Die Nachrichten der Forschungsgruppe Mensch-Computer-Interaktion

Glückwunsch zur Dissertation an Steffen Maurer

Universität Ulm

Freitag, 28.01.2022, 13:00 Uhr | Videokonferenz

Steffen Maurer, externer Promovend der Forschungsgruppe Mensch-Computer-Interaktion, hat seine Dissertation unter dem Titel Guardian Angel - A driver-vehicle interaction for oversteering the driver in a highly automated vehicle verteidigt. Ihn begutachteten Prof. Dr. Enrico Rukzio (Medieninformatik, Universität Ulm), Prof. Dr. Bastian Pfleging (TU Bergakademie Freiberg), als Wahlmitglieder Prof. Dr. Martin Baumann und Prof. Dr. Anke Huckauf (beide Univeristät Ulm), sowie als weiteres Mitglied in der Prüfungskommission Prof. Dr. Jacobo Torán (Vorsitz und Protokoll).

Wir gratulieren herzlich!

 

Zusammenfassung

Das Aufkommen von Technologien für automatisiertes Fahren und die ständige Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Fahrzeuge eröffnet immer neue Möglichkeiten automatisiertes Fahren in immer mehr Situationen einsetzen zu können. Diese Entwicklung wird hoffentlich stark dazu beitragen, die Zahl der Toten und Verunglückten im Straßenverkehr zu senken.
Automatisierte Systeme gibt es schon seit vielen Jahren in anderen Transportsystemen, beispielsweise in Flugzeugen. Die Fähigkeiten der Systeme erlauben eine kontinuierliche Überwachung der aktuellen Situation und der Eingaben des menschlichen Bedieners. Erkennt die Automatisierung falsche Eingaben oder eine gefährliche Situation, so kann sie die Kontrolle übernehmen, um einen Unfall zu verhindern, sogar wenn das System dazu den Mensch übersteuern muss.
Bis autonomes Fahren möglich ist, wird es immer Situationen geben, in denen der menschliche Fahrer die Steuerung übernehmen kann oder sogar muss. Dies bedeutet auch, dass es für den Menschen möglich sein wird Fehler zu machen oder eine Situation falsch einzuschätzen. Ein automatisiertes System, dass in so einem Fall die Kontrolle übernehmen kann, könnte als Schutzengel Schlimmeres verhindern. 

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine Taxonomie entwickelt, die die aktuellen Assistenzsysteme und Technologien klassifiziert und dabei das Fehlen einer Schutzengelfunktion im Automobilbereich aufzeigt.
Eine erste Simulatorstudie liefert ein generelles Konzept ob eine solche Funktion überhaupt akzeptiert würde und wie die zugehörige Benutzerschnittstelle aussehen müsste. In dieser Studie wurden die Probanden mit einer kritischen und einer unkritischen Situation konfrontiert, in denen die Schutzengelfunktion die Kontrolle über das Fahrzeug übernommen hat. Qualitative und quantitative Untersuchungen und eine ethische Betrachtung liefern uneindeutige Ergebnisse. Während die meisten Probanden einen Eingriff in der kritischen Situation tolerieren und gutheißen, ist nur die Hälfte gewillt, dies auch in einer unkritischen Situation, zum Beispiel zur Vermeidung eines Umweges, zu akzeptieren. Eine Betrachtung zum Thema Ethik findet hier zudem offene Fragen bezüglich der Autonomie des Fahrers und vor allem ein sehr uneinheitliches Bild der Autonomiewahrnehmung der Probanden.
Um ein besseres Verständnis über die Art der Situationen zu erlangen, in denen der menschliche Fahrer einen Systemeingriff tolerieren würde, wurde eine Studie entwickelt, die dies mit Hilfe von Gamification untersucht. In der Studie mussten die Probanden als Schutzengelfunktion agieren und falls sie es für nötig erachteten, dem (simulierten) Fahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug entziehen. Dieser Perspektivenwechsel sollte eine Selbstüberschätzung des Fahrkönnens der Probanden verhindern.
Die Resultate der vorangegangenen Studien werden in einer Abschlussstudie im Fahrsimulator kombiniert, um die Schutzengelfunktion in Situationen zu testen, die in der Gamification-Studie ermittelt wurden. Die Resultate bestätigen eine hohe Akzeptanz einer solchen Funktion in gefährlichen Situationen. Die Akzeptanz in unkritischen Situationen hängt mit der Selbsteinschätzung des Fahrkönnens des Probanden ab und korreliert signifikant mit der Aggressivität des Probanden beim Autofahren.
Im öffentlich geförderten Forschungsprojekt KoFFI (Kooperative Fahrer-Fahrzeug-Interaktion) wurde ebenfalls im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Softwarearchitektur entwickelt und umgesetzt. In die Architektur integriert ist ein Mechanismus, der die aktuelle Fahrsituation überwacht und als Schutzengel eingreifen kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein automatisiertes System, dass in kritischen Situationen den menschlichen Fahrer übersteuern kann, um Unfälle zu verhindern, als Schutzengel funktioniert. Es wird auch als solches wahrgenommen, aber kann in weniger kritischen Situationen auch als übervorsichtiger Beschützer zu Frustration bei den Fahrenden führen, da diese sich unnötigerweise bevormundet sehen.