Er forscht an der Schnittstelle von Psychologie und Biologie zu Stress und Alterung und ist im November zu Gast an der Uni Ulm: Professor Martin Picard von der Columbia University (USA) erhält die Hans Kupczyk-Gastprofessur 2025, die in diesem Jahr in der Abteilung Klinische und Biologische Psychologie angesiedelt ist. Anlässlich der Verleihung der Gastprofessur sprach Picard über Energie als Grundlage menschlicher Gesundheit von Körper und Geist.
Wer unter großem Stress steht, kann schon mal graue Haare bekommen – das ist wissenschaftlich seit Langem erwiesen. Von einer neueren Erkenntnis berichtete Professor Martin Picard vom Columbia University Irving Medical Center, New York, am Dienstag, 18. November, im voll besetzten Senatssaal der Universität Ulm: „Das Ergrauen menschlicher Haare ist umkehrbar.“ Zumindest dann, wenn es sich wie in Picards Fallbeispiel um eine junge, gesunde Studentin handelt, die plötzlich ergraute. Nachdem der Stress bewältigt war, wuchsen ihre Haare wieder in ihrer ursprünglichen Farbe nach. Picards Hypothese: Die Pigmentierung kostet den Körper Energie, die er unter Stress andernorts benötigt. Der aus Kanada stammende Professor für Verhaltensmedizin ist Träger der 35. Hans Kupczyk-Gastprofessur der Universität Ulm, anlässlich deren Verleihung er den Vortrag „A First-Principles Approach to Investigating Human Health: Focus on Energy“ hielt.
Picard hat Neuroimmunologie in Montreal studiert und dort zur mitochondrialen Biologie des Alterns promoviert. Mit seiner Arbeitsgruppe forscht er auf dem noch neuen Feld der Mitochondrialen Psychobiologie und untersucht dabei die Verbindungen zwischen Stress, Energieverbrauch und der Geschwindigkeit von Alterung auf der Zellebene. „Der Unterschied zwischen einem lebenden, atmenden Wesen und einem Kadaver ist der Energiefluss“, erläuterte Martin Picard den Zuhörenden: „Der Alterungsprozess kostet Energie.“ Energie, die innerhalb der Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, aus chemischer in elektrische Energie umgewandelt wird: „Ganz so, als würde man eine Batterie laden.“ Die verfügbare Energie hat großen Einfluss auf unsere Gesundheit: Ist eine Zelle Stress ausgesetzt, braucht sie mehr Energie – die der Körper anderswo einspart, um zu überleben. So steht die Haar-Pigmentierung dann nicht mehr an erster Stelle. Auch Depressionen könnten eine Folge einer solchen Energiespar-Strategie sein. „Wenn wir verstehen, weshalb Haare im Alter ergrauen, könnten wir den Alterungsprozess aufhalten“, ist Professor Picard überzeugt.
Professor Michael Weber, Präsident der Universität Ulm, verlieh Martin Picard die Hans Kupczyk-Gastprofessur, die auf einen Ehrensenator der Universität zurückgeht. Die Laudatio hielt Professorin Iris-Tatjana Kolassa, Leiterin der Abteilung Klinische und Biologische Psychologie am Institut für Psychologie und Pädagogik. Martin Picard sei ein Pionier, der gezeigt habe, wie Mitochondrien stressbedingte Erkrankungen begünstigen und mit dem biologischen Alterungsprozess zusammenhängen. Zudem sei er einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Verbindung zwischen dem Zellstoffwechsel und der menschlichen Psyche. „Martin ist stets zugänglich, enthusiastisch und engagiert hinsichtlich der Weiterentwicklung des Forschungsfelds“, lobte Kolassa. Sein Engagement in der Weiterentwicklung der mitochondrialen Psychobiologie sei inspirierend.
Über die Hans Kupczyk-Gastprofessur
Die Hans Kupczyk-Stiftung an der Universität Ulm fördert Wissenschaft, Bildung und Erziehung. Die Stiftung wurde 1985 durch den Ehrensenator der Uni, Hans Kupczyk, gegründet. Ihre Mittel fließen in die Finanzierung von Gastprofessuren, die jährlich vergeben werden und über die internationalen Forscherinnen und Forschern ein mehrwöchiger Aufenthalt an der Universität Ulm ermöglicht wird. Ziel ist es, Studierenden, Promovierenden und allen wissenschaftlichen Mitarbeitenden die Gelegenheit zu geben, die fachliche Kompetenz des Gastes kennenzulernen und für die eigene wissenschaftliche Weiterentwicklung zu nutzen.
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Christine Liebhardt, Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Mail: christine.liebhardt(at)uni-ulm.de, Tel: (0731) 50 22121.
