisierte Elektronengas.

Atomrumpf und Elektronengas
Abbildung 3:
Positiver Metallrumpf mit delokalisiertem Elektronengas.


Die Bändertheorie

Die elektrische Leitfähigkeit von Metallen wird heute über die Bändertheorie erklärt. Die Bindung im Kristall wird hierbei mit Hilfe von Molekülorbitalen beschrieben, die sich über den ganzen Kristall ausdehnen. Exemplarisch soll dies anhand des Lithiums besprochen werden:

Im Li2-Kristall überlappen sich die 2s-Orbitale der beiden Atome und bilden zwei Molekülorbitale. Ein bindendes s-Orbital und ein antibindendes s*-Orbital. Im Grundzustand ist nur das energieärmere, bindende s-Orbital mit 2 Elektronen besetzt, das energiereichere, antibindende s*-Orbital bleibt leer.

Die 2s-Orbitale von zwei getrennten Li-Atomen sind entartet, d.h. sie besitzen beide die gleiche Energie. Beim Zusammenfügen der beiden Atome spalten sich die Energieniveaus auf, es bildet sich ein Orbital höherer und ein Orbital niedrigerer Energie. Bringt man nun ein drittes Li-Atom ins Spiel, bilden sich drei Energieniveaus, ein antibindendes mit höherer Energie, ein nichtbindendes mit unveränderter Energie und ein drittes bindendes mit niedrigerer Energie. Bei vier Atomen im Li-Kristall bilden sich vier Energieniveaus. Je mehr Atome zusammengefügt werden, desto mehr getrennte aber enger beieinander liegende Energieniveaus bilden sich.
Die Molekülorbitale besitzen alle eine andere Energie, sie sind also nicht entartet. Die Gesamtheit dieser Molekülorbitale nennt man ein Band. Die Orbitale im unteren Teil des Bandes wirken bindend, die im oberen Teil antibindend.

Enstehung eines Bandes
Abbildung 4:
Entstehung eines Bandes durch die Wechselwirkungen der 2s-Orbitale.

Da es sich beim 2s-Elektron des Lithiums um ein Valenzelektron handelt, nennt man das entstandene Band auch Valenzband. Im Falle des Lithiums ist immer nur die untere Hälfte mit Elektronen besetzt, die durch Wärmeenergie aber leicht in ein höheres antibindendes Molekülorbital gehoben werden können. Die Wanderung der Elektronen in höhere oder aber auch zurück in tiefere Energieniveaus ermöglichen, dass Lithium Strom leitet.

2s und 2p Bänder des Lithiums
Abbildung 5:
Überschneidung des 2s- und des 2p-Bandes im metallischen Lithium.

Betrachtet man nun Beryllium, ein Element der zweiten Hauptgruppe, so stellt man fest, dass die beiden 2s-Elektronen eines Atoms zusammen mit zwei weiteren 2s-Elektronen eines anderen Be-Atoms nicht nur das energetisch günstigere s-Orbital besetzen, sondern auch das antibindende s*-Orbital. Die Molekülorbitale des entstandenen Valenzbandes sind also alle voll besetzt. Die Elektronen können innerhalb dieses Bandes nicht den Platz wechseln, und Beryllium wäre somit nicht in der Lage Strom zu leiten.
Nun bewegen sich die Elektronen eines Atoms in verschiedenen Orbitalen mit unterschiedlicher Energie um den Atomkern. Das nächst höhere Orbital, nach dem 2s-Orbital, ist das 2p-Orbital. Auch hier bilden sich in einem Kristall Molekülorbitale aus. Das entstandene Band überschneidet sich energetisch mit dem 2s-Band. Die Elektronen des Berylliums können durch Energiezufuhr in ein freies p-Molekülorbital überwechseln und Strom leiten. Das 2p-Band wird auch als Leitungsband bezeichnet.
In Abbildung 5 ist zudem noch das Band des 1s-Orbitals dargestellt. Dieses Band ist mit Elektronen voll besetzt, es überschneidet sich mit keinem weiteren Band und ist vom 2s-Band durch eine verboten Zone ("Energy Gap") getrennt. Kein Elektron kann eine Energie in diesem verbotenen Bereich annehmen.
Die hohe Beweglichkeit von Elektronen, also auch die Stromleitfähigkeit, ist immer dann gegeben, wenn ein Band nicht voll besetzt ist, oder wenn sich ein volles Band mit einem leeren Band überschneidet. Die Elektronenübergänge erfordern nur sehr wenig Anregungsenergie, die durch Zufuhr von thermischer Energie verfügbar ist. Fällt ein Elektron in ein tieferes Energieniveau zurück, wird Licht freigesetzt. Diese Elektronenübergänge tragen zum metallischen Glanz von Metallen bei.

Durch die unterschiedlichen Besetzungen und Überschneidungen von Bändern kann man drei verschiedene Typen von Festkörpern unterscheiden:

Leiter
Das Valenzband ist nur teilweise besetzt oder/und es überschneidet sich bei allen Metallen mit einem Leitungsband. Alkalimetalle besitzen teilweise besetzte Valenzbänder. Bei Erdalkalimetalle dagegen ist das Valenzband fast aufgefüllt. Wird eine Spannung angelegt, können die Valenzelektronen unbesetzte Energiezustände besetzten. Wegen des Pauli-Verbots müssen die Elektronen auch bei einer Temperatur von T = 0 K Quantenzustände höherer Energie besetzen und haben somit bei T = 0 K einen Energieinhalt. Die oberste Grenze bis zu der bei T = 0 K die Energieniveaus besetzt sind heißt Fermi-Energie EF. Beim Lithium beträgt die Fermi-Energie 4,7 eV.

Eigenhalbleiter
Das Valenzband in einem Halbleiter ist voll besetzt. Die verbotene Zone ist jedoch schmal genug, um von thermisch angeregten Elektronen überwunden zu werden. Es entstehen Lücken im Valenzband, in welche andere Elektronen des Valenzbandes hüpfen können. Die elektrische Leitung findet im Valenz- und im Leitungsband statt.
Silicium und Germanium sind zum Beispiel solche Halbleiter. Sie kristallisieren im Diamanttyp (sp3-Hybride), alle Valenzelektronen werden für die Bindungen im Kristall benötigt; sie stellen ein vollbesetztes Valenzband dar. Mit zunehmender Temperatur nimmt die elektrische Leitfähigkeit rapide zu. Elektronen werden aus ihren Bindungen gerissen und können in das energetisch höher gelegene Leitungsband gelangen.

Isolatoren
Auch hier ist das Valenzband voll besetzt, doch die verbotene Zone ist zu groß, um von angeregten Elektronen übersprungen zu werden. Selbst bei sehr hoher Energiezufuhr gelangen nur wenige Elektronen in das Leitungsband. Dies erklärt, warum Isolatoren bei sehr hohen Temperaturen kaum Strom leiten.

Leiter, Isolator und Eigenhalbleiter
Abbildung 6:
Schematische Bänderdiagramme für Leiter, Isolatoren und Eigenhalbleiter.