Atemberaubende Beobachtungen:Die schönsten künstlichen Moleküle des 20. Jahrhunderts

Viele Wissenschaftler empfinden die nach dem Architekten Richard Buckminster Fuller genannten Buckminster-Fullerene (C60) als die schönsten Moleküle des 20.. Jahrhunderts, die von Menschenhand hergestellt wurden. Ihre Entdeckung löste im Jahr 1985 eine Forschungswelle aus, die unter anderem zur Entdeckung von Kohlenstoffnanoröhrchen und in jüngster Zeit zur Wiederentdeckung des Graphens führte. All diese Materialien haben das Potential, die Welt um uns herum zu revolutionieren; jedoch, erstaunlicher Weise, geben diese aus Pentagons und Hexagons aufgebauten symmetrischen Moleküle immer noch hinsichtlich ihrer genauen Entstehung den Wissenschaftler viele Rätsel auf. Empirische Beobachtungen zeigen, dass C60 und C70 Fullerene aus Graphit gebildet werden, doch um den genauen Bildungsweg zu rekonstruieren, wurden über die Jahre verschiedene relativ komplizierte Zwischenstufenprozesse angenommen. Letztendlich hat die „Kohlenstoff-Gemeinde“ einen Konsens dahingehend gefunden, dass Graphit unter den gegebenen Bedingungen in sehr kleine Kohlenstofffragmente (wie zum Beispiel  C2) aufgespaltet, die danach sich zu einem Fulleren zusammenfügen. Obwohl diese Ideen sich nun inzwischen durchsetzen, signalisiert die wissenschaftliche Intuition, dass es wohl doch noch einen charmanteren und einfacheren Bildungsmechanismus geben sollte. Unsere neusten Untersuchungen bestätigen dieses.

Bevor kürzlich neuartige Bildfehlerkorrektoren die Auflösung im Transmissionselektronenmikroskop revolutionierten und damit neue Wege zur hochaufgelösten Abbildung von Molekülen, nämlich die Abbildung bei Spannungen unterhalb der Schwelle des Herausschlagens von Atomen durch die schnellen Strahlelektronen ebneten, war die direkte Beobachtung der Bildung von Fullerenen aus Graphit nicht möglich. Mit unserem aberrationskorrigierten Transmissionselektronenmikroskop (TITAN 80-300), das im Jahre 2005 zu den weltweit ersten, mit der neuen Technologie ausgestatteten Mikroskopen gehörte, experimentierten wir bei einer Spannung von 80kV, unterhalb der Zerstörschwelle für das Heraussschlagen von Kohlenstoffatomen (diese ist ca. 90kV). Wir konnten dadurch die einzelnen Kohlenstoffatome auflösen und deren strukturelle Transformation in Videorate verfolgen. Unsere neueste Beobachtung der dynamischen Transformation von Graphen war atemberaubend und vollständig überraschend, da sie unumstößlich zeigte, dass sich geschlossene Fullerene-Moleküle direkt aus einem flachen Stückchen Graphen bilden. Unsere experimentelle Entdeckung an der Universität Ulm konnte durch die quantenchemischen Berechnungen an der Universität Nottingham bestens bestätigt werden und macht klar, dass der Prozess thermodynamisch bestimmt ist

Das Hauptergebnis ist im Video dargestellt (Graphene_TEM_movie.avi in the Supporting Information) und wir hoffen, dass es viele Wissenschaftler in der Physik, den Materialwissenschaften und in der Chemie anspricht.

Prof. Ute Kaiser, ZE Elektronenmikroskopie 

Die Abbildung zeigt die modellmäßige Darstellung der Bildung eines Fullerens aus einem Graphenstück.

 

Nature Chemistry, May 2010

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Prof. Ute Kaiser
ZE Elektronenmikroskopie
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