Ausstellung INVERSION im Laboratorium 2004

Reziproke Abbildungen, Ausstellung der EMU - Experimentelle Musik und Kunst Universität Ulm
1. Juli bis 30. September 2004
The Laboratorium - Galerie des Musischen Zentrums Universität Ulm
(Universität Ulm, Oberer Eselsberg, Niveau 2, M24 (Cafe Nord)
Vernissage: Donnerstag 1. Juli 2004 18 Uhr

Die Arbeitsgruppe EMU, Leitung: Dieter Trüstedt, ist Bestandteil des Musischen Zentrums der Universität Ulm.
Kurator der Galerie The Laboratorium ist Frederick William Ayer, Artist in Residence.
Teilnehmer / Autoren
Helmut Baitsch • Axel Baune • Peter Behrens • Heinz Görlich •
Marc Hermann • Stephan Herminghaus • Volker Mailänder •
André Müller • Henrik Kühn • Katharina Landfester • Ursula Ritter •
Ferry Timoer • Jörg Schäffer • Christine Söffing • Gerlinde Sponholz •
Bernhard Thurz • Dieter Trüstedt • Isolde Werner

Pressetext zur Ausstellung INVERSION
AG Experimentelle Musik und Kunst
Galerie THE LABORATORIUM
Musisches Zentrum Universität Ulm
1. Juli bis 30. September 2004

Das Nichts ist die inverse Abbildung der Unendlichkeit. Eine einfache Formel der Mathematik beschreibt diese Aussage: w(z) = 1/z. Alle Exponate der Ausstellung INVERSION sind mit Hilfe dieser Formel hergestellt - nach einem Computerprogramm von Henrik Kühn und einer Idee von Dieter Trüstedt. Die Autoren der Exponate, der Performance und der Video-Installation sind das EMU Ensemble, Experimentelle Musik und Kunst der Universität Ulm.
Das Prinzip der Inversion bestimmt die Konsistenz der grafischen Konstruktion - einschließlich der Farbgebung - in den 20 Bildern, die großformatig ausgedruckt und auf Metall aufgezogen sind.
Der Grundgedanke der Inversion durchzieht auch die Performance: Der Tanz (Ursula Ritter) steuert, das heißt dirigiert die Musik, die verfremdete Stimme (Isolde Werner) kontrastiert die Ballastsaitenklänge des EMU Ensembles und die vor Ort generierten Computer-Projektionen (Volker Mailänder) durchkreuzen als virtuelles Bühnenbild den Tanz.
Tiefer liegende philosophische Formulierungen in dem vorgestellten Konzept sind in den Religionen zu finden, die dem Buddhismus nahe stehen, zum Beispiel dem Zen-Buddhismus (das Nichts, die Unendlichkeit, der Kreis etc.) oder in den Aussagen von Meister Eckehart (ca. 1260 - 1327), wie zum Beispiel: "Gott ist eine unendliche Kugel der Einsicht, die so viele Peripherien hat, als es in ihr Punkte gibt, und deren Mittelpunkt überall und deren Peripherie nirgends ist."
In der mathematischen Formel der Inversion spielt der Kreis - dreidimensional ist es die Kugel - eine entscheidende Rolle und in der Berechnung der Beugungsbilder der Kristallographie wird der reziproke (= der inverse) Raum unabdingbar eingesetzt, so auch im Gedanken der vorliegenden Ausstellung.
Die Ausstellung und die Video-Installation INVERSION ist vom 1. Juli bis zum 30. September 2004 durchgehend zu besichtigen. Die Galerie THE LABORATORIUM des Musischen Zentrums ist neben dem Cafe Nord der Universität Ulm, Niveau 2, Gebäude M 24. Die Vernissage mit der Performance ist am Donnerstag 1. Juli 2004 um 18 Uhr.
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In der Ausstellung INVERSION Reziproke Abbildungen werden Arbeiten von 18 Teilnehmern gezeigt.

Die Exponate gehören zum Genre Computer-Grafik. Es sind farbige Tintenstrahl-Drucke der Größe A1 und größer, laminiert und auf Metall aufgezogen.
Der Begriff "Reziproke Abbildungen" bedeutet, dass ein Feld eines sich unendlich wiederholenden farbigen Musters an einem oder vielen gezeichneten Kreisen reziprok abgebildet werden. Jeder weitere Kreis bildet die im Moment existierende Szene in sich selbst ab: Ein Punkt ausserhalb des gewählten Kreises wird innerhalb dieses Kreises abgebildet, wobei seine Entfernung vom Mittelpunkt dieses Kreises - dem Zentrum des jeweils neuen Koordinatensystems - auf den Bruchteil eins geteilt durch die ursprüngliche Entfernung verkürzt wird. Sehr weit entfernte Punkte liegen also sehr nah am Mittelpunkt des jeweiligen Kreises und der Begriff Unendlichkeit wird zu seinem eigenen Mittelpunkt. Es ist mathematisch korrekt zu sagen, dass die Unendlichkeit unendlich viele Mittelpunkte solcher Kreise erzeugen bzw. aufnehmen kann.
Einen mythologischen oder religiös symbolischen Hintergrund solcher Überlegungen kann man in den Texten von Meister Eckehart (ca. 1260 - 1327 n.Chr.) erkennen, wie weiter unten dargelegt wird.
Die Teilnehmer der Ausstellung haben die Freiheit, beliebige sich unendlich wiederholende Muster zu wählen und die Einheitskreise an beliebige Orte des Bildes zu setzen. Beim Bewegen dieser Kreise entstehen Spuren, die in das künstlerische Konzept aufgenommen werden.

Im NUN-Projekt (aufgeführt in Niveau 1 unterhalb der Galerie der Universität Ulm am 13. März 2004 zum 125. Geburtstag von Albert Einstein) wurde dieses mathematische Verfahren, zum ersten Mal künstlerisch eingesetzt. Die Gruppe Experimentelle Kunst und Musik spielte auf Ballastsaiten und rezierte Texte zum hebräischen Alphabet, von Aristoteles und Augustinus, Meister Eckehart, William Shakespeare und Albert Einstein. Diese Performance wurde auf Video mitgeschnitten und wird während der gesamten Ausstellungsdauer gezeigt.
Die reziproke Abbildung spielt in der Kristallographie eine wichtige Rolle als reziproke
Gitterpunkte und Räume, im Verfahren "Ewald-Kugel", in der Strukturanalyse und in Experimenten mit Elektronenstrahlbeugung an Oberflächen und Kristallen.
Ästhetische und symbolische Überlegungen über Raum und Zeit als Thema der Ausstellung "Deus est sphaera intellectualis infinita, cuius tot sunt circumferentiae quot puncta, et cuius centrum est ubique et circumferentia nusquam, et qui totus es in sui minimo." Das heißt: "Gott ist eine unendliche Kugel der Einsicht, die so viele Peripherien hat, als es in ihr Punkte gibt, und deren Mittelpunkt überall und deren Peripherie nirgends ist. Und er ist ganz auch in dem Geringsten von sich."
Diese Vorstellung von Meister Eckehart ist zwar nicht Ausgangspunkt der vorgestellten künstlerischen Arbeiten, beschreibt aber den Reiz, die Unendlichkeit abbilden zu können. Ob ausgesprochen oder nicht: wir können in jedem neu gezogenen Kreis ein Wesen sehen, dass die gesamte Welt ausserhalb in sich selbst abbildet und die Unendlichkeit, was auch immer das bedeutet, wird zu seinem Zentrum, zu seinem Mittelpunkt, zu seiner Seele.
Es entstehen Bilder zwischen Chaostheorie und moderner Computergrafik, sehr farbig, sehr phantasievoll und gleichzeitig ungebrochen abstrakt. Die Bilder sind ernst oder auch dekorativ und erinnern gleichzeitig an Paul Klee, Wassily Kandinsky, Willi Baumeister oder Juan Miró.

Zur Eröffnung spielt die EMU einen kleinen Ausschnitt aus der laufenden Arbeit, einer konzertanten Performance- Installation: Ballastsaiten-Musik, Tanz, Stimme, elektronische Lautspuren und vor Ort am Computer generierte reziproke Abbildungen.
Dieter Trüstedt
München, 12. Mai 2004

Beispiele zur Ausstellung

Reziproke Abbildung eines einfachen Linienmusters in den Grundfarben rot, gelb und blau. Dieter Trüstedt, Henrik Kühn und Marc Hermann
Vier sich-selbst-ähnliche Monster betrachen die reziproke Abbildung ihrerselbst Dieter Trüstedt, April 2004

Alle Figuren sind untereinander selbstähnlich. Die Spuren entstanden durch das Verschieben des Einheitskreises.
Die Farben sind pink, helltürkis und dunkelblau.
Das in den Projekten Reziproke Abbildungen verwendete Computerprogramm wurde nach einer Idee von Dieter Trüstedt von Henrik Kühn, Informatikstudent an der Universität Ulm, entwickelt.
Das Programm kann beliebige Vorlagen in die abzubildende Grundfläche aufnehmen und bis ins Unendliche wiederholen. Die Farben können auch zu späteren Zeitpunkten im Herstellungsprozess frei variiert werden. Die am Bildschirm entwickelten Bilder werden in hoher Auflösung abgespeichert und in großen Formaten ausgedruckt.