Pionier mit Bodenhaftung

Universität Ulm

Nach fast 25 Jahren Engagement in Lehre und Forschung an der Universität Ulm wurde Opens internal link in current windowProf. Dr. Peter Dadam in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Seit der Gründung im Jahr 1990 bis im September 2014 war er der Direktor des Opens internal link in current windowInstituts für Datenbanken und Informationssysteme und damit auch einer jener Professoren, die ab 1990 halfen die junge Opens internal link in current windowFakultät für Ingenieurwissenschaften und Informatik aufzubauen. Zum Abschluss seiner wissenschaftlichen Laufbahn blickte Prof. Dadam noch einmal zurück und gab Opens external link in new windowAndrea Weber-Tuckermann (Opens external link in new windowuni ulm intern) ein Interview, das in der Novemberausgabe des Uni-Magazins erscheinen wird. Im Folgenden finden Sie den Artikel exklusiv als Vorabversion.

„Das war ein riesiger Kasten mit vielen blinkenden Lämpchen“, erinnert sich Professor Peter Dadam an die IBM 360/30 Rechneranlage in der Esslinger Firma Hirschmann. Ende der 60er Jahre machte er dort im Betrieb eine Lehre als Industriekaufmann und lernte dabei die EDV-Abteilung kennen. Der damals 17-Jährige war völlig fasziniert von dieser neuen Technologie.

„Ich fand die ganze EDV-Technologie faszinierend und es war spannend zu sehen, wie sich dadurch die einzelnen Tätigkeiten und Betriebsabläufe veränderten. Es stand für mich deshalb sehr rasch fest, dass ich beruflich etwas mit Elektronischer Datenverarbeitung machen wollte“, reflektiert der heute 65-Jährige. Nach Abschluss seiner Lehre entschied er sich daher für ein BWL-Studium an der Fachhochschule Nürtingen. Doch die Vertiefungsrichtung EDV-Organisation, derer wegen Dadam sich für ein Studium entschieden hatte, wurde mangels Nachfrage gestrichen. So sattelte der IT-begeisterte junge Mann noch ein Wirtschaftsingenieur-Studium mit den Schwerpunkten Informatik und angewandter Mathematik an der Universität Karlsruhe oben drauf.

„Nach dem Uni-Studium wurde mir eine Doktorandenstelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter angeboten und so bin ich meinem Doktorvater erst nach Dortmund und dann an die Fernuniversität Hagen gefolgt, wo ich 1982 im Fachgebiet Informatik über verteilte Datenbanken promoviert habe“, erläutert Dadam. Als dann IBM auf der Suche nach Datenbank-Experten für ihr Wissenschaftliches Zentrum Heidelberg (WZH) bei seinem Doktorvater anklopfte, nutzte er die Gelegenheit für den Absprung in die Industrie. „Die Arbeit am WZH war genau das, was ich damals wollte. Es ging um die Entwicklung neuartiger Datenbank-Technologien für anspruchsvolle neue Anwendungen. „Hierbei betraten wir technologisch teilweise völliges Neuland“, so Dadam.

Von IBM an die Uni Ulm

Als besonderen Glücksfall erwies sich der US-amerikanische Chef seiner Abteilung, der für drei Jahre von IBM Research in San José (Kalifornien) nach Heidelberg gekommen war und das Forschungsteam zielstrebig an die internationale Spitzenforschung in diesem Bereich heranführte. „Wir haben uns mit den Besten der Besten im Bereich der Datenbankforschung gemessen. Das war eine sehr spannende Zeit“, erinnert sich der Schwabe. Doch acht Jahre später – nach diversen Umstrukturierungen bei IBM – war Peter Dadam, mittlerweile Chef eines 20-köpfigen Teams, zunehmend mit Projektplanung und Akquise betraut und wollte wieder mehr inhaltlich arbeiten. So folgte er schließlich dem Ruf an die Universität Ulm, wo er 1990 als ordentlicher Professor und Leiter des Instituts für Datenbanken und Informationssysteme (DBIS) einer der ersten vier Informatik-Professoren der jungen Fakultät wurde. Neben all den organisatorischen Aufbauarbeiten für den neu eingerichteten Fachbereich fand er dort auch neue wissenschaftliche Herausforderungen. „Ich hatte große Lust, selbst wieder intensiv zu forschen und zudem noch die Freiheit, meine Forschungsfelder selbst zu bestimmen“, freute sich der damals frisch berufene Ordinarius.

Gelegenheit dazu bot sich bereits im ersten Jahr an der Uni Ulm, als Kollegen aus der Medizinischen Fakultät den neu berufenen Informatik-Professor um Hilfe baten. Die klinischen Informationssysteme waren Anfang der 90er nicht nur äußerst vielgestaltig, sondern zum Teil auch inkompatibel. Im Zuge eines interdisziplinären Schwerpunktprogrammes des Landes (1992) galt es nun, die medizinischen Datenbanken besser aufeinander abzustimmen. Ursprünglich sollten systemübergreifende Dienste für die logische Integration dieser „Informationsinseln“ erarbeitet werden. Recht bald stellte sich jedoch heraus, dass eine direkte, systemseitige Unterstützung der Arbeitsabläufe im diagnostischen, therapeutischen und administrativen Bereich sehr viel wertvoller wäre. Welche Anforderungen müsste solch eine Technologie erfüllen? Die zu dieser Zeit existierenden Workflow-Management-Systeme waren komplett überfordert. Völlig neue Lösungsansätze und Forschungskonzepte mussten her. „Das war genau die wissenschaftliche Arbeit, die ich gesucht habe! Und diese Erfahrungen waren sehr prägend für meine weitere Forschung“, ist der Informatiker überzeugt.

Gemeinsam mit den Doktoranden und Diplomanden am Institut entwickelte Dadam schließlich die technologischen Grundlagen für eine neue Generation von Prozess-Management-Systemen. Um die Realisierung neuer Abläufe zu beschleunigen sowie die Fehleranfälligkeit zu reduzieren, haben die Entwickler umfassende Korrektheitsprüfungen direkt in den Systemkern integriert. Ein völliges Novum war die Fähigkeit zu umfassenden Ad-hoc-Abweichungen vom vorgeplanten Prozess zur Laufzeit. Diese Entwicklung hat das System nicht nur flexibler gemacht, sondern auch völlig neue Anwendungsmöglichkeiten für diese Technologie erschlossen. Bis heute gilt das Prozess-Management-System – aus dem mit AristaFlow schließlich ein institutseigenes Spin-Off hervorging – als eines der weltweit mächtigsten dieser Art. „Das Institut DBIS ist heute eine der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet“, versichert der Ulmer Informatiker. Einer seiner damaligen Doktoranden war Manfred Reichert – mit ihm publizierte er 1998 einen Aufsatz, der bis heute zu den meistzitierten Veröffentlichungen auf diesem Gebiet zählt. Reichert selbst kam 2008 als Professor wieder zurück an die Uni Ulm und hat nach Dadams Pensionierung die Leitung des Instituts DBIS übernommen.

Peter Dadam kann sich heute also zurücklehnen in der beruhigenden Gewissheit, dass sein wissenschaftliches Erbe erfolgreich fortgeführt werden wird. „Man behauptet ja, dass es bereits ein Leben vor dem Tode geben soll“, lacht der sportliche Pensionär. Er freut sich, nun mehr Zeit für Tennis, Ski- und Radfahren sowie andere Dinge zu haben. Außerdem hat er sich ein Wohnmobil angeschafft und möchte damit noch ein bisschen die Welt bereisen. Als „Altrocker“, wie er sich selbstironisch bezeichnet, wird man ihn sicherlich auch auf dem einen oder anderen Rockkonzert in der Region antreffen. Es gibt also auch ein Leben nach der Uni.