Senioren-Internet-Helfer/innen im ländlichen Raum
Das Modellprojekt "Senioren-Internet-HelferInnen im ländlichen Raum" des Zentrums für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) der Universität Ulm hat zum Ziel, ältere interneterfahrene BürgerInnen für eine neue Form des bürgerschaftliche Engagements zu qualifizieren. Als Senior-Internet-HelferInnen werden sie zu MultiplikatorInnen und BeraterInnen für ältere Erwachsene und Gruppen mit Unterstützungsbedarf ausgebildet. Sie tragen damit dazu bei die Internetnutzung durch ältere Menschen zu intensivieren. Das ZAWiW unterstützt die Vernetzung zwischen der Senior-Internet-Initiativen in Baden-Württemberg und initiiert im Rahmen des Modellprojekts, insbesondere im ländlichen Raum, weitere Anlaufstellen vor Ort.
Birgit Böttger, Markus Marquard

Senior-Internet-Helferin Edith Randecker, 72 Jahre alt, ehemals Verwaltungsangestellte in einem Forstamt:
Nachdem ich in Rente gegangen war, habe ich vor acht Jahren erstmals an der jährlichen stattfindenden Frühjahrsakademie des ZAWiW teilgenommen und arbeite seitdem bei 'Senioren ans Netz' mit. Außerdem bin ich im AK SeNet, dem Arbeitskreis "SeniorInnen und Internet" (http://www.ak-senet.de) beim ZAWiW, und beim STIC, dem Senioren Treff Internet und Computer (http://www.stic.telebus.de), aktiv, für die ich u. a. die Websites aktualisiere. Darüber hinaus arbeite ich als Tutorin beim STIC mit. Während die Hälfte der Tutoren weiblich ist, sind unter den Teilnehmenden mehr Frauen als Männer.
Senior-Internet-Helfer Joachim Cremer, 74 Jahre alt, ehemals Programmierer:
Ich interessierte mich für das Internet und habe der Pensionierung nach Gleichgessinten gesucht. Seit zehn Jahren arbeite ich nun schon im Arbeitskreis SeNet beim ZAWiW mit. U. a. sind wir Mitglieder des Arbeitskreises, unterstützt durch die Bundesregierung, mit dem 'Senior-Info-Mobil' durch die Bundesrepublik gefahren und haben interessierten älteren Menschen einen Einblick in den Umgang mit dem Internet gegeben. Im Altentreff Ulm betreue ich seit vier Jahren zusammen mit anderen Senioren und Seniorinnen den STIC und führe dort Kurse für Anfänger, Internet, Bild- und Textbearbeitung durch. An einem Tag in der Woche bieten wir Beratungen an und in Schwierigen Fällen einen Homeservice.
Stärkung der ländlichen Infrastruktur durch das Internet
Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, vor allem das Internet, wirken sich direkt und indirekt auf den Lebensalltag jedes Einzelnen wie auf die Gesamtgesellschaft aus. Alle sind davon betroffen; diejenigen, die diesen Entwicklungen folgen und sich Kompetenzen zur Handhabung der neuen Techniken aneignen ebenso wie diejenigen, die sich gegenüber diesen Entwicklungen distanziert zeigen. Dies gilt auch für die stark wachsende Gruppe der älteren Menschen, in Ballungsgebieten wie im ländlichen Raum.
Zunehmend werden bereits heute Alltagsvorgänge in Beruf und Privatleben per elektronischer Post (E-Mail) und elektronischer Kontoführung (E-Banking) erledigt. Zukunftsprognosen gehen davon aus, dass viele Unternehmen in Zukunft aufgrund intensiven Kostendrucks bestimmte Funktionen ausschließlich online anbieten werden (E-Commerce). Auch immer mehr öffentliche Einrichtungen stellen ihr Dienstleistungsangebot aus Kosten- und Flexibilitätsgründen auf Onlineangebote um.
So kann das Internet gerade außerhalb der Ballungsgebiete entscheidend zur Stärkung der Infrastruktur beitragen und den soziokulturellen und wirtschaftlichen Abstand zu den Verdichtungsräumen verringern. Für die Menschen im ländlichen Raum bedeutet es damit eine wichtige Hilfe. Dies gilt insbesondere auch für ältere Menschen, die sich aktiv auf ihr Altern vorbereiten und Einschränkungen in der selbständigen Lebensführung aufgrund von altersbedingten Mobilitätseinbußen zumindest teilweise mit Hilfe des Internet begegnen wollen. Dafür finden sich im Internet vielfältige Möglichkeiten: Informationsquellen, Bildungsangebote, zusätzliche Kommunikationsmöglichkeiten, Einkaufsmöglichkeiten, andere Dienstleistungen etc. In diesem Sinne bietet es ein enormes Potenzial, die Teilhabe an gesellschaftlichen Entwicklungen nachhaltig zu sichern.
SeniorInnen helfen SeniorInnen
Die Erfahrungen - unter anderem aus der Informationskampagne "Senior-Info-Mobil" und dem Modellprojekt "Gemeinsam lernen übers Netz" - zeigen, dass ältere Menschen Kenntnisse über die neuen Technologien vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenserfahrungen in einer Weise weitergeben können, die von Gleichaltrigen besonders gut angenommen wird. Im Rahmen des Projekts werden deshalb interessierte interneterfahrene SeniorInnen insbesondere im ländlichen Raum auf ihrbürgerschaftliches Engagement im IT-Bereich vorbereitet. In Frage kommen Menschen ab 50 mit Grundkenntnissen und Erfahrungen in der Nutzung des Internets, für die nicht die Technik im Vordergrund steht, sondern der Austausch mit anderen Menschen und die Freude an der Weitergabe ihres Wissens. Gerade auch Frauen mit Anwendungswissen über das Internet werden zum Mitmachen ermutigt. Eine möglichst breite Versorgung mit entsprechenden Schulungsangeboten für den ländlichen Raum wird angestrebt.
Gründung neuer Senior-Internet-Initiativen
In den letzten Jahren haben sich auf Initiative des ZAWiW in Baden-Württemberg Internetgruppen von SeniorInnen zu einem Netzwerk "Senior-Internet-Initiativen in Baden Württemberg" (SII) zusammengeschlossen. Bislang lag der Schwerpunkt auf den Verdichtungsräumen, z.B. mit Initiativen aus Mannheim, Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg, Tübingen und Ulm. Hier knüpft das Modellprojekt an und schult Senioren-Internet-HelferInnen mit dem Ziel, ein flächendeckendes Beratungsangebot in Baden-Württemberg aufzubauen. Seit Start des Projekts im November 2004 sind 10 neue Initiativen entstanden z.B. die Rutesheimer Onliner oder das Senioren-Lern-Internetcafé in Hornberg.
Senior-Internet-Initiativen vor Ort, regionale Institutionen der Altenarbeit (Seniorenräte, Seniorenbüros, etc.) sowie andere örtliche Träger und Vereine im ländlichen Raum (LandFrauenverband, Kirche, etc.) dienen den "Senioren-Internet-Helfer/innen" als Anlaufstellen für ihr Engagement. Deswegen kooperiert das ZAWiW bei der Durchführung der Schulungen eng mit diesen Institutionen.
In den Regionen Donau-Iller, dem nördlichen Oberschwaben, dem südlichen Schwarzwald und Heilbronn-Franken besteht noch ein besonderer Bedarf an Senior-Internet-Initiativen. Zwar gibt es dort bereits einige aktive Senior-Internet-HelferInnen, jedoch noch keine Initiativen, in denen sie sich engagieren können.
Die Angebote dieser Einrichtungen sind auf die Erfordernisse und Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt und variieren in Abhängigkeit von den Interessen und Möglichkeiten vor Ort. So gibt es:
- mehrstündige Schnupperkurse
- öffentliche Internetzugänge, an denen selbständig gesurft und bei Fragen und Problemen auf Senior-Internet-HelferInnen zurückgegriffen werden kann
- Beratungstage zu allen Fragen rund um PC und Internet
- Schulungen und Workshops zu speziellen Themen und
- offene Stammtische für Interessierte.

Das ZAWiW war auch als Partner bei der Medienoffensive des Radiosenders SWR4 "Mit Gießbert ins Internet" beteiligt. Im Rahmen dieser Offensive gab es zwei Informations-Touren durch insgesamt 32 überwiegend im ländlichen Raum liegende Orte in Baden-Württemberg. Diese Touren waren als Schnupperangebote für Internet-Neulinge gedacht und wurden von "Senior-Internet-HelferInnen" tatkräftig begleitet. Sie stießen bei der angesprochenen Zielgruppe auf teilweise überwältigendes Interesse.
Qualifizierung der Senior-Internet-HelferInnen
Die Lerninhalte bestehen aus technischen, pädagogisch-didaktischen und inhaltlich-thematischen Qualifizierungsbausteinen. Für diese Schulungsmaßnahmen wurden vom ZAWiW Lernmaterialien erstellt. Begleitend zu den Schulungen können die HelferInnen in virtuellen Lerngruppen die von TutorInnen betreut werden ihr Wissen vertiefen und die Schulungen vor- und nachbereiten. Über eine Internetplattform werden die Lernmaterialien für die Teilnehmenden zu Verfügung gestellt. Die Internetplattform dient außerdem der Projektpräsentation. In vielen Bereichen werden die Senioren auch in die Projektentwicklung und Projektevaluation eingebunden. Für alle Senior-Internet-HelferInnen gibt es die Möglichkeit sich von der Webseite für ihre Arbeit hilfreiche Materialien herunter zu laden, darunter auch ein Online-Handbuch, das Antworten auf die gängigsten Probleme bei der Arbeit als BeraterIn gibt. Dieses FAQ-Handbuch wurde gemeinsam mit TeilnehmerInnen eines mehrtägigen Workshops angefertigt und im Laufe der Zeit mit Unterstützung von Senioren erweitert und aktualisiert. Auf der Webseite wird auch ein Forum für den gemeinsamen Austausch, z.B. über Fragen der täglichen Arbeit aber auch einfach nur zum Plaudern, angeboten.
Angebot
24. Juli 2006:
Das ZAWiW veranstaltet mit Unterstützung von Senioren-Internet-Initiativen in Baden-Württemberg auf der Landesgartenschau in Heidenheim einen "Senioren und Internet"-Tag. Zu Gast wird auch der Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Peter Hauk, sein.
Für Interessierte Einrichtungen, Seniorenräte sowie Institutionen der Erwachsenenbildung mit Multiplikatorenfunktion (nicht nur) im ländlichen Raum bietet das ZAWiW kostenfreie Qualifizierungsveranstaltungen an.
Kooperationspartner
Erwachsene - z.B. reale Kompaktveranstaltungen, Arbeitsgruppen "Forschendes Lernen", virtuelle Lernprojekte und Generationen übergreifende Aktivitäten.
Unterstützt wird das Projekt durch den Landesseniorenrat Baden-Württemberg, das ViLE-Netzwerk e.V. (Verein "Viruelles und reales Lern- und Kompetenz-Netzwerk älterer Erwachsener"), die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) und die Medien und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG). Das Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum in Baden-Württemberg fördert das Modellprojekt im Rahmen des Impulsprogramms doIT-regional. Dadurch ist es dem ZAWiW möglich die Schulungen kostenfrei anzubieten. Bei mehrtätigen Workshops haben die TeilnehmehrInnen einen Anteil an den Kosten für Unterkunft und Verpflegung selbst zu tragen.
Beteiligung erwünscht
Im Rahmen des Projektes werden sowohl Senior-Internet-HelferInnen als auch bestehende Einrichtungen, die sich beteiligen möchten, sowie weitere Kooperationspartner zur finanziellen Unterstützung gesucht.