Finanzdienstleistungen und Finanzmärkte spielen eine zentrale Rolle in der modernen Wirtschaft. Wie die letzten Jahre gezeigt haben, können Einbrüche in diesen Märkten und Probleme bei zentralen, sogenannten "systemrelevanten" Finanzinstitutionen die Wohlfahrt ganzer Staaten gefährden und letztlich Krisen der gesamten Weltwirtschaft auslösen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, Finanzmärkte, ihre Funktionsweisen und die damit verbundenen Risiken möglichst gut zu verstehen. Dies erfordert den Einsatz von komplexen mathematischen Modellen und anspruchsvollen statistischen Verfahren sowie ein tiefgreifendes Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge.

Info

Institute

Institut für Finanzmathematik
Prof. Dr. Alexander Lindner, Prof. Dr. Robert Stelzer
Institut für Finanzwirtschaft
Prof. Dr. Gunter Löffler
Institut für Strategische Unternehmensführung und Finanzierung
Prof. Dr. Andre Güttler
Institut für Numerische Mathematik
Prof. Dr. Karsten Urban
Institut für Statistik
Prof. Dr. Jan Beyersmann, Prof. Dr. Markus Pauly (ehemalig)
Institut für Stochastik
Prof. Dr. Volker Schmidt, Prof. Dr. Evgeny Spodarev
Institut für Versicherungswissenschaften
Prof. Dr. An Chen, Prof. Dr. Mitja Stadje, Prof. Dr. Hans-Joachim Zwiesler
Institut für Volkswirtschaftslehre
Prof. Dr. Sebastian Kranz
Ehemalig: Prof. Dr. Ulrich Stadtmüller (Institut für Zahlen- und Wahrscheinlichkeitstheorie)

Kontakt

Prof. Dr. Robert Stelzer​​​​​​​

Informationsmaterial

Themendossier "Risikomanagement und Versicherung: Analyse - Beurteilung - Entscheidung"

 

Mathematik und Wirtschaftwissenschaften - eine einmalige Fächerkombination

Mit ihrer in Deutschland nahezu einmaligen Fächerkombination ist die Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften ein hervorragender Ort, um sich mit derartigen Fragen auseinanderzusetzen. Sie gehört mit diesem breiten Themenspektrum zu den weltweit führenden Forschungsstandorten.

Dabei ist es nicht ausreichend, klassische Finanzmärkte (Aktien, Währungen, Kredite, Zinsen,...) und Banken zu betrachten. Zu den Finanzdienstleistern von größter Bedeutung für uns alle zählt die Versicherungswirtschaft. Sie muss zum einen die versicherten Risiken optimal abschätzen können und gleichzeitig insbesondere im Lebensversicherungsbereich die eingenommenen Prämien möglichst gewinnbringend am Finanzmarkt anlegen.

Eine weitere große wissenschaftliche Herausforderung ist die Entwicklung und Untersuchung von Methoden und Werkzeugen, mit denen Regulierer und Aufsichtsbehörden (Bsp. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin und die Zentralbanken) die Finanzmärkte und Finanzinstitutionen mit möglichst geringem Aufwand und unter Berücksichtigung der Grundprinzipien derMarktwirtschaft so kontrollieren und steuern können, dass eine möglichst große gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt gewährleistet wird.

Neben den klassischen Finanzmärkten sind Energie-, Strom-und allgemeine Rohstoffmärkte, deren Verständnis und Modellierung ein wichtiger Bestandteil unserer Forschungstätigkeit.

Erfolg durch Interdisziplinarität

Die Bandbreite und Komplexität der von uns untersuchten Themen erfordert intensive Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche aus Mathematik und Wirtschaftswissenschaften. In unserer Fakultät forschen hervorragende Wissenschaftler der relevanten Fachgebiete in unmittelbarer Nähe, tauschen sich regelmäßig aus und arbeiten in verschiedenen Forschungsprojekten erfolgreich zusammen. Ein Highlight dieser Zusammenarbeit war das DFG-geförderte Graduiertenkolleg 1100 "Modellierung, Analyse und Simulation in der Wirtschaftsmathematik", das von 2005 bis 2014 bestand. Die erfolgreiche Interdisziplinarität ist auch eng verbunden mit dem Studiengang Wirtschaftsmathematik, der von der Universität Ulm in einer besonderen Pionierleistung Ende der siebziger Jahre eingerichtet wurde und in dessen Rahmen große Teile der berufsständischen Prüfung zum Aktuar absolviert werden können.

Neben den Bereichen Finanzmathematik und Finanzwirtschaft sowie Versicherungsmathematik und Versicherungswirtschaft sind zahlreiche weitere Bereiche der Fakultät zentrale Träger des Forschungsschwerpunktes: Stochastik und Statistik untersuchen Modelle grundlegend und stellen geeignete Verfahren zur Verfügung. Beispielsweise ist die Extremwerttheorie und -statistik optimal für die Beurteilung von Risiken geeignet. Typischerweise sind es nämlich die extremen und sehr seltenen Ereignisse, die mit den gefährlichsten Risiken verbunden sind, und genau diese sind aufgrund ihrer - eigentlich erfreulichen - Seltenheit schwer zu verstehen. Die räumliche Statistik wird benutzt, um bei diversen Sachversicherungsfragen die räumliche Verteilung von Schäden zu verstehen. Häufig sind die resultierenden mathematischen Modelle äußerst komplex, und um in akzeptabler Zeit zu guten Ergebnissen zu kommen, bedarf es modernster Berechnungs/Auswertungsverfahren, wie sie die Numerik bereitstellt und untersucht. Die Volkswirtschaft wiederum liefert wichtige Erkenntnisse zur Regulierung von Märkten. Darüber hinaus weisende wissenschaftliche Fragestellungen sind beispielsweise die Verhaltensökonomik: Akteure an Finanzmärkten handeln keineswegs immer rational - die Gründe für dieses Entscheidungsverhalten untersucht das "Ulm Laboratory for Economics and Social Sciences" (ULESS). Das mathematische Fachgebiet Optimierung liefert Antworten auf Fragestellungen zu den wechselseitigen Beziehungen - oft hochkomplexen Netzwerken - von Finanzmärkten.

Hochwasser in Ulm: ein extremes, relativ seltenes Naturereignis. Wie lässt sich das Risiko für zukünftige Wetterphänomene dieser Art und der damit verbundenen Schäden abschätzen?

Beispielprojekte

Private Rentenversicherung
Wie lege ich bzw. meine fondsgebundene private Rentenversicherung meine "Rentenbeiträge" optimal an? Welche Auswirkungen hat es dabei, dass mein zukünftiges Einkommen mir unbekannt, also zufällig ist?
Solche Fragen lassen sich mittels Methoden der stochastischen Optimalsteuerung mathematisch in Finanzmarktmodellen behandeln. Gemeinsam haben die Institute für Versicherungswissenschaft und Finanzmathematik beispielsweise gezeigt, dass der populäre Rat, "je länger die Zeit bis zur Rente, desto riskanter/aktienlastiger sollte man anlegen" keineswegs allgemeingültig ist, sondern unter anderem stark vom Zusammenhang zwischen zukünftigem Einkommen und Aktienmarkt abhängt.

Modellreduktion in der Derivatebewertung
Welchen Preis sollte ein Derivat haben, das nicht am Markt gehandelt wird? Wie bestimme ich die Parameter eines Finanzmarktmodelles, so dass ich die beobachteten Marktdaten möglichst gut treffe?
Die Bepreisung von Derivaten (Optionen) ist eine klassische Frage der Finanzmathematik und benötigt im Prinzip "nur" die Berechnung eines Erwartungswertes. In hinreichend realistischen Modellen läßt sich dieser aber nicht explizit bestimmen, sondern kann nur durch Lösen sehr komplexer Gleichungen numerisch berechnet werden. Die Institute für Numerik und Finanzmathematik arbeiten in einem gemeinsamen Projekt daran, wie man diese Berechnungen möglichst schnell und effizient durchführen kann und insbesondere an Modellreduktionsmethoden, die es erlauben, die Modelle schnell und präzise an Marktdaten anzupassen ohne dabei die komplexen Gleichungen stets neu zu lösen, sondern "online" (sozusagen in Echtzeit) nur viel einfachere und schnellere Probleme lösen zu müssen.

Ansteckungseffekte auf Finanzmärkten
In den jüngsten Finanzkrisen wurde die Gefahr von Kettenreaktionen oft als Hauptargument für Rettungsaktionen von Staaten und Zentralbanken angeführt. Zu beurteilen, wie groß die Ansteckungseffekte zwischen Banken oder Staaten wirklich sind, ist jedoch alles andere als einfach.
Am Institut für Finanzwirtschaft laufen hierzu verschiedene Forschungsprojekte. In einem davon werden neue Kennzahlen für die Systemrelevanz von Banken auf ihre Tauglichkeit untersucht. Dabei zeigt sich, dass man einigen häufig verwendeten Kennzahlen nicht recht trauen kann, da sie in typischen Situationen falsche Signale aussenden. Außerdem wird herausgearbeitet, welche Aspekte bei der Verwendung solcher Kennzahlen wichtig sind. Damit liefert die Forschung auch eine Grundlage für die Verbesserung von Messverfahren.

Wie lege ich bzw. meine fondsgebundene private Rentenversicherung meine "Rentenbeiträge" optimal an?