Bullshit Job Perception

Episodische Analyse des Arbeitslebens: Die Bedeutung von Bullshit Job-Erfahrungen als komplementäre Komponente zum subjektiven Erleben von Bedeutsamkeit bei der Arbeit (meaningful work).

Bedeutungsvolle Arbeit (meaningful work) ist ein vielschichtiges Konstrukt (Rosso, Dekas & Wrzesniewski, 2010; van der Deijl, 2022; Veltman, 2016). Es umfasst Aspekte der Sinnhaftigkeit (Rechtfertigung vs. Anomie; Lepisto & Pratt, 2017) aber auch aus der Bedürfnisbefriedigung resultierendes Wohlbefinden (Verwirklichung vs. Entfremdung; Lepisto & Pratt, 2017), jeweils aus subjektiver Sicht der arbeitenden Person. Kürzlich schlugen Lepisto und Pratt (2017) eine duale Konzeptualisierung von sinnvoller Arbeit vor, die zwei verschiedene Arten von Sinnhaftigkeit unterscheidet: Eine Verwirklichungsperspektive (realization) konzentriert sich auf die Überwindung von Entfremdung (alienation) und fragt: "Repräsentiert und erfüllt meine Arbeit, wer ich bin?". Eine Rechtfertigungsperspektive (justification) hingegen konzentriert sich auf die Überwindung anomie-ähnlicher Zustände und fragt: "Warum ist meine Arbeit wertvoll?".

Bemerkenswert ist: diese Konzeptualisierung erkennt an, dass Erfahrungen bei der Arbeit (a) das Vorhandensein oder Fehlen positiver Merkmale (Sinnhaftigkeit und Bedürfnisbefriedigung), aber auch (b) das Vorhandensein oder Fehlen negativer Merkmale (Anomie und Entfremdung) umfassen.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig festzustellen, dass - parallel zu dieser Unterscheidung bezüglich der Facetten des Erlebens bei der Arbeit - in der Forschung zum subjektiven Wohlbefinden hedonische Aspekte typischerweise in zwei Komponenten unterschieden werden: das Vorhandensein oder Fehlen von positivem Affekt sowie das Vorhandensein oder Fehlen von negativem Affekt. Und diese Unterscheidung wird empirisch gut durch die Messung von positivem und negativem Affekt als getrennte Konstrukte abgebildelt. In ähnlicher Weise haben Wissenschaftler:innen der "Positiven Psychologie" betont, dass es ein klarer Unterschied ist, ob man Menschen aus einem negativen Zustand herausbringen möchte oder ob man Menschen aus einem neutralen Zustand in einen positiven Zustand bringen will (Gable & Haidt, 2005).

Bei der Untersuchung des Erlebens bei der Arbeit wurde diese konzeptionelle Unterscheidung jedoch bisher nicht angemessen umgesetzt. Dementsprechend schlagen wir vor, dass eine angemessene Operationalisierung des Erlebens bei der Arbeit die Erfassung negativer Merkmale (Anomie und Entfremdung) erfordert, die die Messung positiver Merkmale (Sinnhaftigkeit/justification und Bedürfnisbefriedigung/realization) ergänzt.

In diesem Zusammenhang ist das von Graeber (2018) eingeführte Konzept der "Bullshit-Jobs" wertvoll, da es die Bedeutung negativer Merkmale bei der Arbeit (sinnlose, unnötige oder schädliche Tätigkeiten, die auf Entfremdung hindeuten) und einen Mangel an Rechtfertigung (Anomie) hervorhebt.

Zusammenfassend argumentieren wir, dass das Konzept der Bullshit-Jobs eine wichtige Facette der Erfahrungen im Arbeitsleben darstellt, die bisher weitgehend ignoriert wurde - zumindest in den meisten empirischen Studien zu sinnvoller Arbeit (meaningful work).

Differenzierung positiver und negativer Erlebnisse im Arbeitsleben:

 

 

Reasons to care about work

Experiences reflecting positive aspects of work:

Meaningful work perception

Experiences reflecting negative aspects of work:

Bullshit Job perception

Purpose

Justification

Anomie

Need satisfaction

Realization

Alienation

Der Begriff Bullshit-Job wurde kürzlich von dem Anthropologen David Graeber (2018) eingeführt, der argumentierte, dass ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer:innen den Job, den sie ausüben, als einen Bullshit-Job betrachtet, der wie folgt definiert ist (definierende Aspekte sind mit Zahlen gekennzeichnet):

Ein Bullshit-Job ist eine Form der bezahlten Beschäftigung, die so völlig [1] sinnlos, [2] unnötig oder [3] schädlich ist, dass selbst [4] die arbeitstätige Person ihre Existenz nicht rechtfertigen kann, obwohl sich die Person als Teil der Beschäftigungsbedingungen verpflichtet fühlt, [5] so zu tun, als sei dies nicht der Fall. (S. 9-10)

Ob eine bestimmte Arbeit oder zumindest einige Teile einer Arbeit als Bullshit angesehen werden können, kann von der Person beurteilt werden, die diese Arbeit ausführt, da sie ihre Arbeitstätigkeit am besten kennt (Graeber, 2018). Daher bezieht sich das Konzept auf eine subjektive Perspektive - die Wahrnehmung der arbeitstätigen Person von ihrer Arbeit - und nicht auf objektive Kriterien, die eine Arbeit als sinnlos, unnötig oder schädlich qualifizieren können. Dementsprechend wird das Konzept hier auch als Bullshit Job Perception (BJP) bezeichnet. Folglich erfordert die Analyse des Phänomens BJP die Erhebung von Selbstauskünften im Rahmen von Umfragen unter arbeitstätigen Personen.

In unserer aktuellen Forschung testen wir, ob und in welcher Form Bullshit Job-Erfahrungen mit dem (subjektiven) Wohbefinden von Arbeitstätigen in Zusammenhang stehen. Darüber hinaus analysieren wir Randbedingungen, die beeinflussen ob und wie stark Bullshit Job-Erfahrungen mit dem (subjektiven) Wohlbefinden zusammenhägen. Dabei spielen Einstellungen zur Arbeit eine besondere Rolle.

Referenzen

Gable, S. L., & Haidt, J. (2005). What (and why) is positive psychology? Review of General Psychology, 9(2), 103-110. https://doi.org/10.1037/1089-2680.9.2.103

Graeber, D. (2018). Bullshit Jobs: A Theory. Simon and Schuster.

Lepisto, D. A., & Pratt, M. G. (2017). Meaningful work as realization and justification: Toward a dual conceptualization. Organizational Psychology Review, 7(2), 99-121. https://doi.org/10.1177/2041386616630039

Rosso, B. D., Dekas, K. H., & Wrzesniewski, A. (2010). On the meaning of work: A theoretical integration and review. Research in Organizational Behavior, 30, 91-127. https://doi.org/10.1016/j.riob.2010.09.001

Van der Deijl, W. (2022). Two concepts of meaningful work. Journal of Applied Philosophy. https://doi.org/10.1111/japp.12614

Veltman, A. (2016). Meaningful work. Oxford University Press.

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