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Ulmer Forschungsnetzwerk startet
Ziel ist weltweit einzigartiges Hochleistungsmikroskop

Universität Ulm

Ein überaus ehrgeiziges Projekt wird demnächst an der Universität Ulm anlaufen: Die Entwicklung eines hochauflösenden Niederspannungs-Transmissionselektronenmikroskops, geeignet, die einzelnen Atome selbst in Strukturen exzellent abzubilden, die durch den Elektronenstrahl in Geräten der herkömmlichen Mittelspannungstechnologie zerstört werden.

„Weltweit einzigartig“ wäre dies im Erfolgsfall, sagt Professorin Ute Kaiser, die das momentan auf fünf Jahre angelegte 11,5 Millionen Euro-Projekt leiten wird. Finanziell maßgeblich gefördert wird das Vorhaben von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 4,2 Millionen Euro, vom Land Baden-Württemberg (2,4 Millionen) und von der Firma Zeiss in Oberkochen mit 3,7 Millionen, eine Stiftungsprofessur auf fünf Jahre inklusive. Dort fördert Ulms Universitätspräsident Professor Karl Joachim Ebeling zufolge Vorstandschef Dr. Dieter Kurz, Honorarprofessor der Uni Ulm, das Projekt.

„Die Zusage der DFG war der Durchbruch“, freut sich Kaiser, die mit ihrem Team für die Idee vehement und vielfältig unterstützt gekämpft hat – von der Universitätsleitung, den wissenschaftlichen Partnern, auch von interessierten Materialwissenschaftlern aus England und den USA, unter anderem der Universitäten von Oxford, Nottingham und Cornell. „Insofern wäre das schon ein Grund zum Feiern“, überlegt die gebürtige Berlinerin, die an der seinerzeit noch Ostberliner Humboldt-Universität studiert, später in Jena gearbeitet hat, mit längeren Aufenthalten in Cambridge und an der Tohuko University Sendai in Japan.

Und fraglos wäre an einem normalen Tag auch gefeiert worden. Aber es war kein normaler Tag. Die frohe Botschaft aus Bonn erreichte sie, allerdings erst einige Stunden später, am Tag, als zwei Leibniz-Preise eine Art Ausnahmezustand an der Ulmer Uni auslösten, ohnehin verwöhnt mit Erfolgsmeldungen in diesen Wochen.

Gleichwohl weiß man das Ereignis sehr wohl zu würdigen. „Nach den jüngsten Erfolgen vor allem für die Medizin, Informatik und Ingenieurwissenschaften bestätigt die Förderung durch DFG und Land jetzt einen weiteren Forschungsschwerpunkt unserer Entwicklungsplanung“, kommentiert Uni-Präsident Professor Ebeling die entscheidende Zusage. Sie stärke zum einen die sicher für beide Seiten sehr wichtige Zusammenarbeit mit Zeiss, zum anderen ganz wesentlich den Auf- und Ausbau des zentralen Themas „Funktionale hochauflösende Bildgebung“, ist Ebeling überzeugt. Die Erforschung von Verfahren also, um Moleküle und ihre Strukturen abzubilden oder molekulare Prozesse zu verfolgen und damit zur Entschlüsselung von chemischen Umwandlungen beitragen zu können, in Zellen aber auch in technischen Systemen.

„Vieles geht in Richtung Nanotechnologie“, erklärt Professorin Kaiser, weiß auch um den Bedarf an ihrer Technologie im eigenen Hause. Beim Sonderforschungsbereich (SFB) 569 zum Beispiel. „Manche Arbeiten erreichen hier mit dem 80-300 Kilovolt-Mikroskop ihre Grenzen.“ Deshalb sei eine Spannung unter 80 KV das Ziel, ohne Verluste bei der Auflösung versteht sich. Notwendig dafür ist die Korrektur von so genannten Öffnungs- und Farbfehlern. Darauf spezialisiert ist ein weiterer Projektpartner, die von Professor Max Haider geleitete CEOS GmbH in Heidelberg. Das ob seiner ausgereiften Korrektoren weltweit geschätzte mittelständische Unternehmen wird Ute Kaiser zufolge in Kürze den ersten Öffnungs- und Farbfehlerkorrektor auf den Markt bringen, jedoch für ein Mittelspannungsgerät.

Eine Niederspannungsvariante mit vollständig neuem Konzept ist nun das Ziel des in Ulm angesiedelten Projekts mit der schönen Bezeichnung „SALVE“. Für die Leiterin durchaus mit Assoziationen zur deutschen Bedeutung des lateinischen Willkommensgrußes, „heute noch auf dem Türschild von Goethes Gartenhaus“.

Tatsächlich aber ist das überaus willkommene SALVE nur die Abkürzung der englisch formulierten Projektbeschreibung, nämlich sub-angstroem low voltage transmission electron microscopy. Deren ungeachtet sieht die Ulmer Wissenschaftlerin das Vorhaben durchaus als Fortsetzung der ur-deutschen Tradition in der Mikroskopie samt Elektronenmikroskopie, verknüpft mit Namen wie Ernst Abbe, Carl Zeiss und Ernst Ruska, 1986 für seinen Beitrag zu dieser Entwicklung mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Nicht zu vergessen Professor Harald Rose, früher an der TU Darmstadt tätiger Pionier bei Bildkorrektoren , den Kaiser als Berater und Mitstreiter für das Projekt gewinnen konnte. Er habe mit einer Publikation aus dem Jahre 1990 die noch lange danach von führenden Wissenschaftlern vertretene Meinung widerlegt, jene Fehlerkorrektoren seien technisch nicht möglich – Basis für die von Professor Haider später realisierten Korrektoren.

Mithin keine Frage: Ulm, Oberkochen, Heidelberg bilden zwar das Kraftdreieck des Projekts, beteiligt sein werden aber auch Wissenschaftler aus Karlsruhe, Stuttgart und Freiburg. „Wir wollen SALVE in Baden-Württemberg vernetzen“, macht Professorin Ute Kaiser deutlich. Ein wichtiger Part obliege ferner zwei Kollegen in Ulm: Die Professoren Ferdinand Scholz (Institut für Optoelektronik) und Carl Krill (Institut für Mikro- und Nanomaterialien) übernehmen mit ihr zusammen die Entwicklung der notwendigen neuen Verfahren zur Probenpräparation.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Ute Kaiser, Materialwissenschaftliche Elektronenmikroskopie, Tel. 0731/50-22950