Machtmissbrauch im Hörsaal

Theater Ulm spielt »Oleanna« an der Uni Ulm

»Sie wissen doch: Die Vorlesung beginnt c.t.! Schön, dass Sie es endlich auch geschafft haben«, begrüßt Dozent John gleich zu Beginn das Publikum und seine Studentin Carol. Der Ton ist gesetzt – John hat im Hörsaal das Sagen, und zwar wortwörtlich: Im Hörsaal 2 der Uni Ulm spielte das Stück »Oleanna« des US-amerikanischen Autors David Mamet.

Ein Machtspiel in authentischer Kulisse: Das Theater Ulm hat zu Beginn der Spielzeit 2025/26 an der Universität das Zwei-Personen-Stück »Oleanna« über Klassismus, Macht und Missbrauch inszeniert. In ihren Rollen als allzu selbstverliebter Universitätsprofessor und unsichere Studentin glänzten Emma Lotta Wegner und Markus Hottgenroth. Die Inszenierung von Tjana Thiessenhusen setzte die ungewöhnliche Spielstätte mithilfe der Ausstattung von Katja Pech authentisch in Szene.

Studentin Carol (Emma Lotta Wegner) fühlt sich an der Universität fehl am Platz. Sie kann dem wissenschaftlichen Jargon und den Seminarinhalten nicht folgen und sucht deshalb Hilfe bei ihrem Dozenten John (Markus Hottgenroth). In ihren Gesprächen verschwimmen die Grenzen zwischen Lehrer und Schülerin. Er bietet ihr Nachhilfe an und legt ihr die Hand auf die Schulter. Carol fühlt sich von dem älteren, überlegenen Mann bedrängt und belästigt. Im zweiten Akt beschäftigt Carol die Situation mit John weiter; auch zuhause dreht sich das Gedankenkarussell und ihr Unterbewusstsein verschärft das Geschehene in einer Traumsequenz. Zum Schluss hat sich das Blatt gewendet: Carol hat John der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs bezichtigt. Sie übernimmt die Regie im Hörsaal und stellt John in einer Art Fernsehshow mit bohrenden Fragen anklagend zur Rede. Die Zukunft des Dozenten hängt am seidenen Faden.

Studentin Carol (Emma Lotta Wegner) und Dozent John (Markus Hottgenroth).
Das Thema ist aktuell und wir sind froh, dass das Theater Ulm damit an der Uni präsent ist

 

Das Bild hat sich gewandelt und Studentin Carol will Johns Karriere und Ruf beschädigen

Das 1992 entstandene Stück hat auch in Zeiten der MeToo-Debatte nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Es geht um Macht und Missbrauch im hierarchisch geprägten Universitätsbetrieb. Wo liegen die Grenzen zwischen Anmaßung und Übergriff? Ein Thema, dem sich auch die Uni Ulm stellt. Machtmissbrauch treibt die Wissenschaftslandschaft um. Wir bauen Strukturen mit Ansprechpersonen auf, die einen sicheren Raum bieten sollen. Das Thema ist aktuell und wir sind froh, dass das Theater Ulm damit an der Uni präsent ist,« so Präsident Professor Michael Weber bei einer kleinen Feier im Anschluss an die Premiere. Intendant Kay Metzger war begeistert, die lange angedachte Kooperation zwischen Uni und Theater in seiner letzten Spielzeit verwirklichen zu können: »Nun hat es endlich geklappt, was mich sehr freut. Mit unserem Angebot hier vor Ort wollen wir auch andere Menschen erreichen, als wir es typischerweise im Theater tun.« Speziell für Studierende der Uni Ulm gibt es seit einigen Jahren das Angebot der »Theaterflatrate«, mit dem sie Theaterkarten kostenfrei erhalten können. Hintergrund ist eine Zusammenarbeit mit der Studierendenvertretung der Universität.

Dass »Oleanna«, wie vom Autor beabsichtigt, die Meinungen des Publikums spaltet, ist auch am Premierenabend an der Uni Ulm zu spüren. »Ich kann die Situation gar nicht nachvollziehen. Vielleicht ist die junge Frau einfach nicht richtig an der Uni«, fand Albrecht Jakob. »Wir haben damals gar nicht so nachgedacht, wenn der Professor einen Frauenwitz gemacht hat«, erzählte Juliane Körner, die sich an ihre eigene Studienzeit erinnerte. Von der Atmosphäre im Hörsaal waren alle Zuschauenden begeistert. »Es ist gut, dass das Stück an der Universität gezeigt wird. Das ist sehr authentisch, auf den Hörsaalplätzen zu sitzen«, so Premierengast Monika Waiblinger.

Text: Daniela Stang
Illustration: Michael Hahn
Fotos: Marc Lontzek