Die Haut als Spiegel der Alterung
SFB untersucht Querverbindungen zu Organen und Immunsystem
Die Haut ist mit bis zu zwei Quadratmetern Fläche das größte Einzelorgan des Menschen. Sie prägt unser äußeres Erscheinungsbild. Kein Wunder also, dass für Cremes und Anti Aging-Produkte ein kleines Vermögen ausgegeben wird. Dabei sind Falten nur die offensichtlichste Folge der Hautalterung: Tatsächlich bestehen zahlreiche Querverbindungen zum Zustand von Gefäßen, Knochen oder etwa der Leber. Diese Schnittstellen der Hautalterung werden im neuen Sonderforschungsbereich »Aging at Interfaces« untersucht.
Falten, Furchen, Tränensäcke: Die Auswirkungen des Alterns werden an der Haut besonders sichtbar. Allerdings ist die Hautalterung mehr als nur ein kosmetisches Problem. Im späteren Leben wird das größte Organ des Menschen verletzlicher, die Haut heilt schlechter und häufig ist die Barrierefunktion gestört. Deshalb leiden ältere Menschen vermehrt an einer verlangsamten Wundheilung, Entzündungen oder verschiedenen Formen von Hautkrebs. "Vor allem aber ist die Hautalterung auch die Alterung des Bindegewebes. Und bis auf das Gehirn haben alle Organe des menschlichen Körpers Bindegewebs-Anteile", erklärt Professorin Karin Scharffetter-Kochanek, Ärztliche Direktorin der Uniklinik für Dermatologie und Allergologie. Im neuen Sonderforschungsbereich (SFB) ergründet sie mit einem interdisziplinären Konsortium die molekularen und zellulären Schnittstellen der Hautalterung – im Zentrum stehen Verbindungen zu Organen und zum Immunsystem. Solche Wechselwirkungen rücken immer mehr in den Fokus der Alternsforschung. Die stellvertretende SFB-Sprecherin Karin Scharffetter-Kochanek verweist sogar auf Studien, in denen vom Zustand der Gesichtshaut auf kardiovaskuläre Erkrankungen geschlossen wurde.
Doch wie zieht die Haut den Körper mit sich in die Alterungs-Spirale? Ein wichtiger Treiber scheinen entzündliche Faktoren zu sein, die im Bindegewebe entstehen und dessen Abbau vermitteln. Diese Proteine mit dem sperrigen Namen "Seneszenz-assoziierter sekretorischer Phänotyp" (SASP) schicken umgebende Zellen aufs "Altenteil" und breiten sich im Körper aus. In jüngeren Jahren können solche seneszenten Zellen noch vom Immunsystem "abgeräumt" werden, doch im Alter streikt diese körpereigene "Müllabfuhr". Bei Seniorinnen und Senioren spiegelt sich dieser Vorgang in erhöhten Entzündungswerten wider, die mit Arterienverkalkung, Herzinfarkt, Hornhauttrübung oder Osteoporose assoziiert sind. In einem SFB-Teilprojekt wollen die Dermatologin Karin Scharffetter-Kochanek und die Neurophysiologie-Professorin Birgit Liss sogar untersuchen, ob der im älteren Bindegewebe entstandene SASP-Faktor Interleukin-6 die Hirnalterung und den Parkinson-Verlauf beeinflusst. Alleine diese Beispiele zeigen: Der Alterungsprozess des Körpers ist stark in sich verstrickt.
Wer vor allem sein frisches Aussehen bewahren möchte, sollte aber weder auf die Alternsforschung warten, noch ein Vermögen in die Drogerie tragen
Auf der anderen Seite bieten solche Schnittstellen der Alterung neuartige therapeutische Ansatzpunkte, deren Auswirkungen weit über die Haut hinausreichen können. Im Mausmodell ist es bereits gelungen, die Zellalterungs-Spirale zu stoppen, indem ein bestimmter Transkriptionsfaktor (JunB) deaktiviert wurde. Im Ergebnis war die Haut der Nager deutlich verjüngt.
Ursächlich war unter anderem eine deutliche Vermehrung verschiedener Stammzellen der Haut. Ähnliche Effekte lassen sich wohl mit der Verjüngung blutbildender Stammzellen und der folgenden Auffrischung des Immunsystems erreichen. Ob und inwiefern sich solche stammzellbasierte Therapien auf den Menschen übertragen lassen, wird im neuen Sonderforschungsbereich untersucht. Ein Ansatz aus der Ulmer Uniklinik für Dermatologie und Allergologie hilft schon heute auch älteren Traumapatientinnen und -patienten: Mit mesenchymalen Stammzellen kann deren Wund- und Knochenheilung verbessert werden.
Wer vor allem sein frisches Aussehen bewahren möchte, sollte aber weder auf die Alternsforschung warten, noch ein Vermögen in die Drogerie tragen. Denn auch in diesem Fall ist Vorbeugung die beste Medizin: "Viele Hautschäden entstehen in jüngeren Jahren durch das Sonnenbaden. Gebräunte Haut mag gut aussehen, aber wir Alternsforschende denken bei diesem Anblick sofort an seneszente Zellen. Deren Wechselwirkung mit Organen und dem gesamten Körper wollen wir unter anderem im neuen Sonderforschungsbereich verstehen", resümiert Professorin Scharffetter-Kochanek.
Text: Annika Bingmann
Fotos: Heiko Grandel, Adobe Stock
Mikroskopische Aufnahmen: Dr. Meinhard Wlaschek