Psychologischer Essentialismus
In dieser Forschungslinie untersuchen wir die Grundlagen und Konsequenzen der Verinnerlichung der Überzeugung, dass Menschen durch einen essentiellen Wesenskern in ihrem Verhalten und ihren Eigenschaften bestimmt sind. So glauben viele Personen daran, dass die genetische Ausstattung das Verhalten und die Merkmale von Menschen direkt bestimmen (Glaube an genetischen Determinismus). Ebenso ist der Glaube weit verbreitet, dass Menschen einen sozial geprägten Wesenskern besitzen, der ihr Verhalten und ihre Merkmale bestimmt (Glaube an sozialen Determinismus).Diese Überzeugungen spiegeln die Ansicht wider, dass es so etwas wie einen essentiellen Wesenskern gibt (genetische Ausstattung; sozial geprägter Charakter), der Menschen zu dem macht was sie sind und tun. In der Sozialpsychologie werden solche Überzeugungen unter dem Begriff des psychologischen Essentialismus behandelt.
Unsere Forschung widmet sich der Frage nach den Grundlagen der Entstehung und Verinnerlichung solcher essentialistischer Laientheorien. Unsere Befunde weisen darauf hin, dass der Glaube an die deterministische Wirkung der genetischen Ausstattung bzw. des sozial geprägten Charakters auf basale Motive zurückzuführen ist. Dazu zählen (1) epistemologische Motive (das Verlangen nach einfachen und finalen Erklärungen), (2) ideologische Motive (Rechtfertigung der vorherrschenden sozialen Verhältnisse) sowie (3) existentielle Motive (Abbau von Angst und Unsicherheit).
Darüber hinaus untersuchen wir die Korrelate und Konsequenzen der Verinnerlichung essentialistischer Überzeugungen. Unsere Befunde zeigen, dass der Glaube an essentialistische Laientheorien mit der Anwendung von Stereotypen und Vorurteilen einhergeht und positiv mit Tendenzen zur Diskriminierung von Minderheiten korreliert (dies gilt sowohl für den Glauben an genetischen Determinismus als auch für den Glauben an sozialen Determinismus). Diese Befunde konnten auch experimentell nachgewiesen werden (durch Aktivierung der relevanten essentialistischen Laientheorie). Die Forschung zum psychologischen Essentialismus konnte somit Belege dafür liefern, essentialistisches Denken eine wichtige Grundlage der Entstehung und Anwendung von Stereotypen und Vorurteilen darstellt.
Referenzen
Nürnberger, M., Nerb, J., Schmitz, F., Keller, J. & Sütterlin, S. (2016). Implicit gender stereotypes and essentialist beliefs predict teachers’ tracking recommendations. The Journal of Experimental Education, 84, 152-174.
Keller, J. (2005). In genes we trust: The biological component of psychological essentialism and its relationship to mechanisms of motivated social cognition. Journal of Personality and Social Psychology, 88. 686-702.
Rangel, U. & Keller, J. (2011). Essentialism goes social: Belief in social determinism as a component of psychological essentialism. Journal of Personality and Social Psychology, 100, 1056-1078.
Kesberg, R., & Keller, J. (in press) Personal values as motivational basis of psychological essentialism: An exploration of the value profile underlying essentialist beliefs. Personality and Individual Differences. https://doi.org/10.1016/j.paid.2020.110458
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