32. Verfälschungen, Verwechselungen - Sicherung der Qualität

Das Deutsche Arzneibuch stellt hohe Anforderungen an die Qualität von Pflanzengut, das dem Herstellen von Medikamenten dient.
Die Gefahr der Verunreinigungen pflanzlicher Arzneizubereitungen mit fremdem Pflanzenmaterial ist heute, in einer Zeit, in der Heilpflanzen kaum noch der freien Natur entnommen werden, eher gering. Dennoch: um Restrisiken vorzubeugen, ist eine gründliche Kontrolle unerlässlich.

Ein Beispiel: bevor Teedrogen in die Apotheke gelangen, sind sie gewöhnlich schon einer ersten umfangreichen Qualitätsprüfung unterzogen. Dies geschieht im Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL), einer apothekereigenen Einrichtung. Hier arbeiten Pharmazeuten, die auf die Prüfung von Arzneimitteln und deren Ausgangsstoffen spezialisiert sind. Entspricht die Ware nicht den strengen Anforderungen, so wird sie vom Verkauf ausgeschlossen.
Doch damit nicht genug: in der Apotheke selbst muss jede eintreffende Lose-Tee-Packung noch einmal auf ihren Inhalt hin überprüft werden. Diese doppelte Kontrolle durch Arzneimittelexperten soll das mögliche Risiko von Verwechslungen, Verunreinigungen oder Verfälschungen ausschließen.

Verfälschungen:
Zum Verwechseln ähnlich

Im getrockneten Zustand sind sich manche Pflanzen zum Verwechseln ähnlich. Einige, die selbstverständlich auch in jeder Apotheke geprüft werden, wollen wir hier vorstellen.

Eingriffeliger Weißdorn - Crataegus monogyna
Eingriffeliger Weißdorn (Crataegus monogyna)

Weißdornblätter mit Blüten, die bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens mit Erfolg eingesetzt werden, können mit den ähnlichen, aber unwirksamen Blüten der Schlehe verfälscht sein. Es gibt eine einfache Methode, dies zu erkennen: Durch Zusatz einer speziellen Chemikalie (Chloralhydrat) färben sich nur bei den Weißdornblüten bestimmte Bereiche rot!

Schwarzdorn, Schlehe - Prunus spinosa
Schwarzdorn, Schlehe (Prunus spinosa)
Schwarzer Holunder - Sambucus nigra
Schwarzer Holunder (Sambucus nigra)

Selten werden die Blüten des Schwarzen Holunders, die in Form eines schweißtreibenden Tees bei Erkältungserkrankungen beliebt sind, mit den Blüten des Attichs oder Zwergholunders (Sambucus ebulus) verwechselt. Nach Genuss der schwarzen Beeren des Zwergholunders soll es zu Vergiftungen gekommen sein. Ob die Verwechselung der Blüten beider Pflanzen gefährlich sein kann, ist nicht bekannt.

Zwerg-Holunder - Sambucus ebulus
Zwerg-Holunder (Sambucus ebulus)
Wermut - Artemisia absinthium
Wermut (Artemisia absinthium)

Wermutkraut, das als Tee aufgrund der reichlich vorhandenen Bitterstoffe unter anderem zur Appetitanregung verwendet wird, kann gelegentlich mit dem weniger wirksamen Beifußkraut verunreinigt sein. Die ähnlich gestalteten Blätter des Gemeinen Beifußes sind jedoch nur unterseits behaart!

Beifuß - Artemisia vulgaris
Beifuß (Artemisia vulgaris)
Echte Kamille - Matricaria chamomilla
Echte Kamille (Matricaria chamomilla)

Die Echte Kamille mit ihrem charakteristischen hohlen und gewölbten Blütenkopf ist eine der bestuntersuchten und vielseitigsten Heilpflanzen unseres Arzneischatzes. Bei der äußerlichen Anwendung hat sie zusätzlich den Vorteil, dass es, im Gegensatz zu allen anderen Kamillenarten, nur sehr selten zu Kontaktallergien kommt. Die Geruchlose oder Falsche Kamille ist eine von vielen möglichen und des öfteren vorkommenden Verfälschungen von echten Kamillenblüten.

Geruchlose Kamille - Tripleurospermum inodorum
Geruchlose Kamille (Tripleurosp. inodorum)
Gelber Enzian - Gentiana lutea
Gelber Enzian (Gentiana lutea)

Bevor die Enziane unter Naturschutz gestellt wurden, grub man die Wurzel des Gelben Enzians auf den Bergwiesen aus. Dabei kam es zu tragischen Verwechslungen mit den hochgiftigen Wurzeln des Weißen Germer, dessen Blätter auf den ersten Blick recht ähnlich aussehen. Beide Arten sind jedoch leicht an der jeweils typischen Blattstellung zu unterscheiden: Der Weiße Germer hat wechselständige Blätter (nur ein Blatt an einem Sprossknoten); beim Gelben Enzian sind diese gegenständig abgeordnet (zwei Blätter stehen sich an einem Knoten gegenüber).

Weißer Germer - Veratrum album
Weißer Germer (Veratrum album)
Tüpfel-Johanniskraut - Hypericum perforatum
Tüpfel-Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Etwa 20 Johanniskrautarten sind im europäischen Raum bekannt. Nur die Wirkungen des Tüpfel-Johanniskrautes (Hypericum perforatum) sind wissenschaftlich belegt. Dem Tüpfel-Johanniskraut besonders ähnlich ist das Gefleckte Johanniskraut (Hypericum maculatum), das wie Hypericum perforatum dunkle Punkte auf Blättern und Blüten aufweist. Die charakteristischen durchscheinenden Ölbehälter von Hypericum perforatum, die das Blatt im Gegenlicht „perforiert” erscheinen lassen, fehlen dieser typischen Verfälschung jedoch.

Geflecktes Johanniskraut - Hypericum maculatum
Geflecktes Johanniskraut (Hypericum mac.)
Bleicher Sonnenhut - Echinacea pallida
Bleicher Sonnenhut (Echinacea pallida)

Sehr schwer voneinander zu unterscheiden sind die Wurzeln des Bleichen und des Schmalblättrigen Sonnenhutes. Im Fall der Monographie des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (heute Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) hat diese Tatsache sogar dazugeführt, dass für den Schmalblättrigen Sonnenhut keine Positiv-Beurteilung erteilt wurde. Sehr wahrscheinlich sind nämlich Untersuchungen, die die Wirksamkeit der Pflanze bei der Steigerung der Abwehrkräfte belegen, nicht mit der Wurzel des Schmalblättrigen, sondern mit der des Bleichen Sonnenhutes durchgeführt worden!

Schmalblättriger Sonnenhut - Echinacea angustifolia
Schmalblättriger Sonnenhut (Echinacea ang.)
Breitwegerich - Plantago major
Breitwegerich (Plantago major)

Es ist wissenschaftlich nicht geklärt, ob das Kraut des Breiten Wegerichs bei Husten oder bei der Anwendung im Mund- und Rachenraum weniger wirksam ist als das des Spitzwegerichs. Spitzwegerichkraut aber ist eine sogenannte „offizinelle Droge”, d. h. sie ist in den Arzneibüchern beschrieben und wird traditionell, mit belegbarer Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, bei den genannten Indikationen angewandt. Das Kraut des Breiten Wegerichs ist deshalb eine Verfälschung des „offizinellen” Spitzwegerichkrautes.

Spitzwegerich - Plantago lanceolata
Spitzwegerich (Plantago lanceolata)
Anis - Pimpinella anisum
Anis (Pimpinella anisum)

Die Früchte des Anis sind u. a. ein beliebtes Mittel gegen Blähungen. Wenn auch nur sehr
selten, so sind doch Verunreinigungen mit den giftigen Früchten des gefleckten Schierlings
beobachtet worden. Eine gewissenhafte Kontrolle ist hier unerlässlich! Schierlings-Früchte sind deutlich an den gewellten Rippen im oberen Teil der Frucht zu erkennen.

Schierling - Conium maculatum
Schierling (Conium maculatum)
Acker-Schachtelhalm - Equisetum arvense
Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense)

Auch heute noch häufig ist die Verfälschung des Ackerschachtelhalmkrautes (Zinnkraut) mit
dem Kraut des Sumpfschachtelhalmes. Der Sumpfschachtelhalm enthält aber giftige Alkaloide (Palustrin), so dass diese Verfälschung durchaus gefährlich sein kann. Die beiden Kräuter lassen sich z. B. an unterschiedlich ausgebildeten Höckern der Epidermis (Zellhaut) der Stängel mikroskopisch unterscheiden.

Sumpf-Schachtelhalm - Equisetum palustre
Sumpf-Schachtelhalm (Equisetum palustre)