50 Jahre Chemie an der Uni Ulm

Jubiläum mit Nobelpreisträger, Filmpremiere und Preisen

Ein halbes Jahrhundert Chemie in Ulm! Dieses Jubiläum hat der Fachbereich Ende Juli mit einem Festakt gefeiert. Unter den Gratulanten war sogar ein Nobelpreisträger. Bei der Jubiläumsfeier blickten die Chemikerinnen und Chemiker auf 50 Jahre voller Experimente, Simulationen und Campusleben zurück. Die Doktorandin Kerstin Köble, deren Eltern bereits Chemie an der Uni Ulm studiert haben, hatte im Familienalbum und Uni-Bildarchiv gestöbert. In ihrem Vortrag präsentierte sie Aufnahmen vom Chemiker-Fasching aus den 1980-er Jahren, vom Großbrand im Chemielabor (1999) oder vom Supercomputer JUSTUS. Der bislang größte Erfolg des Fachbereiches war die Bewilligung des deutschlandweit einzigen Batterie-Exzellenzclusters. Einblicke ins aktuelle Studierendenleben gab der Informationsfilme »Alles ist Chemie«, der beim Festakt Premiere feierte.

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Höhepunkt des Nachmittags war zweifelsohne der englischsprachige Vortrag von Professor Jean-Marie Lehn »Steps towards life: Chemistry«. Im Jahr 1987 war der gebürtige Elsässer mit dem Nobelpreis für seine wegweisenden Arbeiten im Bereich supramolekulare Chemie ausgezeichnet worden. Seine Forschung zur lichtgetriebenen Wasserstoffbildung mittels molekularer Photokatalysatoren schuf zudem wichtige Grundlagen für den Transregio-Sonderforschungsbereich (SFB) CataLight der Universitäten Ulm und Jena. Vor dem Festakt hatte Professor Lehn das neue Gasanalysegerät »NinGasAnalyser« der SFB-Forschenden in Augenschein genommen.

Professor Lehns Festvortrag erwies sich als Reise durch die Geschichte der Chemie – angefangen beim Urknall und der Entstehung erster Moleküle bis zum Aufkommen der molekularen Chemie im 19. Jahrhundert. Als einen Meilenstein nannte Lehn die Totalsynthese von Vitamin B12, an der er selbst beteiligt war. Um 1978 entwickelte sich hingegen die supramolekulare Chemie, die Interaktionen zwischen Molekülen betrachtet. Zuletzt ermutigte der Nobelpreisträger alle Nachwuchsforschenden: »Science shapes the future of humanity. Participate!« (Wissenschaft gestaltet die Zukunft der Menschheit – mach mit!)

Dozent im Hörsaal
Nobelpreisträger Prof. Jean-Marie Lehn

Der Fachbereich Chemie nutzte den Festakt, um coronabedingt abgesagte Ehrungen nachzuholen. Vergeben wurden insgesamt 25 Auszeichnungen – darunter Preise von der Studienkommission Chemie für hervorragende Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen aus drei Jahrgängen. Dazu kamen die Ehrungen der Dr. Barbara Mez-Starck-Stiftung für die jahrgangsbesten Master-Absolventinnen und -Absolventen, dotiert mit bis zu 1000 Euro. Außerdem erhielt Chemiestudent Luca Pallini das prestigeträchtige August-Wilhelm-von-Hofmann-Stipendium der Gesellschaft Deutscher Chemiker.

Beim anschließenden Sektempfang stießen Fachbereichsmitglieder und Gäste auf die Zukunft der Ulmer Chemie an.

Preisträgerinnen und Preisträger, Laudatoren und Vortragende beim Festakt zum Chemie-Jubiläum
Jubiläumslogo 50 Jahre Chemie Universität Ulm

Familie Köble – Chemie bestimmt ihr Leben

Zwei Generationen studieren an der Uni Ulm

Tausende Studierende haben in den vergangenen 50 Jahren an der Uni Ulm Chemie studiert. Drei davon sind Dr. Roland Köble, Ute Köble und Tochter Kerstin Köble. Die Familienmitglieder haben eine besondere Verbindung zur Uni Ulm: Denn sie alle haben hier ihr Chemiestudium abgeschlossen und sind der Naturwissenschaft zum Teil ein Berufsleben lang in der Ulmer Wissenschaftsstadt treu geblieben. Die Alumni können aus erster Hand über die Veränderungen im Chemiesstudium in den 1980-er und den 2010-er Jahren berichten.

Im Winter 1980 muss es gewesen sein, daran erinnert sich Ute Köble noch ganz genau. Damals wurde die junge Studentin in ihrem ersten Semester an der Universität Ulm im Chemielabor von einem Kommilitonen aus der Box nebenan mit Wasser bespritzt – angeblich ein reines Versehen. »Er wollte halt auf sich aufmerksam machen«, schmunzelt Ute Köble und ihr Mann Roland nickt bestätigend. Und es hat geklappt: Seit 1982 sind er und Ute, geborene Günther, ein Paar.

Dass seine Begeisterung für Chemie einmal sogar sein Privatleben bereichern würde, hätte der junge Saulgauer Roland Köble nicht gedacht, als er sich nach dem Abschluss des Aufbaugymnasiums Anfang der 1980-er Jahre für ein Chemiestudium an der damals jungen Uni Ulm entschied: »Mein älterer Bruder hatte mir einen Chemiebaukasten geschenkt und ein Lehrer am Gymnasium meine Begeisterung für Naturwissenschaften weiter angefacht. So war ich mir sicher: Ich will Chemie studieren. Für Ulm sprach, dass es hier damals den einzigen Lehrstuhl für Analytische Chemie in ganz Deutschland gab«, so Roland Köble. Auch seine Frau Ute, die in Senden aufgewachsen ist, hatte sich bereits in der Schule für Naturwissenschaften interessiert, und sich schließlich an der nahen Uni eingeschrieben.

Südeingang in Schwarzweiß, Bus fährt durchs Bild, Menschengruppe läuft Richtung Uni
Universität Süd 1980
» Für Ulm sprach, dass es hier den einzigen Lehrstuhl für Analytische Chemie in ganz Deutschland gab«

Die 1980er-Jahre waren in der Analytischen Chemie eine spannende Zeit. »Wir untersuchten die verschiedensten Rückstände – beispielsweise aus einer Müllverbrennungsanlage oder Klärschlamm«, erinnern sich die Eltern Köble. Bei Professor Karlheinz Ballschmiter, dem damaligen Leiter des Instituts für Analytische Chemie und Umweltchemie, wurde zu organischen Schadstoffen wie polychlorierten Biphenylen, Dioxinen oder Pestiziden und deren weltweiter Verbreitung geforscht. Für das junge Paar ein sinnstiftendes Feld: »Unsere Untersuchungen trugen dazu bei, die Reinigungsleistung von Müllverbrennungsanlagen zu optimieren, Belastungen in Kläranlagen zu ermitteln oder den Einsatz von Chlorbleiche in einer Papierfabrik zu senken.«

Nach dem Diplom 1986 arbeiteten beide weiter an der Universität – Ute Köble als Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Professor Ballschmiter, ihr Mann als Doktorand. 1989 schließlich folgten Heirat und die Familienplanung. Schweren Herzens verließ Ute Köble die Universität und kümmerte sich um die beiden Töchter Tanja und Kerstin, die 1990 und 1996 die Familie komplettierten. »Damals waren die Betreuungsmöglichkeiten noch nicht so vielfältig wie heute. Ich hätte die Kinder neben der Arbeit im Labor kaum gesehen. Das wollte ich nicht«, erzählt Ute Köble.

Roland Köble promovierte zu Beginn der 1990-er Jahre und arbeitete anschließend als Laborleiter im Institut für Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät. »Ich habe Lehre gehalten, Betriebsärzte mit ausgebildet und war für die ordnungsgemäße Entsorgung zuständig«, schildert Dr. Roland Köble. Seit 18 Jahren ist er am Universitätsklinikum Ulm im Arbeitsschutz tätig. Außerdem ist der Chemiker in Personalunion als Strahlenschutzbevollmächtigter sowie als Gefahrgut- und Gefahrstoffbeauftragter für das Klinikum zuständig.

Die zweite Generation tritt an

Dass Tochter Kerstin einmal in die elterlichen Fußstapfen treten und auch Chemie in Ulm studieren würde, diese Entscheidung überraschte Roland und Ute Köble anfangs. »Wir waren aber sicher, dass sie das Studium packen würde«, so die stolzen Eltern. Inzwischen arbeitet die Jüngste in der Gruppe von Dr. Roswitha Zeis am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) an ihrer Doktorarbeit zur Energiespeicherung mittels Redox-Flow-Batterien. Auch Kerstin Köble ist stolz, die »Familientradition« in der Ulmer Wissenschaftsstadt weiterzuführen. Anlässlich des 50. Chemie-Jubiläums an der Universität diesen Sommer konnten die Köbles zusammen im Familienalbum blättern und für die Präsentation der Tochter zahlreiche Anekdoten beisteuern. »Ich habe einen Vortrag über die Entwicklung des Fachbereichs gehalten. Was war da einfacher als meine Eltern zu fragen, die vor rund 40 Jahren an der Uni waren? Sie haben dann gleich Fotos vom Chemikerfasching 1983 beigesteuert und viel über das Studium und die Arbeit an der Uni erzählt«, freut sich Kerstin Köble, die sich als Regionalsprecherin beim JungChemikerForum Ulm ehrenamtlich engagiert.

Frau mit Blumenstrauß in der Hand neben ihr ein Mann mit Mikrofon
Kerstin Köble nach ihrem Vortrag zu 50 Jahren Chemie an der Uni Ulm

Und was denken die Köbles anlässlich des Jubiläums über die Entwicklung der Universität und der Chemie? »Wir hatten früher eindeutig mehr Praxis«, finden die Köbles. Maximal ein Drittel sei Theorie gewesen und die jungen Studierenden hätten lange Tage im Labor verbracht. Andererseits hätten die Studentinnen und Studenten aber auch länger für das Studium gebraucht, weil sie erst nach den Praktika auf die Abschlussprüfung gelernt hätten, in der immerhin der Stoff des ganzen Studiums abgefragt werden konnte. »Das ist heute anders: Durch das Credit-Point-System haben wir ständig Prüfungen und können unseren Wissensstand testen«, so Kerstin Köble, die 2014 das Studium begonnen hat. Auch dass es durch Vorkurse wie das Trainingscamp »Fit in Chemie« einen »sanften« Einstieg ins Studierendenleben gibt, findet Mutter Köble gut. »Die Freundinnen und Freunde, die Kerstin dort gefunden hat, begleiten sie noch heute«, so Ute Köble, die nach der Familienauszeit heute als Sprachförderkraft in der Grundschule Senden-Ay tätig ist und dort Schulungen für neue Kolleginnen wie Kollegen abhält.

Noch hat Dr. Roland Köble eineinhalb Jahre bis zum Ruhestand. Dann wird er fast 44 Jahre lang das Wachstum der Universität und der gesamten Wissenschaftsstadt begleitet haben. »Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte ist beeindruckend: Zu meinen Studienzeiten lag die Uni Ulm abseits im Wald und war mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht zu erreichen. Inzwischen ist hier eines der weltweit führenden Batterieforschungszentren beheimatet, das die Energiewende mitgestaltet und jungen Forscherinnen und Forschern, wie meiner Tochter, eine Heimat bietet«, sagt der promovierte Chemiker. Er freut sich schon auf mehr Familienzeit mit seiner Frau. Die beiden Töchter sind so gut wie aus dem Haus. Die Ältere steht als Lehrerin fest im Berufsleben und auch die jüngere Kerstin wird im Zukunftsfeld »nachhaltige Energiespeicherung« ihren Weg machen – sei es in Ulm oder woanders.

Ehepaar vor Eingang Süd
Dr. Ulrich Köble mit Ute Köble

Text: Daniela Stang

Fotos: Uni-Archiv, Elvira Eberhardt, privat