News

Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik
Professor Lutz Claes: Top-Bilanz zum Ruhestand

Universität Ulm

Professor Lutz Claes, Direktor des Instituts für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik, fraglos einer der profiliertesten Wissenschafter der Universität Ulm, wird im März 65 und in den Ruhestand wechseln. Allerdings: Für den leidenschaftlichen Forscher wird es wohl eher ein fließender Übergang. „Ich werde schon noch ein bisschen hier sein“, schmunzelt der sportliche Mittsechziger. Neben verschiedenen Ämtern werden ihn vier noch laufende Forschungsprojekte und fünf von ihm betreute Doktoranden über das markante Datum hinaus beschäftigen. Aber als Ordinarius verlängern habe er nicht wollen, macht Claes gleichzeitig deutlich: „Es ist der richtige Zeitpunkt, die Leitung des Instituts in jüngere Hände zu legen.“

Ungleich wichtiger dabei als dessen 20-jähriges Bestehen sind für den Noch-Chef zwei andere Aspekte: Mit der designierten Leiterin Professorin Anita Ignatius („Sie wird ganz sicher für Kontinuität sorgen“) weiß er die Nachfolge absolut in seinem Sinne geregelt und er wird ihr ein rundum wohl bestelltes Haus hinterlassen. Das wird auch bei dem hochkarätig besetzten internationalen Symposium am 21. März deutlich werden, „Jubiläum und eine Art Statuskonferenz gleichermaßen“ (Claes), eine angemessene Plattform für den Führungswechsel natürlich ebenso. Schon vorab sicher: Professor Lutz Claes, der 1978 in der Unfallchirurgischen Klinik von Professor Caius Burri mit dem Aufbau eines zehn Jahres später zur Sektion ausgebauten Forschungslabors begonnen und mit ihr ebenfalls 1988 den Neubau am Ende der Helmholtzstraße bezogen hatte, wird bei dieser Gelegenheit eine überaus eindrucksvolle Bilanz vorlegen können. Allein einige Zahlen sprechen für sich: Die Entwicklung von einst zehn auf derzeit 42 Mitarbeiter, die eingeworbenen Drittmittel erhöht von rund 0,25 auf zwei Millionen Euro, 92 betreute medizinische Doktorarbeiten, 23 Mitarbeiter zum Doktor der Humanbiologie promoviert , fünf für das Fach Experimentelle Chirurgie habilitiert, viele von ihnen heute in führenden Positionen in Universitäten, wissenschaftlichen Gesellschaften und der Industrie tätig. Und nicht zuletzt 1922 Publikationen als Resultat der Forschungsarbeiten, davon 380 von Lutz Claes allein, Inhaber mehrerer Patente und verantwortlich für einige wichtige Innovationen.

Den Polypin zum Beispiel, einen resorbierbaren Stift zur Verbindung gebrochener Knochen, „meine mit Abstand wichtigste Entwicklung“. Mehr als 10 000 Patienten ersparte die Neuerung Claes zufolge einen zweiten operativen Eingriff, dazu dem Gesundheitssystem erhebliche Kosten. Künftig verstärkt an Bedeutung gewinnen („bekanntlich gibt es immer mehr ältere Menschen“) dürfte aus seiner Sicht eine weitere seiner Erfindungen, die zementierbare Schraube nämlich zur Verstärkung schwacher Wirbelsäulenknochen bei Osteoporose.

Wobei ein spezieller Aspekt nicht außen vor bleiben darf: „Die klinisch relevante Biomechanik ist ja eine relativ junge Wissenschaft“, erklärt Professor Claes, „richtig losgegangen ist es erst in den 70er-Jahren“. Erste Ansätze jedoch habe es schon zehn bis zwanzig Jahre zuvor gegeben, diese indes noch eher orthopädisch geprägt. „Inzwischen entwickelt sich die Biomechanik sehr dynamisch“, sagt der Wissenschaftler. Und, über alle statistischen Kennzahlen hinaus, nicht aus akademischem Selbstzweck. „Das gemeinsame übergeordnete Ziel unserer Arbeit ist eine verbesserte Behandlung von Patienten mit Verletzungen oder Erkrankungen des Bewegungsapparats.“ Lösungen dazu nähern sich die Forschergruppen des Instituts selbstverständlich mit ganz unterschiedlichen Ansätzen.

Als Forschungsschwerpunkte nennt Claes Geweberegeneration, Frakturheilung und Osteoporose, Gelenkrekonstruktion und Wirbelsäulenbiomechanik, Biomaterial- und Implantatentwicklung sowie Tissue Engineering und Zellbiomechanik. Was auch heißt: Der Erfolg des Instituts erfordert ein perfektes interdisziplinäres Zusammenspiel. Ingenieure, Informatiker, Biologen, Molekularbiologen, Human- und Veterinärmediziner arbeiten in den fünf Forschungsbereichen Hand in Hand. Zudem ist Querschnittswissen gefragt. „Ich habe sehr viel gelernt in dieser Zeit“, blickt der Wissenschaftler zurück, unter anderem Tiere zu operieren und viele medizinische Kenntnisse. Und: „Es war ein langer Weg“, beschreibt er seinen eigenen Werdegang, eine Karriere außerhalb gemeinhin üblicher Raster: Werkzeugmacherlehre, zweiter Bildungsweg, Studium zum Diplom-Ingenieur zunächst an der Fachhochschule Ulm, dann an der TU München, Promotion, Habilitation.

„Wir haben auch viel Glück gehabt“, sagt Professor Claes, auf sich bezogen und auf das Institut. Dabei hat das Glück im Kern durchaus einen Namen: Professor Caius Burri, der im Jahr 2002 verstorbene weltweit renommierte Chirurg. „Er hat mich persönlich gefördert, ihm verdanken wir das Gebäude und ohne ihn wäre es nie so gelaufen.“ Unverändert präge der Geist Burris Umfeld und Atmosphäre des Instituts: Lichte Räume, sorgfältig ausgewählte Kunst, tropische Pflanzen, „eine ungemein stimulierende Umgebung“ als Basis für kreative wie exzellente Arbeit. Nicht allein. Kein Zufall, dass in der Dokumentation von Claes’ Abschlussbilanz Schnappschüsse von fröhlichen Menschen mehrere Seiten einnehmen: Weihnachts- und Geburtstagsfeiern, Sommerfeste, Betriebsausflüge. „Ein gutes Klima und die Zufriedenheit der Mitarbeiter sind entscheidende Kriterien für unseren Erfolg“, betont der Institutsleiter. Auch um hoch qualifiziertes Personal („in der Industrie viel besser bezahlt“) im Hause zu halten. „Zudem haben wir ein einmaliges System zur Qualitätssicherung“, erklärt der mit zahlreichen, zum Teil hochkarätigen Preisen ausgezeichnete Wissenschaftler. Regelmäßíg dürften seit zwölf Jahren alle Beschäftigten bei einer anonymen Befragung ihre Meinung äußern, „sich auch über ihren Chef auslassen“. Das sei für ihn, so Professor Lutz Claes, „das beste und aufschlussreichste Stimmungsbild“.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Lutz Claes, Telefon 0731/500-55301