Viele Vorgänge in Natur, Technik und Wirtschaft lassen sich mit Hilfe partieller Differentialgleichungen (englisch: Partial Differential Equations oder kurz: PDEs) beschreiben. Um quantitative Aussagen über den Verlauf dieser Vorgänge zu machen, ist man daher an Lösungen dieser PDEs interessiert. Allerdings ist es in praktischen Anwendungen nur in Ausnahmefällen möglich, eine analytische Lösung zu bestimmen. An dieser Stelle setzt unser Forschungsgebiet innerhalb der Numerischen Mathematik an. Durch Methoden der Numerischen Mathematik wird das unendlichdimensionale Problem durch ein endlichdimensionales Problem - die Diskretisierung - ersetzt, welches effizient mit dem Computer gelöst werden kann. 

Finite Elemente Methode (FEM)

Um Theorie und Experimente zu ergänzen oder sogar zu ersetzen, müssen die numerischen Simulationen einer Reihe hoher Anforderungen genügen. Das gewählte (mathematische) Ersatzmodell muss die Realität ausreichend genau beschreiben, d.h. die Reaktion des virtuellen System auf Belastungen (Input) spiegelt die Realität möglichst genau wider. Eine wesentliche Forderung an die numerische Mathematik besteht darin, dass die Lösung der Ersatzprobleme in Form z.B. von Randwertproblemen  auf effizientem Weg möglichst genaue und zuverlässige Ergebnisse liefert. Randwertprobleme, wie z.B. die Laplace-, Helmholtz- oder Stokes-Gleichung, lassen sich in ihrem Definitionsbereich  z.B. durch die Finite Elemente Methode (FEM) näherungsweise lösen. 

Randelementmethode (BEM)

Überträgt man die Randwertaufgabe in eine Integralgleichung über den Rand des ursprünglichen Gebiets, so lässt sich die gesuchte Lösungsfunktion in einem endlichdimensionalen Unterraum approximieren. Man versucht entweder, die entstehenden Gleichungen in diskreten Knotenpunkten auf dem Rand zur erfüllen (Kollokation), oder durch zusätzliche Integration mit den Basisfunktionen über dem Rand zu lösen (Galerien-Verfahren). Bei der Randelementmethode wird die Dimension des Problems um eins reduziert, was einen wesentlich geringeren Speicherbedarf für die geringere Anzahl der Freiheitsgrade als Unbekannte des zu lösenden Gleichungssystems zur Folge hat. Einerseits sind die Matrizen bei der Boundary Element Methode (BEM) i. allg. voll besetzt, andererseits bietet die Methode bei Außenraumproblemen besondere Vorteile.

Adaptivität

Beim numerischen Lösen von PDEs stellt man häufig fest, dass lokale Singularitäten, die z.B.  aus einspringenden Ecken oder Grenzschichten herrühren, nicht gut genug aufgelöst werden. Dies hat zur Folge, dass die Genauigkeit der numerischen Approximation lokal nicht zufriedenstellend ist. Um dieser Problematik Abhilfe zu schaffen, möchte man nahe der kritischen Gebiete feiner diskretisieren. Dafür müssen diese kritischen Gebiete erkannt werden - dafür kommen sogenannte Verfeinerungsindikatoren zum Einsatz. Möchte man den Fehler bestimmen, verwendet man Fehlerschätzer. Zur absoluten Fehlerkontrolle bei der Finite Elemente Methode müssen alle Konstanten in der a-posteriori Fehleranalyse abgeschätzt werden. Mit Lokalisierungsargumenten kann man dies theoretisch wie numerisch durchführen.

Software in Lehre und Forschung

Kommerzielle FEM- und BEM-Programme können in der Regel zwar eine Vielzahl von Problemen lösen, sind aber sogenannte „black boxes“. Diese gewähren dem Nutzer nur sehr eingeschränkten Einblick in die Vorgehensweise. Modifikationen sind i. Allg. nicht möglich, und der Erwerb für Studierende ist recht teuer. Im Gegensatz dazu habe ich mit Kollegen und Studierenden kleine, aber offene und leicht verständliche Matlab-Werkzeuge erstellt, die jeweils auf eine bestimmte Methode zugeschnitten sind. Die Knappheit und Übersichtlichkeit dieser Programme ermöglicht ein gutes Verständnis, den Einsatz in der Lehre und ein leichtes Anpassen an andere Probleme. Studierenden ist es hiermit möglich, viele der numerische Experimente in unseren Numerik-Vorlesungen nachzurechnen, da die Entwicklungzeit solcher Programme häufig deutlich geringer ist als bei üblichen Programmiersprachen (z.B. Fortran, C, C++).

Kopplung von FEM und BEM

Die beiden wichtigen Verfahren zur Diskretisierung partieller Differentialgleichungen, nämlich Finite Elemente (FEM) und Randelementemethode (BEM), haben komplementäre Eigenschaften. Ihre gewinnbringende Kombination und effiziente Realisierung in Kombination mit hp-Methoden ist eine aktuelle Herausforderung. Exemplarisch sind in den obigen Abbildungen vergleichend Rechnungen für die FEM und FEM-BEM-Kopplung wiedergegeben. Durch „künstliche“ Restriktion von der gesamten Ebene auf ein beschränktes Gebiet ändert sich der Verlauf der Feldlinien deutlich. Es wird somit offensichtlich, daß zur Berücksichtigung eines Außengebiets, die Reduktion auf ein beschränktes Gebiet mit künstlichem Rand nicht genügt und somit die FEM-BEM-Kopplung die Vorteile beider Methoden effizient miteinander verbindet.

Simulation von Strömung

Um komplexe Strömungsvorgänge (z.B. Meeresströmungen, Beschichtungsvorgänge) simulieren zu können, müssen adaptive Verfeinerungsstrategien verwendet werden, die die Struktur des räumlichen Finite Elemente Gitters automatisch an die berechenbare Lösung anpassen. Theoretische Grundlage dazu ist effiziente und zuverlässige a-posteriori Fehleranalysis. Anwendungen finden diese Verfeinerungsstrategien z.B. auch in der Simulation der Nasslackierung mit Außenaufladung, welches mit einer adaptive Multilevel FE-BE Kopplung für das elektrostatische Teilproblem in 3 Raumdimensionen gelöst wurde.

Abschlussarbeiten

Hier finden Sie Themenvorschläge für mögliche Bachelor- und Masterarbeiten. Eine Masterarbeit unterscheidet sich von einer Bachelorarbeit vor allem im Anspruch an die mathematische Fundierung sowie die Eigenleistung. Die Themen werden entsprechend angepasst, zum Teil findet sich in den Themenbeschreibungen schon ein Hinweis darauf.

Es handelt sich bei den folgenden Themen um Anregungen und Ideen zu möglichen Abschlussarbeiten. Sie können auch gerne eigene Ideen eingebringen, wenn Sie einen eigenen Vorschlag für ein interessantes Thema haben. Sprechen Sie uns bitte an! 

Themen möglicher Bachelor- und Masterarbeiten

Voraussetzungen
Numerische Lineare Algebra

Zusammenfassung
Für den Betrieb von Radaranlagen spielt die Umgebung eine entscheidende Rolle. Daher ist es interessant, für das Radar relevante Informationen wie zum Beispiel die Position von Windenergieanlagen oder Straßen zu nutzen. Diese Informationen können entweder selbst vom Radar gelernt werden, oder a-priori aus verfügbaren Kartendaten wie z.B. Open Street Map gelesen werden In diesem Projekt beschäftigen wir uns mit der Kombination von Kartendaten aus Open Street Map und "NASA-STRM" Geländehöhendaten.

Ziel ist es für einen gegebenen Radar-Standort zu berechnen welche Straßen und Windenergieanlagen (WEA) sichtbar sind und daher im Radar zu ungewünschten Detektionen führen können.

Im Detail sollen folgende Aufgaben bearbeitet werden:

  • Beschaffung der Kartendaten aus dem Internet
  • Einlesen und kombinieren von Kartenausschnitten mittels Matlab/Python oder anderer verfügbarer Tools
  • Kombinieren von Informationen aus verschiedenen Kartentypen (OpenStreetMap und Geländehöhendaten)
  • Erstellung einer Karte mit Objekten (Straßen, WEAs, usw.) , die vom Radar gesehen werden

 
Das Thema kann für beliebig erweitert werden, z.B.

  • Berechnung von Abschattungsbereichen
  • Verwendung der Karteninformationen für spezielle Radaralgorithmen


Coderahmen
Matlab/Python und externe Bibliotheken

Literatur
eigene Recherche.

Voraussetzungen
Analysis 1/2, Lineare Algebra 1

Zusammenfassung
Wieso tragen Filme den Titel „Pi“ oder „The Proof“?

Geht es darin ums Beweisen, um mathematische Aktivität, um mathematischen Erkenntnis-erwerb? Im Medium Film findet während des gesamten 20. Jahrhunderts eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Mathematik statt. Dies gilt zum einen für einzelne Theorien und die Auswirkungen mathematischer Erkenntnisse, vor allem aber für die Funktion der Mathematik in der Gesellschaft. In der Arbeit sollen die Fragen im Mittelpunkt stehen, wie anhand der porträtierten Person des Mathematikers ein bestimmtes Bild von Wissenschaft entworfen wird und auf welche konkreten mathematischen und gesellschaftlichen Entwicklungen dabei Bezug genommen wird. Neben Filmen, die Wissenschaftlerbiographien („N is a number“, „A Beautiful Mind“) oder mathematische Ergebnisse („Fermat's Last Tango“, „The Colour of Infinity“) zum Gegenstand haben, sollen besonders Filme behandelt werden, die sich der Mathematik eher im abstrakten Sinne bedienen („Pi“, „The Proof“, „Zorns Lemma“).

Filmmaterial
Das o.g. Filmmaterial liegt in englischsprachiger Form vor. 

Literatur
eigene Recherche

 

Voraussetzungen
Numerische Lineare Algebra, Numerische Analysis

Schwerpunkt
lineare Gleichungslöser, Präkonditionierung

Zusammenfassung
Mikromagnetische Simulationen von Speichermedien leisten einen wichtigen Beitrag zur enormen Steigerung der Speicherkapazität moderner Festplatten. Mikromagnetische Rechnungen erlauben die Simulation der Vorgänge beim Schreiben der Information (Magnetisieren der Speicherschicht) und deren Optimierung. Im Rahmen der Bachelorarbeit soll ein bestehendes numerisches Verfahren zur Berechnung von Mikromagnetismus optmiert werden, hier insbesondere die Optimierung des cg-Verfahrens durch einen geeigneten Präkonditionierer.

Coderahmen
Matlab


Voraussetzungen
Numerik von (elliptischen) partiellen Differentialgleichungen

Schwerpunkt
Numerische Analysis

Zusammenfassung
Numerische Lineare AlgebraMit dem Rellischen Einbettungssatz kann man zeigen, dass eine Konstante C(D) existiert, so dass sich der Fehler zwischen einer Funktion f und ihrem Integralmittel I(f) über dem Gebiet D wie folgt durch eine Poincaré-Ungleichung abschätzen lässt durch C(D) multipliziert mit der Norm des Gradienten von f (falls dieser wohldefiniert ist). Ziel der Bachelorarbeit soll es sein, die Konstante C(D) in der o.g. Poincaré-Ungleichung (oder auch in der Friedrichs-Ungleichung) analytisch/numerisch für einige einfache polygonal berandete Gebiete D zu bestimmen. Diese Konstanten sind von Interesse bei Fehlerabschätzungen in der Finiten Elemente Methode oder Finiten Volumen Methode, welche z.B. zur Simulation von Strömungsprozessen verwendet wird.

Coderahmen
Matlab

Voraussetzungen

Schwerpunkt

Zusammenfassung

Coderahmen

Literatur

Liste ausgewählter Veröffentlichungen:

  • Remarks around 50 lines of Matlab: short finite element implementation:
    J Alberty, C Carstensen, S Funken, Numerical Algorithms 20 (2-3), 117-137, 1999.
  • Constants in Clément-interpolation error and residual based a posteriori estimates in finite element methods:
    C Carstensen, S Funken, East-West J. Numer. Math 8 (3), 153-175, 2000.
  • Accurate and efficient algorithms for frequency domain scattering from a thin wire:
    PJ Davies, DB Duncan, S Funken, Journal of Computational Physics 168 (1), 155-183, 2001.
  • Stabilization methods in relaxed micromagnetism:
    S Funken, A Prohl, Mathematical Modelling and Numerical Analysis 39 (5), 995-1017, 2005.
  • On the Boolean model of Wiener sausages:
    R Cerny, S Funken, E Spodarev, Methodology and Computing in Applied Probability 10 (1), 23-37, 2008.
  • Efficient implementation of adaptive P1-FEM in Matlab:
    S Funken, D Praetorius, P Wissgott, Comput. Methods Appl. Math. 11 (4) 460-490, 2011.
  • An advanced model framework for solid electrolyte intercalation batteries:
    M Landstorfer, S Funken, T Jacob, Physical Chemistry Chemical Physics 13 (28), 12817-12825, 2011.
  • A practical way to resolve ambiguities in wavefront reconstructions by the transport of intensity equation:
    A Parvizi, J Müller, SA Funken, CT Koch, Ultramicroscopy 154, 1-6, 2015.
  • Radar Signal Processing with OpenCL on Integrated Graphic Processors:
    M Bantle, P Bayerl, S Funken, M Thoma, 2018 19th International Radar Symposium (IRS), 1-8, 2018.

 Liste aller Veröffentlichungen:    siehe Google Scholar