Vorbemerkungen zur Geschichte dieser Initiative

Das Humboldt-Studien-Zentrum für Geisteswissenschaften hat im September 1988 durch seinen Sprecher Prof. Dr. Dr. Peter Novak folgendes Schreiben in der Universität Ulm zirkulieren lassen:
"Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
das Humboldt-Studien-Zentrum für Geisteswissenschaften hat sich eine Initiative aus dem Kollegenkreis zu eigen gemacht, welche das Ziel hat, bei der baulichen Weiterplanung unserer Universität auch ein Musisches Zentrum vorzusehen. Die wesentlichen Argumente für die Einrichtung eines derartigen Zentrums sind kurzgefaßt folgende:
Die Angehörigen der Universität, der Kliniken, der verschiedenen Forschungsinstitute und Dienstleistungseinrichtungen auf dem Oberen Eselsberg sollen in dem Zentrum die Möglichkeit zu vielerlei musischen Aktivitäten geboten bekommen. Hierzu müssen .Übungsräume unterschiedlicher Größe vor allem für Instrumenta-listen, Orchester, Kammermusik, Chor sowie für therapeutisches Musizieren, experimentelle Musik usw. zur Verfügung stehen. Diese Aktivitäten seien beispielhaft genannt für die anzustrebende Differenziertheit eines solchen Musischen Zentrums. Wir sind der Auffassung, daß dieses Zentrum mehr sein soll und wird als ein Ort lustvoller Zerstreuung. Vielmehr versprechen wir uns mit der Integration musischer Tätigkeiten in den Alltag von Forschung und Lehre eine wesentliche Förderung und Belebung unserer Kreativität und der schöpferischen Phantasie. Zugleich wird das Musische Zentrum ein Ort der Begegnung sein, in dem wir uns über Fächer- und Institutionengrenzen hinweg in spielerisch zweckfreiem Tun kennenlernen und Ideen austauschen können. Eine Universität mit betont naturwissenschaftlich-technischer Ausrichtung bedarf dringend eines solchen musischen Freiraumes.

Wir wenden uns mit diesem Schreiben an alle Interessierten mit der Bitte um Rückmeldung, ob Sie sich mit den oben genannten Zielen unserer Initiative identifizieren können. Einige Kolleginnen und Kollegen haben sich bereit erklärt, Sie anzusprechen und um Ihre Unterschrift zum Zeichen der grundsätzlichen Zustimmung zu bitten. Das Humboldt-Studien-Zentrum wird Sie dann über den Fortgang der Initiative informieren."

Vorausgegangen waren Kontakte mit dem Rektor der Universität, Herrn Prof. Dr. T.M. Fliedner, und dem Universitätsbauamt, Herrn Regierungsbaudirektor v. Wolff, sowie mit dem Preisträger des Planungswettbewerbes "Wissenschaftsstadt", Herrn Prof. Dr. Steidle. Die Idee, die ganz überwiegend naturwissenschaftlichtechnologische Ausrichtung der Wissenschaftsstadt Ulm auf dem Oberen.Eselsberg durch einen Bereich zu ergänzen, der über musische Tätigkeiten die kreativen Wurzeln und Fähigkeiten der hier arbeitenden Menschen fördert, fand wohlwollende ' Aufmerksamkeit und Zustimmung. Es ist die Idee der Wissenschafts- und Kunststadt Ulm.

Aus dem zunächst angesprochenen Kreis der Universitätsmitglieder sind schnell in großer Zahl Stellungnahmen eingetroffen, die sich ausnahmslos positiv zu dieser Initiative äußern. Einige dieser Kommentare werden beispielhaft weiter unten zitiert.

Die Ziele und die mögliche Gestalt eines derartigen Musischen Zentrums (MZ) werden nachfolgend ausführlicher dargestellt; vorangestellt findet sich eine Beschreibung des Status quo, mit dem sich die Universitätsmitglieder derzeit behelfen müssen.

Die Ziele und die mögliche Gestalt eines derartigen Musischen Zentrums (MZ)

Die Universität verfügt im Bereich des Oberen Eselsberges über keine räumlichen Möglichkeiten, in denen sich Universitätsmitglieder aktiv musisch betätigen können. Dieser Mangel hat sich schon mehrfach als äußerst hemmend für die Arbeit beispielsweise des Universitätsorchesters und des Universitätschores ausgewirkt .

Insbesondere wird das Fehlen von Übungs- und Aufführungsräumen unterschiedlicher Größe beklagt. Die Hörsäle und Seminarräume der Universität sind von ihren baulichen Gegebenheiten her für derartige Zwecke denkbar ungeeignet. Auch fehlen entsprechende Räume für konzertantes Musizieren, insbesondere für kammermusikalische Ensembles; Übungsräume für einzelne Instrumentalisten und Kleingruppen sind ein ausgesprochenes Desiderat.

Die Situation in dem Universitätsbereich Oberer Kuhberg (ehemalige Hochschule für Gestaltung) ist relativ günstiger, wenngleich bei weitem nicht optimal. Sie kann den Bedarf, der für den weitaus größeren Bereich des Oberen Eselsberges besteht, nicht abdecken. Dankbar ist indessen festzustellen, daß in den Gebäuden der ehemaligen HfG durch die Entscheidungen des Verwaltungsrates der Universität und mit den Bemühungen des Bauamtes ein Raum für die Arbeitsgruppe "Musik in Prävention und Therapie" eingerichtet wurde. Dieser Raum wird intensiv und den Zwecken entsprechend genutzt; therapeutische Arbeit sowie Lehre und Forschung finden dort statt. Eine weitere Arbeitsgruppe, die sich mit experimenteller Musik sowie mit dem Bau von Instrumenten befaßt, arbeitet zeitweise in diesem (einzigen) Räum; eine Werkstätte für handwerkliche Tätigkeiten dieser Gruppe wurde vom Altenzentrum Dornstadt zur Verfügung gestellt, da ein geeigneter Raum hierfür im Universitätsbereich fehlt.

Die oben geschilderte Raumproblematik gilt in prinzipiell gleicher Weise für alle Universitätsbereiche hinsichtlich musischer Aktivitäten, wozu auch Theater, bildnerisches Gestalten und Meditation zu zählen sind. Beispielhaft seien hier genannt:

- Studentische Theatergruppen können ohne die räumlischen Hilfen von selten des städtischen Theaters kaum je ihre Aufführungen zustande bringen.
- Therapeutisches Musizieren mit krebskranken Kindern in der Universitäts-Kinderklinik wird allein schon dadurch erheblich erschwert, daß geeignete Räume fehlen.
- Stilles Sichzurückziehen zur Meditation, zu Atemübungen oder zu anderen Techniken der Lösung oder Konzentration kann nicht stattfinden, weil nirgends entsprechende Räume zur Verfügung stehen.

Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Allen ist gemeinsam, daß der bisherige Bestand an Räumlichkeiten fest verplant ist für Aktivitäten des kognitiv-rationalen Lehrens und Lernens, so daß für die schöpferische Muße jedweder Art an unserer Universität schlicht der Platz fehlt.
Trotz dieser Behinderungen und Beengungen haben sich an unserer Universität in den letzten Jahren beachtliche musische Aktivitäten entwickelt, die Aufschluß auch darüber geben, wie sehr es sich hier um existentielle Bedürfnisse der Lehrenden und Lernenden handelt, die auf die Dauer nicht unterdrückt oder vernachlässigt werden dürfen.

Die Universität hat derzeit in grober Schätzung rund 6 000 bis 7 000 Mitglieder, Lernende und Lehrende sowie alle Bediensteten der Verwaltung im engeren und weiteren Sinne eingeschlossen. Der Anteil derer, die schon jetzt konkrete musische Tätigkeiten ausüben, die also musizieren oder im Chor singen, malen oder töpfern, fotografieren oder Instrumente bauen usw., dürfte etwa 10 von 100 ausmachen. Möglicherweise ist diese Zahl eher unter-als überschätzt. Das wären schon derzeit 600 bis 700 Menschen, die als potentielle Interessenten für regelmäßiges oder gelegentliches Tun in einem MZ anzusehen sind. Mindestens die gleiche Größenordnung schätzen wir für den Personenkreis, der dazu motiviert werden könnte oder sollte, sich mehr mit musischem Tun einzulassen, als er dies bisher tut.

Es ist davon auszugehen, daß der Kreis der künftigen Interessenten aus den neuen Fachbereichen der Universität und aus den übrigen Einrichtungen auf dem Oberen Eselsberg (Kliniken, Forschungsinstitute, Dienstleistungseinrichtungen usw.) etwa in denselben Größenordnungen einzuschätzen ist.

Hinzu kommt eine quantitativ noch nicht abzuschätzende Bedeutung eines Musischen Zentrums für die Weiterbildungsaufgaben der Universität sowie für das Studium Generale. Die Ausstrahlung solcher Aktivitäten des MZ in die Stadt und die Region wäre ein erwünschter Effekt, der im Rahmen der weitgespannten regionalen Funktion der Universität zu sehen ist.

Die Initiatoren für die Einrichtung eines MZ sind der Auffassung, daß die notwendigerweise einseitige Ausrichtung unserer Universität auf naturwissenschaftliche Fächer, auf Medizin und moderne Technologien eine Ergänzung auch und gerade hinsichtlich der musischen Fächer zwingend erforderlich macht. Gewiß waren schon immer die Beziehungen gerade der Mediziner zu den Künsten, insbesondere zur Musik und Malerei, recht eng. Ärzteorchester und Streichquartette mit Doktor(innen/en) gibt es zu Häuf. Gewandelt und verschärft haben sich in der neueren Zeit und gerade jetzt im Obergang in die Zeit der hochtechnischen Informations- und Kommunikationsgesellschaft die Anforderungen an die teilhabenden Menschen: Schöpferische Phantasie als Voraussetzung für problemlösendes Verhalten ist mehr denn je gefragt. Mehr denn je kommt es im Umgang mit der ins Astronomische gewachsenen Menge der verfügbaren Informationen auf schöpferische Fähigkeiten an, auf jene Kreativität, die mit dieser Informationskomplexität umzugehen versteht.

Musische Tätigkeit kann, so meinen wir, verschüttete und ungeübte Kreativität wieder wecken; und der schon oder noch wache kreative Mensch kann seine Fähigkeiten, seine Phantasie und seine schöpferischen Quellen durch das musische Tun immer wieder auffrischen und üben.

Was das MZ noch leisten soll und könnte: Wir versprechen uns eine sehr konkrete Chance, daß Menschen aus ganz verschiedenen wissenschaftlich-technischen Tätigkeitsbereichen im MZ zusammentreffen, dort miteinander musizieren und miteinander sprechen. Dem Auseinanderdriften und Zerfallen in fachlich definierte Gruppen kann so entgegengewirkt werden; Ideen können ausgetauscht, neue Lösungen können im Gespräch erörtert und spielerisch ausprobiert werden. Der fachfremde Mitspieler vermag da und dort den Wald zu sehen, wo der Experte aus allzu großer Nähe nur noch die Bäume erkennen kann.
Das MZ wäre auch der Ort, an dem Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen unter Beteiligung namhafter Künstler, Komponisten, Interpreten und Wissenschaftler als Gäste stattfinden sollen; Verknüpfungen mit und Erweiterungen von herkömmlichen Studien-gangen erscheinen möglich.
Die Denkschrift des Senats der Universität Ulm (1986) "Entwicklungsperspektiven der Universität Ulm bis zum Jahre 2000" hatte schon dringend den Ausbau der sozialen und kulturellen Infrastruktur gefordert; unsere Überlegungen, wie sie in dieser Denkschrift niedergelegt sind, konkretisieren und bekräftigen diese Forderungen.

Die Lokalisation des MZ sollte sich an diesen Zielen und Aufgaben orientieren: Es sollte dort angesiedelt werden, wo die Kommunikations- und Informationswege für alle Beteiligten in etwa gleich lang sind. U.E. erscheint es nicht problematisch, einen geeigneten Platz im Rahmen der jetzt schon vorhandenen Planung zu finden.
Das Raumprogramm sollte im Endausbau folgende Einheiten enthalten:

- Übungsräume für Instrumentalisten; die Räume sollten so ausgelegt sein, daß auch Kammermusik in kleiner Besetzung (Duo, Trio, Quartett) geübt werden kann.
- kleinere Übungsräume für Kammermusik und Chor in mittlerer Größenordnung;
- Räume für therapeutisches Musizieren (Musiktherapie) und_ex-perimentelle Musik; Übungsräume für größeres Orchester und Chor ;
- eine Studiobühne.;
- stille Räume für Meditation, autogenes Training, Yoga usw.;
- ein Studio für elektronische Medien mit Hörkabinen;
- Notenbibliothek;
- Werkstatträume für Instrumentenbau, Zeichnen, Malen, Töpfern;
- Lagerraum für Instrumente.

Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend; auch kann die Zahl der Räume noch nicht definitiv angegeben werden.

Zur Dimensionierung der Räume:
Die kleineren Übungsräume sollten mindestens 10 m2 Nutzfläche haben; eine Zahl 10 derartiger Räume wäre optimal. Die mittelgroßen Räume sollten Nutzflächen zwischen 25 m2 und 50 m2 haben; fünf derartige Räume sollten vorhanden sein. Die großen Räume für Übung und Aufführungspraxis des Orchesters und Chors sollten genügend groß dimensioniert werden, damit neben dem sehr großen ausführenden Ensemble (an Oratorien, Kantaten usw. wirken bis 150 Personen und mehr mit!) auch noch Zuhörer im Raum Platz haben.

Die Räume sollten variabel/multipel nutzbar sein: recht unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen sollen darin tätig sein können (im Kammermusikraum sollen beispielsweise auch Schlagzeuger üben oder Mal-Zeichenkurse stattfinden können). Auch größere Räume sollen sowohl für Übungszwecke als auch für Lehrveranstaltungen zu nutzen sein.

Zum Problem der Installation:
Außer Heizung (und gegebenenfalls Klimatisierung) sollten keine weiteren Installationen vorgesehen werden. Es sollte also keine Verwendung als Laboratorien mit entsprechend hoher Installation infrage kommen. Ein hoher Grad an Schallisolierung ist erforderlich. Für einige Räume sollten technische Vorkehrungen Ton- und Videoaufnahmen getroffen werden.

Sollte alles unter ein Dach kommen?
Zwingend erscheint dies nicht; zweckmäßig schon. Über diese Frage sollte noch gesprochen werden. Wichtig ist vor allem, daß schon in der ersten Baustufe das MZ mitberücksichtigt wird.

Inzwischen haben auf den vielen Ebenen der formalen und inhaltlichen Zuständigkeiten intensive Gespräche stattgefunden mit dem Ziel, die komplizierten Planungsschritte in der richtigen Reihenfolge zu tun. Es besteht offensichtlich ein weitgehender Konsens darüber, daß ein MZ gebaut werden soll; und über die Größenordnungen und das Raumprogramm sowie den voraussichtlichen Standort des MZ sind konkrete Vorstellungen entwickelt worden.

Des weiteren (November 1988) hat die Universitätsverwaltung aufgrund der Beschlüsse des Senats und des Verwaltungsrates und nach ausführlichen Gesprächen mit den Initiatoren und der Stadt Ulm eine differenzierte und konkretisierte Raumkonzeption entwickelt und als Nutzungsanforderung dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst vorgelegt.

Das MZ wird ausschließlich von den Nutzern besiedelt, d.h. von dem Personenkreis, der in der Wissenschaftsstadt tätig ist, und von Gästen. Ein hohes Maß an Selbstverwaltung von selten der Nutzer wird angestrebt.

Erforderlich sind jedoch die üblichen verwaltenden und raumpflegenden Funktionen; so wird es notwendig sein, zwei bis drei Stellen vorzuhalten für einen Hausmeister, für die technische Organisation (Raumzuteilung usw.) und die Raumpflege.

Es ist schwierig, alle Aktivitäten eines Zeitraumes zu erfassen, denn nur die in den Ankündigungen dokumentierten Veranstaltungen lassen sich zuverlässig nachweisen. Nur gering und bruchstückhaft ist unser Wissen über die musischen Tätigkeiten der Universitätsmitglieder, die sich mehr im privaten Kreis abspielen, auch wenn sie dann und wann auch in den universitären Tageslauf eingreifen. Nachstehend werden Veranstaltungen genannt, die exemplarische Bedeutung haben:

Das Studium Generale beispielsweise enthält in seiner Ankündigung für 1988 folgende Veranstaltungen:
- Robert Schumann's Liederschaffen (Prof. Dr. F. Hirtler),
- Liederabend: Robert Schumann Dichterliebe op 48,
- James Joyce: Übertreibungstrieb (Dr. F. Senn),
- Das Leben leise wieder lernen. Literatur in Träumen (Prof. U. Kutter),
- Malerei des Barock - in Ulm um Ulm (Dr. G. Jasbar),
- Josef Albers - als Maler, Forscher und Pädagoge (Dr. D. Bauerle),
- Zeichnen und Aquarell-Malen (Kurs) (E. Holzwarth),
- Freies Malen und Aktzeichnen (Kurs) (B. Bartl).

Das Humboldt-Studienzentrum für Geisteswissenschaften hat 1988 folgende Veranstaltungen durchgeführt:

- Vortrag und Performance I und II "Soli Deo Gloria", J.S. Bach (Prof. Dr. Ch. Rueger, Musikhochschule Berlin),
- "Magie in Schwarz und Weiß": Franz Liszt (Prof. Dr. Ch. Rueger, Musikhochschule Berlin),
- "Russische Klaviermusik", vorgetragen und gespielt von Prof. Dr. Ch. Rueger, Musikhochschule Berlin.

Mehr forschungsorientiert ist das Projekt "Musik in Prävention und Therapie", das von der Abteilung Anthropologie im Zusammenwirken mit dem SFB 129 (Psychotherapeutische Prozesse) und mit Unterstützung der Peter-Klöckner-Stiftung seit 1986 betrieben wird. Psychotherapeutisch orientierte Grundlagenforschung wird in diesem Projekt verknüpft mit Einführungskursen für Studierende der Medizin und Weiterbildungsveranstaltungen für Musik-therapeuten. Hier sind vor allem die Patienten-zentrierten Selbsterfahrungsgruppen für Musiktherapeuten und Ärzte zu erwähnen. Diese letzteren Aktivitäten erfolgen in engem Zusammenwirken mit Kliniken der Universität und klinischen Einrichtungen der Region.

Therapeutisches Musizieren findet statt in der Universitätskinderklinik (Onkologische Station), im Rahmen der Psychiatrischen Ambulanz sowie (unter betont psychotherapeutischen Forschungsaspekten) im Rahmen des SFB 129 (Psychotherapeutische Prozesse) mit Unterstützung der Breuninger-Stiftung. Therapeutisches Musizieren wird von Angehörigen der Universität auch durchgeführt im Altenzentrum Dornstadt sowie mit Behinderten im Rahmen von Freizeitaktivitäten der "Lebenshilfe e.V.".

Folgende Lehrveranstaltungen und Vorträge zum Thema "Medizin und Musik" wurden über mehrere Semester hinweg angeboten und durchgeführt:

Seminare

Semiotische Analyse musiktherapeutischer Prozesse Hypothesen und Theorien der Musiktherapie Einführung in die Musiktherapie
Übungen zur Musiktherapie (insbesondere freie Improvisation) Musik und Mathematik

Vorträge

Die Musiktherapie der Wiener Schule Prof. Dr. Alfred Schmolz, Wien
Der psychoanalytische Ansatz der Musiktherapie Prof. Dr. Wolfgang Schröder, Zwesten

Musikpsychologische Wirkungsforschung
PD. Dr. Heiner Gembris, Akadem. Rat, Augsburg

Musikalität und Hemisphärendominanz Prof. Dr. Godehard Oepen, Freiburg
Spiel und Kreativität
Prof. Dr. Gerd Schäfer, Augsburg

Räumliche Begabung, Kompositionstalent und Geschlecht shormone PD. Dr. Marianne Haßler, Tübingen

Die Ausdrucksdynamik von neurotisch und psychosoma-tisch Erkrankten in der Musiktherapie. Das Lübecker Modell.
Thomas Maler, Med. Universitätsklinik Lübeck, Kulturanthropologe und Musiktherapeut.

Ein herausragendes Beispiel aus der klinischen Praxis unserer Universität möge diese Aufzählung abschließen:
In der klinischen Abteilung der Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Kinderzahnheilkunde (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. R. Mayer) wird seit Jahren erfolgreich "Musik" in Gestalt der Audio-Analgesie angewandt; sie wird von den Patienten sehr gern angenommen. Aus dieser klinischen Praxis ist eine Forschungsarbeit entstanden, die 1987 als Dissertation mit "summa cum laude" bewertet wurde: Jörg Deutscher und Martin Dörner "Subjektives Befinden und objektive Biosignale während zahnärztlich konservierender Behandlung mit Audioanalgesie".

Alle im Abschnitt 6 beispielhaft erwähnten Aktivitäten mögen aufzeigen, daß schon jetzt an unserer Universität in vielfältiger Weise wissenschaftliche Tätigkeit und musisches Handeln eng miteinander verwoben sind. Das Musische Zentrum würde also nicht leer stehen, es wäre schnell mit Leben erfüllt.

Die Einrichtung eines Musischen Zentrums sehen wir in einem engen geistigen und organisatorischen Zusammenhang mit dem Kunstpfad, den die Universität einer Initiative von Prof. Burri verdankt. Hierzu gibt es eine Tonbandniederschrift zu einigen Reden anläßlich der Eröffnung des Instituts für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik am 12. August 1988:

C. Burri: "Ulm wird zur Wissenschaftsstadt im besten Sinne des Wortes, diese Entwicklung machen wir alle mit Begeisterung mit, wir anerkennen dabei den Einsatz und die hohen Verdienste unseres Ministerpräsidenten, Dr. Lothar Späth, und unseres Rektors, Professor Fliedner. Ich selbst hoffe, daß mit der gewaltigen wissenschaftlich-technologischen Entwicklung auch Kunst und Kultur in dieser Stadt mithalten können. Gerade der Ministerpräsident, der Oberbürgermeister und der Rektor, als -be- und anerkannte Kunstliebhaber, sind eigentlich schon Garanten für dieses Anliegen. Wie schön wäre es, wenn auf dem Eselsberg nicht nur eine an den Wochendenden leere Wissenschaftsstadt, sondern auch ein Kunstpark entstehen würde, den die Ulmer Bürger gerne besuchen würden! Vielleicht könnte unser erster Beitrag dafür ein Funke sein."

Ministerpräsident Dr.h.c. L. Späth: "... und das, was mir hier besonders gefällt, ist die eigentliche Idee, nicht nur im engen Maßstab an die Forschung zu denken, sondern auch daran, was denn nun neue Qualitäten darstellen, auch neue Qualitäten für Arbeitsplätze, wie man das Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie auflösen kann. Wie man Humanität auch im Bau verwirklichen kann und, das muß ich einräumen, die zwei Gedanken, neben der Wissenschaft auch noch Kunst hier einzubeziehen und die Ökologie dazu, die Architektur in dieses Spannungsverhältnis Natur/hochentwickelte Technologie zu bringen und dies gewissermaßen im Spannungsverhältnis darzustellen, sich dazu zu bekennen und deshalb diese Wertvorstellungen weiterzuent-wickeln über die reine Technik und Wissenschaft hinaus, ist eigentlich das Faszinierendste. Ich wäre beinahe nach Schluß der Vorrede zu spät ans Rednerpult gekommen, weil ich mir gerade eine Notiz machen wollte, weil ich glaube, mit dem Schlußsatz der Kunst- und Wissenschaftsstadt Ulm ist etwas bei mir festgehakt und der Minister muß eigentlich zum ersten Mal wirklich das Empfinden haben, wie wichtig es ist, Wissenschaft und Kunst in einem Ministerium zu haben. Und der OB, so wie ich ihn kenne, hat im selben Augenblick wie ich sich auch eine geistige Notiz gemacht, daß nämlich die Zuwendung zur Kunst in der Stadt Ulm - und da gibt es viele Initiativen und gute Entwicklungen - daß man da durchaus eine Brücke bauen könnte in diese Wissenschaftsstadt hinein und daß der Gedanke, daß wir am Ende nicht nur eine Wissenschaftsstadt, sondern eine Kunst- und Wissenschaftsstadt Ulm als eine interessante Entwicklung haben, auch dazu könnte ein erster Schritt hier getan sein. Dies ist ein Innovationsprozeß, der, glaube ich, sich gegenseitig ergänzt."

Oberbürgermeister Ludwig: "Nun aber war ein nächster, ein zweiter Schritt schon angesprochen worden. Sie waren es, Herr Professor Burri, der von einer Kunstlandschaft auf dem Oberen Eselsberg sprach, und der Herr Ministerpräsident, clever und schnell in der Auffassung, hat diesen Ball rasch aufgenommen. Warum eigentlich nicht? Ulm ist eine Stadt der Wissenschaft erst seit kurzem, aber Ulm ist eine Stadt der Kunst und Kultur seit Jahrhunderten. Es gibt einen vorzüglichen Boden von Kunst und Kultur in dieser alten Stadt. Warum sollten wir nicht die Anregung rasch aufgreifen und bedenken, wie wir dieser Wissenschaftsstadt auf dem Oberen Eselsberg die kulturelle und die künstlerische Komponente hinzugügen können ... Lassen sie uns gemeinsam, Stadt, Universität und Land, daran denken und lassen Sie uns gemeinsam prüfen, was wir für Kunst und Kultur auf dem Oberen Eselsberg Zusätzliches tun können! "

Die Presse reagierte schnell und positiv, so stand z.B. in der Schwäbischen Zeitung vom 13. August 1988 folgendes:

"Späth mit Burri einig: Ulm soll Stadt der Wissenschaft und der Kunst werden.
Auf dem Oberen Eselsberg soll nicht nur eine Wissenschaftsstadt, sondern auch ein Kunstpark für die Ulmer Bürger entstehen. Diese spontane Idee äußerte gestern Prof. Dr. Caius Burri, Chef der Abteilung Unfallchirurgie an der Universität, bei der Einweihung des von der Burri-Stiftung mit privaten Spenden errichteteten Instituts für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik. Ministerpräsident Lothar Späth, der mit seinem Kurzbesuch in Ulm demonstrativ die Leistung des Stifters würdigen wollte, fing diesen Ball sofort auf und bekräftigte die Absicht der Landesregierung, Ulm zu einer Kunst- und Wissenschaftsstadt zu machen."

Der Plan:

Die Ulmer Uni ist in eine unwahrscheinlich schöne und günstige Landschaft hineingebaut, wobei dem Bauamt mit den Herren Henrich, Foos und Mayer eine landschaftsarchitektonische Meisterleistung gelungen ist, werden doch die Betonbauten von großzügigen ökologischen Flächen umgeben und dies in einer Weise, daß die vielen hundert Autos auf den Parkplätzen kaum sichtbar werden. Diese Leistung ist ganz besonders hoch anzusetzen, die weitere natürliche Umgebung mit Wald und Wiesen wird auch in Zukunft gestatten, eine Kombination zwischen modernen Bauten und Natur zu gestalten, die den Aufenthalt der Beteiligten in der näheren und weiteren Umgebung angenehm gestalten. Der geplante Kunstpfad könnte diese positiven Endrücke verstärken und durch sorgfältige und überlegte Auswahl von guten Plastiken dazu führen, daß das ganze Gebiet zu einem Anziehungspunkt wird.
In der Endphase stellen wir uns den Ausgangspunkt des Plastik-Pfades im Zentrum zwischen Universität I und Universität vor. Hier soll ja auch das Musische Zentrum lokalisiert sein, in dem auch Wechselausstellungen von Bildern veranstaltet werden sollen. Von diesem Ausgangspunkt aus werden sich zwei Schleifen, die erste nach Nordosten, die zweite nach Südwesten um die Uni II in der Form einer 8 schlingen. Entlang von markierten Pfaden sollen Plastiken von renommierten, aber auch von jungen, vielversprechenden Künstlern aufgestellt werden, die in zwei Rundgängen (Nordost-Schleife/Südwest-Schleife) besichtigt werden können.

An Großplastiken sind auf der Nordost-Schleife bereits vorhanden:

Der Poet und seine Muse (Niki de Saint Phalle)
die Landschaftsplastik (Thieler)
das Mobile (Rickey)
eine Steinplastik von Giovanni Vetere
Adam und Eva (Niki de Saint Phalle)
Unifix (Burri)
The screw (Bartl, Burri) und
die Stelen von Max Bill,

Die Ulmer Kunststiftung ist bemüht, in den nächsten beiden Jahren sechs bis zehn Plastiken zu beschaffen, Kontakte und Verhandlungen werden zur Zeit geführt mit Hauser, Tin-guely, Nachi, Volz und der Berliner Gruppe Odious (Plastiker-Gruppe mit sechs Mitgliedern mit bereits hohem Be-kanntheitsgrad).

Es sollen drei bis vier Schwerpunkte in diese Schleife eingefügt werden, einer nördlich der Universitätsbauten, einer im Bereich des Botanischen Gartens, ein weiterer in der Waldnische bei den AN-lnstituten und möglicherweise ein vierter im Süden. Zwischen diesen "Plastik-Zentren" sollen Einzelplastiken zu stehen kommen, so daß ein abwechslungsreicher und hochinteressanter Rundgang entsteht.

Unter Einbezug bedeutender Plastiker werden die beiden Kunstpfade große materielle Belastungen bringen. Die Ulmer Kunststiftung hofft, gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg, der Stadt und der Industrie - möglicherweise mit Mitteln, die für Kunst am Bau vorgesehen sind - das dargestellte Projekt verwirklichen zu können.

Das Rundschreiben des Humboldt-Zentrums, mit dem die Mitglieder der Universität Ulm gebeten wurden, sich zu den Plänen für ein Musisches Zentrum zu äußern, hat zu einem überwältigend positiven Echo geführt. In großer Zahl sind Briefe und Anrufe eingegangen; aus allen Gruppen erreichten uns zustimmende Äußerungen. Eine derartig breite und weitgespannte Bürgerinitiative, mit der ein fachübergreifender Entwicklungsschritt gefordert wird, hat es an unserer Universität noch nicht gegeben.