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Darstellung als Problem und Promotor einer medizinischen Innovation am Beispiel des Stethoskops

Selbst der englische Übersetzer John Forbes kritisierte an René-Théophile-Marie-Hyacinthe Laennecs “De l'auscultation médiate, ou Traité du diagnostic des maladies des poumons et du cœur, fondé principalement sur ce nouveau moyen d'exploration“ (1819) den diffusen, wortreichen und einem wissenschaftlichen Werk völlig unangemessenen Stil. Der moderne Leser ist mehr als geneigt dem zuzustimmen, insbesondere da das Werk unterschiedslos Fallberichte, Krankheitsverläufe, Diagnostik, Obduktionsberichte, Physiologie und zahllose weitere Elemente, nicht zuletzt auch Anekdoten aus dem Leben des Verfassers, zu einem wenig strukturierten Ganzen vermengt. Nur ein ganz geringer Teil des Werkes widmet sich dem Stethoskop und seiner Anwendung in der sogenannten ‚mittelbaren Auskultation‘.

Es ist interessant zu beobachten, dass das zeitgenössische Publikum das Werk – trotz seines Titels – hauptsächlich als eine Abhandlung zur pathologischen Anatomie wahrnahm und nur zu einem geringen Teil als Handbuch zu einer neuen Diagnostik-Methode.

In seiner ersten englischen Übersetzung stellt Forbes das Buch konsequenterweise auch vollständig um, um es unter nicht unerheblichen Kürzungen als das  ‚wiederherzustellen‘ „what I humbly conceive it ought always to have been“.

Der häufigste Kritikpunkt war jedoch die schiere Länge des Werkes, zwei Bände von 470 und 472 Seiten. Bald erschienen Kurzfassungen, sogar eine winzige ‚Westentaschen‘-Ausgabe, und tabellarische Übersichten. Ihre große Anzahl und Varianzbreite lässt auf einen ausgeprägten Bedarf schließen.

Doch nicht alle Kritik bezog sich allein auf die Präsentation. Die neue diagnostische Methode stieß beispielsweise in England auf Ablehnung, „because its whole hue and character is foreign, and opposed to all our habits and associations. “ Sie galt es schwierig zu erlernen, zu mechanistisch und überhaupt unvereinbar mit der alten Kunst der hippokratischen Medizin. Aber all dies verhinderte nicht dass sich das Stethoskop innerhalb weniger Jahrzehnte als unentbehrliches medizinisches Standard-Instrument etablierte und sogar zum neuen Symbol des gesamten Berufsstandes avancierte.

Auf der Basis von Büchern, Presse- und Zeitschriftenartikel sowie weiteren Quellen soll untersucht werden, inwieweit die von Laennec gewählte Art der Präsentation als Inhibitor oder Promotor für den internationalen Erfolg seiner Erfindung wirkte. Der Focus liegt hierbei auf Frankreich, Großbritannien und Deutschland.

 

Projektbearbeiter: 

Dr. Maria Winter, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universität Ulm

Hauptprojekt

 

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