Bergahorne für mehr Nachhaltigkeit
Baumpflanzaktion an der Uni Ulm
Mit einer Baumpflanzaktion haben rund fünfzig Uni-Angehörige Mitte März an der Uni Ulm ein Zeichen für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit gesetzt. Gemeinsam haben Studierende, Beschäftigte sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger in einem Waldstück insgesamt fünfzig Bergahorne gepflanzt. Unterstützt wurde die Aktion von der Universität sowie von Vermögen und Bau, Amt Ulm.
Initiiert wurde die Baumpflanzaktion von Studierenden zusammen mit den „Scientists for Future Ulm“: „Klimaschutz wird durch den Aufruf zum Verzicht und viele Beschränkungen oft sehr negativ wahrgenommen. Mit dieser Aktion wollten wir ein positives Zeichen setzen und zeigen, dass jeder selbst aktiv werden kann. Wir sehen, dass es an der Universität die Bereitschaft gibt, etwas zu verändern und freuen uns über den Zuspruch“, so Medizinstudent Leon Schild, der Ideengeber der Baumpflanzaktion.
Mit wissenschaftlichen Vorträgen zu den Herausforderungen des Klimawandels sowie zur Bedeutung des Waldes für das Klima wurden die Teilnehmenden auf die Baumpflanzaktion eingestimmt. Professor Michael Kühl rief als Vertreter der „Scientists for Future“ dazu auf, sich selbst über den Klimawandel zu informieren und Personen, die menschengemachte Klima-Veränderungen leugnen, entschieden entgegenzutreten. Der Leiter des Instituts für Systematische Botanik und Ökologie sowie des Botanischen Gartens, Professor Marian Kazda, erläuterte hingegen die Funktion des Waldes als Kohlendioxidspeicher und Sauerstofflieferant.
Nach dem Vortragsprogramm schritten die Aktivisten mit Spaten und Gießkanne zur Tat. Zusammen haben sie mit den Bergahorn-Setzlingen ein durch Käferbefall und Windbruch gelichtetes Waldstück hinter der Universitätsverwaltung an der Helmholtzstraße aufgeforstet. Gespendet wurden die Bäumchen von Vermögen und Bau, Amt Ulm, das auch das Pflanzareal auf dem Oberen Eselsberg ausgewählt hatte. Die ausgesuchten Bergahorne sind bestens an die sich verändernden Klimaverhältnisse angepasst. Für alle Setzlinge konnten „Baumpaten“ gefunden werden, die sich neben einem finanziellen Engagement auch beim Einpflanzen beteiligten. Insgesamt konnten Spenden in Höhe von 620 Euro gesammelt werden. Die Initiatorinnen und Initiatoren planen nach dem Auftakt noch weitere Aktionen für mehr Nachhaltigkeit an der Universität und wollen Insektenhotels oder Nistmöglichkeiten schaffen.
Sobald es die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie wieder zulassen, sollen die Baumpatenschaften an den einzelnen Pflänzlingen kenntlich gemacht werden. Kinder aus der Universitäts-Kindertagesstätte haben dazu kleine Tontöpfe mit den Namen der Paten bemalt.
Bildergalerie Baumpflanzaktion
Als „Übersetzer“ den Klimawandel begreifbar machen
PD Dr. Susanne und Prof. Michael Kühl sind Scientists für Future
Vor der Coronakrise prägten die Demonstrationen der Protestbewegung „Fridays for Future“ allwöchentlich das Stadtbild. Als den Jugendlichen von Seiten der Politik mangelnde Sachkenntnis vorgeworfen wurde, stellten sich ihnen die „Scientists for Future“ zur Seite. An der Universität Ulm sind Professor Michael Kühl und PD Dr. Susanne Kühl die Gesichter dieser Bewegung: Die Naturwissenschaftler sehen sich als Übersetzer zwischen Klimaforschenden und „Normalbevölkerung“.
Eigentlich dürften PD Dr. Susanne Kühl und Professor Michael Kühl mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit am Institut für Biochemie und Molekulare Biologie und dem Familienleben mit zwei Kindern mehr als ausgelastet sein. Dennoch widmen sie einen großen Teil ihrer vermutlich knappen Freizeit der Bewegung „Scientists for Future“ (S4F). Vor der Coronakrise haben die Kühls durchschnittlich pro Woche einen allgemeinverständlichen Vortrag rund um die Themen Klimawandel und Umweltschutz gehalten. Darüber hinaus betreiben sie den Blog www.klimaandmore.de, auf dem sie umweltrelevante Themen einordnen und Aufrufe zur Flächenbegrünung („Mein Beitrag zur Artenvielfalt“) oder gegen Plastikmüll starten. Im März hat das Forscherpaar für Scientists for Future aktiv an der Uni-Baumpflanzaktion teilgenommen.
Auslöser dieses Engagements war der Hitzesommer 2018. „Schon vorher waren uns Umweltschutz und Nachhaltigkeit wichtig. Doch erst angesichts des spürbar gewordenen Klimawandels haben wir uns tiefer in die Thematik eingearbeitet. Dabei mussten wir feststellen, dass es selbst uns als Naturwissenschaftlern teils schwer fiel, die oft widersprüchlichen Informationen im Internet und in sonstigen Medien einzuordnen“, erinnert sich Michael Kühl. Wie sollten sich erst Menschen ohne wissenschaftlichen Hintergrund eine fundierte Meinung bilden? Das Forscherpaar beschloss also, evidenzbasierte Erkenntnisse rund um den Klimawandel verständlich aufzubereiten und einzuordnen. Damit erreichten sie zunächst interessierte Verwandte, dann kamen immer mehr Vorträge im Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWIW), in Schulen, Gemeinden oder Unternehmen hinzu. „Als Lehrende an der Universität haben wir Erfahrung damit, komplexe Sachverhalte aufzubereiten. Somit können wir mit unseren Vorträgen und Blogbeiträgen eine Lücke schließen und als wissenschaftlich ausgebildete Ansprechpersonen zur Verfügung stehen“, erklärt Susanne Kühl. Sollten der Biochemiker und die Biologin doch einmal nicht weiterwissen, haben sie immer die Möglichkeit, auf das Netzwerk der Anfang 2019 gegründeten Scientists for Future zurückzugreifen. Weiterhin engagiert sich das Forscherpaar beim Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (unw) und bei der Impulsgruppe Nachhaltigkeit in ihrem Heimatort Blaustein.
Mit der Fähre nach Finnland
Durch die verstärkte Beschäftigung mit Klima- und Umweltthemen haben sich Berufs- wie Privatleben von Susanne und Michael Kühl gewandelt. War es für die habilitierten Naturwissenschaftler früher selbstverständlich, für Konferenzen und Begutachtungen um die Welt zu fliegen, reisen sie heute innerhalb Europas mit klimafreundlicheren Verkehrsmitteln. Gemäß der S4F-Aktion „unter 1000 mach ich’s nicht“ ist Michael Kühl mit Bus, Bahn und Fähre zu einer Begutachtung nach Finnland gefahren. „Das war keine verlorene Zeit. Auf der Fähre konnte ich wunderbar arbeiten“, beschreibt der Biochemiker, der die Reise für einen Blogbeitrag dokumentiert hat. Ihre entwicklungsbiologische Forschung hat das Paar übrigens ebenfalls um Umweltaspekte erweitert: Gemeinsam mit der Neurobiologin Dr. Sarah Pfeffer untersuchen sie den Einfluss von Pestiziden auf die Embryonalentwicklung des südafrikanischen Krallenfroschs.
Im Privaten hat die vierköpfige Familie Kühl zunächst ihren ökologischen Fußabdruck berechnet. Zwar lag das Ergebnis unter dem Durchschnitt – trotzdem gab es noch viel Verbesserungspotenzial. Sie beschlossen also, das Auto wann immer möglich stehen zu lassen, ihren Fleischkonsum einzuschränken und auf Ökostrom umzustellen. Zukünftige Urlaubsreisen sollen selbstverständlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad angetreten werden. Trotz dieser Veränderungen sei es heutzutage sehr schwierig, klimaneutral zu leben, erklärt Susanne Kühl, und bringt Kompensationsmaßnahmen wie die Baumpflanzaktion an der Universität ins Spiel. Nun mögen einige sagen, so ein paar frisch gepflanzte Bäume seien ein Tropfen auf den heißen Stein, „aber viele Tropfen füllen eben auch den Eimer“, werfen die Kühls ein. Aus der Multiplikatorenwirkung und dem Gemeinschaftsgefühl solcher Aktionen könne Weiteres entstehen.
Die Scientists for Future sind Anfang 2019 als Reaktion auf die Kritik an der Jugendbewegung um Greta Thunberg „Fridays for Future“ gegründet worden. Inzwischen haben sich Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen zusammengefunden – die Expertise reicht vom Klimawandel über den Artenschutz, die Ökonomie bis hin zur Soziologie. Im deutschsprachigen Raum haben sich Regionalgruppen gebildet, die untereinander im Austausch stehen. Professor Michael Kühl, Leiter des Instituts für Biochemie und Molekulare Biologie, ist Sprecher der etwa 15-köpfigen Ulmer Regionalgruppe. Regelmäßig verfassen die Forschenden Stellungnahmen zu
Themen wie Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz. Außerdem werden die Mitglieder für Vorträge, Diskussionen oder Interviews angefragt. Die Schwerpunkte des Ulmer Vortragsangebots liegen auf dem Klimawandel, der Bedeutung des Waldes und des Trockenstresses, auf der nachhaltigen Mobilität und Unternehmensführung sowie der Plastikvermeidung.
Umweltschutz heißt nicht gleich Verzicht
Bei ihren Vorträgen erfahren die Kühls viel Zuspruch. Doch hin und wieder erhalten sie über ihren Blog auch kritische E-Mails – von Klimawandel-Leugnern oder von „Leuten, die befürchten, dass wir ihnen etwas wegnehmen wollen“. Dabei gehe es gar nicht darum, an allen Stellen zu verzichten. Jeder solle den eigenen ökologischen Fußabdruck berechnen und überlegen, was er oder sie im Rahmen der eigenen finanziellen Möglichkeiten verändern kann. Kann ich mir auch nachhaltig produzierte Kleidung kaufen? Muss es jedes Jahr ein neues rohstoffintensives Handy sein? Und reicht es nicht vielleicht aus, nur jeden zweiten Sommer eine Fernreise zu buchen?
Ein gewisses Verständnis bringen die Kühls zum Beispiel Kritikern aus der Automobilindustrie entgegen: Vielleicht haben diese Menschen ihr ganzes Berufsleben dem Verbrennungsmotor gewidmet – und nun steht diese Lebensleistung infrage. „Nach einer Vortrags-Einladung bei einem Automobilzulieferer waren wir allerdings überrascht, wie positiv unser Anliegen aufgenommen wurde. Wir wussten aber auch, dass wir uns auf einem schmalen Grat bewegen“, so das Forscherpaar.
Die Corona-Pandemie hat den öffentlichen Auftritten der Kühls zunächst ein Ende gesetzt. Virtuelle Vorträge möchten sie zunächst nicht anbieten – zu wichtig ist ihnen der persönliche Kontakt zum Publikum. So stehen die nächsten Vorträge wohl erst im Sommer oder gar im Herbst wieder an. Zudem investieren sie gerade viel Zeit in die Vorbereitung von Online-Lehrveranstaltungen für das digitale Sommersemester. Susanne Kühl, die 2019 mit dem Lehrpreis der Universität Ulm ausgezeichnet wurde, will weiterhin Klima- und Umweltfragen in medizinische oder naturwissenschaftliche Veranstaltungen einbetten: Über Artenschutz und Erderwärmung lässt sich sogar ein Bogen zum neuartigen Coronavirus schlagen. „Eigentlich wollen wir mit den Scientists for Future nur erreichen, dass nachfolgende Generationen und auch unsere Kinder eine gute Zukunft vor sich haben“, bringen die Kühls ihr Engagement auf den Punkt.
Maßnahmen zum nachhaltigen Wirtschaften und Energiesparen
Texte: Annika Bingmann, Daniela Stang
Fotos: Elvira Eberhardt, pixabay, Juta234 Creative Commons, privat
Video: Daniela Stang
Grafik: kiz Medien