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Das Mittagessen mit dem Smartphone knipsen
Foto-Methode erleichtert Ernährungsdokumentation

Ulm University

Du bist, was du isst – diese „Binsenweisheit“ trifft in besonderem Maße auf Mukoviszidose- Patientinnen und -Patienten zu. Die angeborene Stoffwechselkrankheit lässt sich nämlich durch eine ausgewogene, kalorienreiche Ernährung positiv beeinflussen. Neben zahlreichen anderen Therapien müssen Betroffene deshalb in regelmäßigen Abständen schriftliche Ernährungsprotokolle führen, die als äußerst zeitraubend empfunden werden.
Warum sollten die Patienten also nicht einfach mit dem Smartphone fotografieren, was sie über den Tag verteilt zu sich nehmen? Genau diese Form der Ernährungsdokumentation wird am Ulmer Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie im Zuge der Studie „Nutris-Phone“ (Nutritional Tracking Information Smartphone) getestet.
Nach einem Probelauf mit gesunden Teilnehmern sollen nun Jugendliche und junge Erwachsene mit Mukoviszidose die Fotodokumentation im Alltag anwenden.

Spaghetti Bolognese, Salat und dazu eine Apfelschorle – mit einem Klick fotografiert die Studentin ihr Mittagessen in der Mensa. Wie diese Probandin haben insgesamt 75 junge Menschen (Durchschnittsalter: 23 Jahre) ihre Essgewohnheiten an zwei Werktagen und an einem Wochenendtag mit dem Smartphone dokumentiert. Im Studienverlauf schickten sie mehr als 2000 Bilder an das Team um die Ernährungswissenschaftlerin Nicole Scheuing. „Mit einem Food Atlas des Max Rubner Instituts in Karlsruhe, den wir individuell erweitert haben, konnten wir die abgebildeten Nahrungsmittel identifizieren und Portionsgrößen einschätzen. Dank einer Ernährungssoftware haben wir dann bestimmt, wie viele Kalorien, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Vitamine, wie viel Eiweiß und Fett eine Person am Tag zu sich genommen hat“, erklärt die Studienleiterin Scheuing. Bei den fotografierten Lebensmitteln habe die Erkennungsrate bei erfreulichen 90 Prozent gelegen. Und das, obwohl auch exotische Gerichte wie Couscous oder Sushi abgebildet waren – im Zweifel musste per Mail bei den Studienteilnehmern nachgefragt werden bis alle Lebensmittel erkannt waren. Fotos von Fast Food oder Alkohol lassen darauf schließen, dass nicht nur besonders ernährungsbewusste Personen an der Studie teilgenommen haben. Die Probanden (65% weiblich) waren übrigens über Aushänge und Rundmails an der Universität Ulm rekrutiert worden.

Hohe Zufriedenheit mit der Foto-Methode

Aber wie genau ist die Methode, und wie gut kommt sie bei den Nutzern an? Um das herauszufinden, haben 69 Versuchspersonen an einem Tag zusätzlich ein Wiegeprotokoll angefertigt. Dabei mussten alle Bestandteile einer Mahlzeit einzeln mit einer digitalen Küchenwaage abgewogen und das Gewicht der Nahrungsmittel aufgeschrieben werden. In der anschließenden Befragung gaben 86 Prozent der Studienteilnehmer an, die Fotohandy-Methode dem Wiegeprotokoll vorzuziehen (trifft voll zu/trifft eher zu). „Außerdem ist davon auszugehen, dass die Bilddokumentation Ernährungsgewohnheiten realistischer abbildet und über einen längeren Zeitraum toleriert wird. Kinder und Jugendliche - die ja oft technikaffin sind - sind weniger auf die Hilfe Erwachsener angewiesen“, erläutert Scheuing. Teile der Studie hat die Doktorandin bereits bei Tagungen vorgestellt.

Die Auswertung der Testphase – zum Beispiel in punkto Genauigkeit der Methode – läuft noch, doch schon jetzt ist klar: Die Anwendbarkeit von Nutris-Phone soll an Mukoviszidose-Patienten überprüft werden. Seit Mai suchen die Ulmer Wissenschaftler nach Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die an einer weiteren Studie teilnehmen möchten. Wie bei dem Testlauf mit gesunden Personen ist der Datenschutz gewährleistet: Sobald die Lebensmittel identifiziert sind, werden alle personenbezogenen Daten, die mit den Bilddateien verknüpft sind, gelöscht.
Neben Nicole Scheuing wirken vor allem Professor Reinhard Holl und die angehende Medizinerinnen Annamarie Wilder und Angelika Schiller an den Erhebungen mit.

Für die aktuelle Studie werden noch Patientinnen und Patienten (Mindestalter 11 Jahre) mit Mukoviszidose gesucht. Außerdem sollen Patienten mit Diabetes und Adipositas die Fotodokumentation testen.
Anmeldung und weitere Informationen bei Frau Scheuing, Dipl.-Ernährungswissenschaftlerin: Tel.: 0731/5025353, nutrisphone@uni-ulm.de

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Zum Hintergrund

Mukoviszidose (Zystische Fibrose) ist eine erblich bedingte Stoffwechselstörung, die bislang nicht heilbar ist. Die Erkrankung wird bei einem von etwa 2500 Neugeborenen diagnostiziert und beruht auf einer Mutation des so genannten CFTR-Gens.  Die Stoffwechselstörung führt zur Produktion eines zähen Sekrets, das vor allem die Funktion von Lunge und Bauchspeicheldrüse beeinträchtigt. Infolgedessen kommt es zu häufigen Atemwegsinfektionen und gegebenenfalls Verdauungsstörungen. Kinder fallen oft durch eine verzögerte Entwicklung auf. Therapeutische Maßnahmen reichen von der Physiotherapie und Atemschulung bis zur Lungentransplantation. Außerdem ist eine Ernährungs- und Gewichtskontrolle von Bedeutung. Die Lebenserwartung von Mukoviszidose-Patienten  hat sich in den letzten Jahren dramatisch verbessert.

Zur Person
Nicole Scheuing (Jahrgang 1987) hat an der Universität Hohenheim Ernährungswissenschaften studiert und ist seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie an der Uni Ulm. Für ihre wissenschaftliche Arbeit zum Thema Parkinson bei Typ 2 Diabetes ist sie von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft mit dem Silvia-King-Preis ausgezeichnet worden. In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass die diabetische Stoffwechseleinstellung bei Typ 2 Diabetes-Patienten mit Parkinson besser ist als bei Personen ohne zusätzliche Parkinsonerkrankung. Allerdings haben Patienten mit Typ 2 Diabetes und Parkinson ein höheres Risiko für Demenzerkrankungen sowie Bluthochdruck, erleiden häufiger einen Schlaganfall und sind öfter im Krankenhaus.
Mit dem Silvia-King-Preis werden jüngere Wissenschaftler geehrt, die erfolgreich auf dem Gebiet klinische Diabetologie forschen.


Verantwortlich: Annika Bingmann