Südwestpresse online vom 06.07.2013

 

Orffs "Carmina Burana" aus 200 Kehlen

Zehn Stunden Busfahrt, ein kurzer Abstecher in die Mensa der Universität von Pisa und danach noch eine erste Probe. Das war ein ganz schön langer Montag für die Sänger und Sängerinnen des Ulmer Unichors und dessen Leiter Albrecht Haupt.

Autor: SWP |


Zehn Stunden Busfahrt, ein kurzer Abstecher in die Mensa der Universität von Pisa und danach noch eine erste Probe. Das war ein ganz schön langer Montag für die Sänger und Sängerinnen des Ulmer Unichors und dessen Leiter Albrecht Haupt. Doch als die Ulmer zwei Tage später beim Start der Certosa-Sommerfestspiele in Calci bei Pisa auf der Open-Air-Bühne standen und zusammen mit dem Universitätschor Pisa aus 200 Kehlen Carl Orffs "Carmina Burana" sangen, waren die Strapazen des ersten Tags vergessen. "Ich war ja bei dem Konzert, das mein Kollege Stefano Barandoni leitete, nur Publikum. Aber das klang so einheitlich, so homogen, als sänge da nur ein Chor", sagt Universitätsmusikdirektor Haupt.

Dabei waren dem Konzert nur drei Proben vorangegangen, und die äußeren Verhältnisse in Calci ungewohnt. "Der Chor stand auf einer großen Freitreppe. Beim Singen konnten wir in die grüne Landschaft blicken", erzählt Altistin Viktoria Rücker. Der Nachteil: Ein Chor klingt im Freien ohne reflektierende Wände ganz anders. "Ich habe eigentlich nur mich und meine unmittelbaren Nachbarinnen gehört." "Bei der Probe vor dem Konzert schauten wir auch direkt in die untergehende Sonne", erzählt Tenor Uwe Friedel. Sonne? "Ja, in Pisa hatten wir 30 Grad", erzählt Viktoria Rücker. Aber nicht nur die Temperaturen, auch der Empfang in Pisa war warm, die Ulmer bekamen von der Uni-Leitung als Zeichen der Wertschätzung eine Erinnerungsmedaille überreicht. Der herzliche und hochrangig besetzte Empfang lässt Haupt auch darauf hoffen, dass die Kontakte zwischen Ulm und Pisa weiter gepflegt werden. Die Initiative dafür war übrigens von Pisa ausgegangen. Die Italiener meldeten sich vor anderthalb Jahren bei Bass Dirk Gabriel, der sich beim Unichor ums Organisatorische kümmert. "Keine leichte Aufgabe, die Belange von 200 Sängern unter einen Hut zu bekommen", sagt er. Hat er aber.

Info Orffs "Carmina Burana" singen der Universitätschöre aus Ulm und Pisa morgen, Sonntag, 19 Uhr, in der Pauluskirche. Die Gesangssolisten sind Katarzyna Jagiello (Sopran), Alexander Yudenkov (Tenor) und Michael Roman (Bariton).

Unichöre Pisa und Ulm in der Certosa von Calci, Pisa, Juli 2013, Foto: Dirk Gabriel

 

Südwest-Presse online vom 09.07.2013

"O Fortuna" mit vereinten Kräften

Die Chöre der Universitäten von Ulm und Pisa brachten unter Leitung von Albrecht Haupt die "Carmina burana" in der restlos ausverkauften Pauluskirche zur Aufführung. Eine großartige Interpretation.

Autor: MARINA STAIGER |

 

Die "Carmina burana", Carl Orffs Erfolgsstück mit dem berühmten "O Fortuna", ist in der Fassung für Chor, zwei Klaviere, Solisten und Schlagwerk ein Publikumsmagnet. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Pauluskirche am Sonntagabend zu Recht zum Bersten voll war. Universitätsdirektor Albrecht Haupt präsentierte mit mehr als 200 Sängerinnen und Sängern eine äußerst präzise geführte, rhythmisch punktgenaue, dynamisch sehr differenzierte und herrlich filigrane Aufführung dieses Werks aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Mit der Auswahl der Solisten - Katarzyna Jagiello (Sopran), Alexander Yudenkov (Tenor) und Michael Roman (Bariton) - hatte Haupt eine glückliche Hand bewiesen. Katarzyna Jagiello bezauberte mit ihrer auch in der Höhe glasklaren Sopranstimme. Sehr bewusst setzte die Solistin Ausdrucksmöglichkeiten wie das Vibrato ein und gestaltete minutiös bis in den kleinen Melodieverlauf hinein ihre Partien. Bewegung in die Aufführung brachte die humoreske Ballade vom sterbenden Schwan, dessen tragisches Ende Alexander Yudenkov mit herrlicher Mimik clownesk besang. Der Bariton Michael Roman gestaltete seine Arien galant, mit hoher Expressivität und weichem Timbre in der geschmeidigen Stimme. Mit feinem Gespür für das Wesentliche ersetzten Conrad Schütze und Hannes Kalbrecht an zwei Flügeln gleichsam die Orchesterbegleitung.

Zupackend und großzügig agierend, trugen die beiden Pianisten den klanggewaltigen Chor und bildeten - trotz häufiger Taktwechsel in den einzelnen Liedern - eine stimmige, zuverlässige Brücke zum Percussion-Ensemble, das im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun hatte. Pauken, Schellenring, Triangel, Becken: Carl Orff reizt in der "Carmina burana" die vielfältigen Klangschattierungen des Schlagwerks wie kaum ein anderer Komponist vor ihm aus. Rhythmisch treffsicher lieferten die Studenten aus Trossingen einen nuancenreichen Klangteppich, kräftig die Pauke bedienend, dann filigran den silbernen Klang der Triangel in den Kirchenraum stellend.

Die Vielfalt an Akteuren - den herrlich frisch singenden Kinderchor des Kepler-Gymnasiums (Einstudierung: Janine Jacob), die Percussionisten, die Solisten und die beiden klanggewaltigen, sehr homogen wirkenden Uni-Chöre aus Ulm und Pisa hielt Albrecht Haupt mit seiner großen Erfahrung und seinem äußerst präzisen Dirigat kraftvoll zusammen.

Was für ein Glück, dass diese "Carmina burana" nicht nur in Pisa zur Aufführung kam, sondern auch dem Ulmer Publikum gegönnt wurde. Großer Beifall für eine großartige universitäre Gemeinschaftsleistung.

 


 

Augsburger Zeitung / Neu-Ulmer Zeitung, online vom 10.07.2013

 

Tempogeladen und betörend

Unichöre Ulm und Pisa stemmen Orffs Carmina Burana

von Roland Mayer http://www.augsburger-allgemeine.de/autoren/Mayer-id2211.html

Ulm Auch in der konzertanten Kammermusikfassung wurde Carl Orffs „Carmina Burana“ in einer von Albrecht Haupt dirigierten Gemeinschaftsaufführung der Universitätschöre Ulm und Pisa in der Pauluskirche zu einem gewaltigen Klangereignis.

Noch wenige Minuten vor Beginn des ausverkauften Konzerts standen viele Menschen vor dem Kirchenportal. Das metrische Zeitgefüge dieser deutsch-italienischen Koproduktion, mit der vor einer Woche bereits die Certosa-Sommerfestspiele auf der Freilichtbühne in Calci eröffnet wurden, war ein anderes: Der hochbetagte Universitätsmusikdirektor Albrecht Haupt lenkte seine über 200 Mitwirkenden straff, zielsicher und tempogeladen durch alle glutvollen, schon mal antik inspirierten Teile dieser 1937 an der Frankfurter Oper uraufgeführten szenischen Kantate. Haupt wählte dafür Orffs zweite Fassung für zwei Klaviere (Conrad Schütze und Johannes Kalbrecht) und fünf Schlagzeuger aus dem Percussions-Ensemble der Musikhochschule Trossingen. Die reduzierte Version für Solisten, gemischten Chor, Kinderchor, zwei Klaviere und Schlagzeug ist 1956 von Orffs Schüler Wilhelm Killmayer arrangiert und vom 1982 gestorbenen Orff noch persönlich autorisiert worden.

Zur Komposition seines Erfolgsstücks ließ sich Orff bekanntlich von der profunden Urtümlichkeit einer volkslyrischen Handschriften- und Liedersammlung aus dem Kloster Benediktbeuren inspirieren. Im zündenden Klangbogen archaisierender Harmonik und schlichter Kraft der Melodien glückten Haupt und seinen Mitwirkenden, zu denen auch der Kinderchor des KeplerGymnasiums zählte, im rustikalen Textbogen von Frühlingserwachen, Glück und Liebe eine mitreißende Aufführung. Bei den Gesangssolisten beeindruckte Bariton Michael Roman auch mit Falsettstimme. Sopranistin Katarzyna Jagiello glänzte mit betörender Stimmführung. Nach eineinhalb Stunden gab es Standing Ovations.

Carmina Burana

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