Vom »KI-KiStLe« bis zum Bingo im Hörsaal
Innovative Lehre an der Uni Ulm
Hochschullehre ist innovativ, wenn sie mit kreativen didaktischen Ansätzen die Lernergebnisse der Studierenden verbessert. Dies können neue Methoden, moderne Technik oder aktuelle Trends sein. An der Uni Ulm sind Lehrende und Dozierende in ihren Vorlesungen und Übungen überaus erfinderisch und einfallsreich, wie drei Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen zeigen.
Prof. Krill und »Die Kugel des Todes«
Professor Carl Krill hält gerade die Vorlesung »Grundlagen der Elektrotechnik II«. Mitten in seinen Erklärungen hält er inne und tritt neben das Pult an eine kleine Apparatur. »Wer kann mir erklären, warum wir die Strecke auf der y-Achse messen müssen?«, fragt er in den Hörsaal und drückt einen großen roten Knopf. Die Star-Wars-Fanfare ertönt, LED-Lichter flackern und die Apparatur setzt sich in Bewegung. Es ist eine Bingo-Trommel, die nach einigen Sekunden mit lautem Klackern eine Kugel mit einer Nummer ausspuckt.
»Die Kugel des Todes« nennen die Studierenden sie – eher scherzhaft, als angsterfüllt. Was auch am offenen Wesen des gebürtigen US-Amerikaners liegen könnte, der die Apparatur bedient. Der Studierende, dem die Nummer auf der Kugel zugeordnet ist, bekommt dann die Frage gestellt. »Kann er oder sie diese beantworten, vermerke ich es in meiner Liste. Sind am Ende des Semesters einige Pluspunkte zusammengekommen, gibt es einen Notenbonus in der Prüfung«, erklärt Professor Krill das Prozedere, wobei er »beantworten« sehr großzügig auslegt. »Die Studierenden sollen mitdenken und sich trauen, vor allen anderen etwas zu sagen«, erklärt Krill. »Auf die Idee hat mich ein koreanischer Kollege gebracht, nachdem ich ihm erzählt habe, dass die Studierenden in der Vorlesung sehr passiv sind und sich nicht melden oder Fragen stellen.« Nach einigem Überlegen kam der Ingenieur schließlich auf die Idee mit der Bingo-Maschine, die sich für seine Vorlesung mit bis zu 50 Zuhörenden gut eignet.
Studierende in höheren Semestern haben die Maschine inzwischen regelrecht »getunt« und Licht- und Soundeffekte hinzugefügt. »Es ist zwar nur eine kleine Spielerei, aber sie verändert für mich viel, einfach die ganze Atmosphäre im Hörsaal ist anders. Die Studierenden sind aufmerksam und machen gerne mit«, so Professor Krill. »Und auch ich muss mit meinen Erklärungen pausieren, um eine Kugel zu starten. So bin auch ich aufmerksamer und bekomme von meinen Zuhörenden mehr mit.«
Das KI-KIStLe, ein etwas anderer Werkzeugkoffer
Kurz und knapp »KI-KIStLe« nennen Dr. Andreas Obermeier und Dr. Maximilian Förster vom Institut für Business Analytics ihre Handreichung für Hochschullehrende oder ausgeschrieben »Einsatz von KI zur Steigerung des Lernerfolgs«. Im Rahmen eines von der Uni geförderten Lehrinkubators haben die beiden Wirtschaftswissenschaftler die Möglichkeiten für einen didaktisch sinnvollen Einsatz von KI-Tools in ihren Unterrichtseinheiten ausgelotet und daraus rund ein Dutzend Methodenkarten entwickelt.
»Wir haben beispielsweise die Methode >Muddiest Point< fit für KI gemacht«, erklärt Andreas Obermeier. Beim >Muddiest Point< (dt. schlammigster oder unklarster Punkt) benennen die Studierenden am Ende einer Unterrichtsstunde den Aspekt, den sie am wenigsten verstanden haben. Dieser >Muddiest Point< wird dann an eine KI-Software wie ChatGPT übergeben, die die nicht verstandenen Inhalte erklären soll. Die Lehrenden und die anderen Studierende überprüfen die generierten Antworten kritisch. »So werden die Studierenden gleichermaßen zu Prüfenden, die sich mit der Antwort auseinandersetzen müssen; das trainiert den Umgang mit KI. Gleichzeitig kann die Anonymität von ChatGPT Studierenden helfen, die ihre Verständnisschwierigkeiten nicht vor allen äußern wollen«, fügt Maximilian Förster hinzu.
Die beiden Nachwuchsforschenden konnten ihr KI-KIStLe bereits über die Uni Ulm hinaus verbreiten. Das Hochschuldidaktik-Zentrum Baden-Württemberg, das junge Lehrende coacht, hat eine Unterrichtsreihe mit den beiden Ulmer Post-Docs aufgelegt. Das Arbeitsmaterial ist abrufbar unter: https://t1p.de/ki-kistle.
Studierende helfen Azubis, nachhaltiger zu leben
Ebenfalls aus der Förderung durch einen Lehrinkubator ist das Projekt »EcoScouts« des Instituts für Nachhaltige Unternehmensführung erwachsen. Institutsleiter Professor Martin Müller hat zusammen mit seiner Mitarbeiterin Julia Bruckner eine Lehrveranstaltung aufgesetzt, in der Masterstudierende verschiedene Trainings-Einheiten zu Nachhaltigkeit erarbeiten und diese anschließend an Auszubildende weitergeben. »Die Studierenden werden so selbst zu Lehrenden und müssen die Inhalte zu den Themen Energie, Mobilität, Ernährung und Konsum anschaulich und spannend gestalten«, erklärt Professor Müller die Aufgabenstellung des Projekts. Vermittelt werden die Auszubildenden der Ulmer Friedrich-List-Schule über eine Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ulm. Die Studierenden belegen einen einsemestrigen Projektkurs, der benotet wird. »Die Bewertungen der Studierenden waren durchweg positiv«, so Julia Bruckner, die das Projekt betreut. »Über zehn Azubi-Projekte sind innerhalb des Kurstages entstanden und wir haben diese bei einer Abschlusspräsentation in der IHK vorgestellt.«
Text: Daniela Stang
Fotos: Daniela Stang, Institut für Nachhaltige Unternehmensführung