Der Virologe Prof. Dr. Frank Kirchhoff (Bild re.) vom Institut für Virologie und der Gastroenterologe Prof. Dr. Karl Lenhard Rudolph (Bild li.) vom Institut für Molekulare Medizin und Max-Planck-Forschungsgruppe für Stammzellalterung erhalten zwei der elf diesjährigen Leibniz-Preise. Die mit jeweils 2,5 Millionen Euro dotierten Auszeichnungen werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vergeben und gelten als die angesehenste Auszeichung für Forscherinnen und Forscher in Deutschland. Professor Kirchhoff erhält den Preis für seine Forschungen zur Immunschwäche Aids, Professor Rudolph für seine Forschungen zu Zellalterung.
Eine große Auszeichnung für Ulm
"Das ist ein großer Moment für die Universität Ulm", freute sich Universitätspräsident Karl Joachim Ebeling und dankte den beiden Forschern für ihre großartige Arbeit. Die Preise seien auch die Früchte einer Schwerpunktbildung im Bereich der Lebenswissenschaften und einer konsequent darauf ausgerichteten Berufungspolitik, so Ebeling. "Zwei Leibnizpreise für eine Universität im Bereich der Lebenswissenschaften, das ist ein Quantensprung", betonte der Dekan der Medizinischen Fakultät und Ärztliche Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Prof. Dr. Klaus-Michael Debatin. Die Ulmer Besonderheit der engen Zusammenarbeit von Fakultät und Klinikum schaffe die Voraussetzung für gute Forschungsergebnisse, ist sich Debatin sicher. "Beide Forschungsgebiete beschäftigen sich mit für unsere Gesellschaft bedeutsamen Krankheitsbildern", erklärte Prof. Dr. Guido Adler, Vizepräsident der Universität für die Forschung und Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I. Im Zusammenspiel von Grundlagen- und klinischer Forschung werde durch wegweisende Entdeckungen in der Folge auch der Weg auch für neue Therapien geebnet.
Neugier und Mut
"Die Leibniz-Preisträgerinnen und -Preisträger sind Kundschafter der Wissenschaft", so DFG-Präsident Professor Matthias Kleiner nach der Entscheidung des Hauptausschusses. "Sie denken voraus und gehen voraus, sie wollen erfahren, was sich hinter dem Horizont des Wissens verbirgt, und haben den Mut, unbekanntes Terrain zu betreten." Der Leibnizpreis wird seit 1986 jährlich vergeben, die offizielle Preisverleihung findet am 30. März 2009 in Berlin statt. "Es ist, als ob ein Forschertraum wahr wird", sagte der Ulmer Preisträger Professor Kirchhoff und dankte dem Leiter des Instituts für Virologie, Prof. Dr. Thomas Mertens, und seiner eigenen Arbeitsgruppe für die Unterstützung seiner Arbeit. "Die Ulmer Universität hat mir meine Forschungen ermöglicht - eine entscheidende Voraussetzung für gute Ergebnisse", so Kirchhoff.
Prof. Dr. Frank Kirchhoff
Virologie, Institut für Virologie der Universität Ulm
Mit Frank Kirchhoff erhält einer der weltweit führenden AIDS-Forscher den Leibniz-Preis. Der Virologe hat in den letzten zwei Jahrzehnten entscheidend dazu beigetragen, dass die Entstehung von AIDS und insbesondere die Evolution des HI-Virus immer besser verstanden wird. Kirchhoff konzentrierte seine Forschungen höchst erfolgreich auf eine der wichtigsten Proteinkomponenten des HI-Virus, das Nef-Protein, das vielfältige und ganz unterschiedliche Wirkungen hat: Beim Primaten verringert es die Pathogenese der HI-Viren, beim Menschen geht sein immunmodulierender Effekt dagegen verloren, sodass sich das Virus stark vermehren kann und hochpathogen ist.
Weitere bedeutende Entdeckungen Kirchhoffs gelten einem Peptid im menschlichen Blut, das aus 20 Aminosäureresten besteht und die Virusvermehrung blockiert, sowie einem Protein in der Samenflüssigkeit, das mit seinen Fasern HI-Viren einfängt, in Zellen eindringen lässt und damit die Infektionsrate erhöht. Diese Befunde können die hohen Raten der sexuellen Übertragung bei AIDS miterklären und gleichzeitig neue Ansätze zur Vermeidung der Übertragung aufzeigen. Mit diesen Arbeiten hat Kirchhoff der deutschen AIDS-Forschung international zu hohem Ansehen verholfen.
Frank Kirchhoff studierte Biologie in Göttingen und promovierte am Deutschen Primatenzentrum über einen neuen HI-Virus-2-Klon. Als Postdoktorand an der renommierten Harvard Medical School in Boston/Massachusetts befasste er sich erstmals mit dem Nef-Protein des HI-Virus, der auch im Fokus seiner Arbeiten blieb, als Kirchhoff 1994 nach Deutschland zurückkehrte. Hier arbeitete er zunächst als Assistent, Privatdozent und Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg, bevor er 2001 einem Ruf nach Ulm folgte.
Prof. Dr. Karl Lenhard Rudolph
Gastroenterologie, Institut für Molekulare Medizin und Max-Planck-Forschungsgruppe für Stammzellalterung der Universität Ulm
Karl Lenhard Rudolphs Arbeiten gelten den Telomeren, jenen DNA-Motiven, die sich an den linearen Chromosomenenden befinden und bei jeder Zellteilung um einen Bruchteil kürzer werden. Diesen Prozess der Telomerverkürzung und seine Auswirkungen hat Rudolph in zahlreichen wegweisenden Arbeiten erforscht, wobei er sich besonders für das Enzym Telomerase interessierte, das die Verkürzung der Telomere einschränkt und damit häufigere Zellteilungen ermöglicht. Anhand von Mausmodellen und -mutanten konnte Rudolph unter anderem zeigen, dass die Telomerverkürzung letztlich zu einer Verkürzung der Lebenszeit führt und dass beispielsweise die Entstehung der Leberzirrhose von der Telomerase-Aktivität abhängt. Von besonderer Bedeutung ist Rudolphs Erkenntnis, dass die Telomerverkürzung eine zweifache, entgegengesetzte Rolle bei der Entstehung von Krebs spielt: Einerseits führt sie zur Tumorunterdrückung, andererseits geht sie häufig mit spontaner Krebsbildung einher. Nicht zuletzt wies Rudolph nach, dass die Telomerverkürzung auch die Funktion und Lebensdauer von Stammzellen bestimmt. All diese Arbeiten haben neben ihrer fundamentalen Bedeutung für die Grundlagenforschung auch ein hohes therapeutisches Potenzial.
Nach dem Medizinstudium in Göttingen und der Arzt-im-Praktikum-Zeit in Hannover war Karl Lenhard Rudolph zunächst als Postdoktorand am Albert Einstein College in New York und am Dana Farber Center in Boston tätig, wo er sich erstmals mit den Telomeren befasste. Ab 2001 konnte er im Rahmen des Emmy Noether-Programms der DFG seine eigene Arbeitsgruppe an der Medizinischen Hochschule Hannover aufbauen, 2006 erhielt er eine der ersten Heisenberg-Professuren der DFG. Im Jahr darauf wechselte er als Lehrstuhlinhaber und Max-Planck-Forschungsgruppenleiter an die Universität Ulm.
Quellen: Pressekonferenz der Universität Ulm, Pressemitteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft