Franziska-Kolb-Preis zur Förderung der Leukämieforschung für Dr. Jan Krönke
Vom Contergan-Skandal zum Krebsmedikament: Wirkweise von Thalidomid/Lenalidomid aufgeklärt

Rückenschmerzen, Abgeschlagenheit und eventuell eine Funktionsstörung der Nieren. Die Symptome des Multiplen Myeloms sind zunächst unspezifisch. Dafür ist die Behandlung der seltenen Krebserkrankung, die durch ein herdförmiges Wachstum von Tumorzellen an mehreren Orten des Knochenmarks gekennzeichnet ist, umso schwieriger. Nur in wenigen Fällen gelingt eine Heilung der meist älteren Patienten. Dr. Jan Krönke, Arzt und Wissenschaftler an der Ulmer Universitätsklinik für Innere Medizin III, könnte mit seiner Forschung zu einer besseren und vor allem personalisierten Therapie der Erkrankung beitragen. Dafür hat der 35-Jährige beim Dies academicus den Franziska- Kolb-Preis zur Förderung der Leukämieforschung, dotiert mit 8000 Euro, erhalten. Im Zentrum seiner Forschung stehen die Medikamente Thalidomid und das eng verwandte, noch wirksamere Lenalidomid. Vor über 50 Jahren wurde Thalidomid unter der Bezeichnung „Contergan“ als Schlafmittel verkauft – und löste einen der größten Medizinskandale der Nachkriegsgeschichte aus. Ende der 90-er Jahre ist das Medikament jedoch wiederentdeckt worden: Klinische Studien hatten gezeigt, dass Thalidomid hochwirksam und mit relativ geringen Nebenwirkungen gegen das Multiple Myelom und weitere Lymphome eingesetzt werden kann.

Wie genau Thalidomid und sein Nachfolger Lenalidomid wirken, war bislang unbekannt. Bei einem dreijährigen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Aufenthalt am Brigham and Women’s Hospital/Harvard Medical School hat Jan Krönke zugrundeliegende Mechanismen gemeinsam mit Forscherkollegen aufgeklärt. Nach umfassenden Proteinanalysen und molekularbiologischen Untersuchungen stand fest: Lenalidomid und Thalidomid binden das Protein Cereblon und beeinflussen seine Funktion. Dieses Eiweiß ist wiederum Teil des so genannten Ubiquitin-Proteasom Signalwegs – das ist die „Protein-Müllabfuhr“ der Zelle. Durch den Einfluss von Lenalidomid/Thalidomid werden die Eiweiße „Ikaros“ und „Aiolos“, von denen die Krebszellen des Multiplen Myeloms abhängen, gezielt entsorgt. Dies führt zu einem Wachstumsstop der Tumorherde, der Zustand der Patienten bessert sich. „Wahrscheinlich ist der nun entdeckte Mechanismus auch für die Wirksamkeit der Medikamente bei einigen Patienten mit Chronisch Lymphatischer Leukämie oder Lymphomerkrankungen verantwortlich“, so Dr. Krönke. Auf dem Weg zur personalisierten Krebstherapie sucht der Mediziner in seiner kürzlich bewilligten Emmy Noether-Nachwuchsgruppe nach genetischen Markern in Tumorzellen, die ein Ansprechen auf eine Lenalidomid/Thalidomid-Erkrankung vorhersagen können. Krönkes Erkenntnisse könnten zudem bei der Entwicklung zukünftiger Krebsmedikamente helfen.

Dr. Jan Krönke (Mitte) erhält den Franziska-Kolb-Preis zur Förderung der Leukämieforschung. Mit ihm freuen sich Präsindent Prof. Karl Joachim Ebeling (li.) und Prof. Hartmut Döhner (re.)