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Entdeckung eines natürlichen HIV-Hemmstoffs könnte zu einer neuen Klasse von AIDS-Medikamenten führen

Ulm University

Eine aktuelle Studie, die von Forschern aus Ulm und Hannover durchgeführt wurde, hat zur Entdeckung eines natürlichen Wirkstoffs im menschlichen Blut geführt, der die Infektion von HIV-1, dem Haupterreger von AIDS, blockiert. Dieser Hemmstoff könnte einerseits HIV-1 Infizierten helfen, die Virusvermehrung zu kontrollieren und anderseits – weil es einen anderen Wirkmechanismus als gängige AIDS Medikamente hat –zur Entwicklung einer neuen Klasse von Verbindungen zur Bekämpfung von AIDS führen, berichteten die Wissenschaftler in der am 20. April erschienen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Cell.

Das Forscherteam zeigt in dieser Studie, dass ein natürlich vorkommendes 20 Aminosäurereste umfassendes Fragment eines in großen Mengen im Blut zirkulierenden Eiweißes (alpha-1-Antitrypsin) den Eintritt von HIV-1 in die Wirtszelle blockiert. Weiterhin fanden sie, dass einige wenige Aminosäureaustausche in der Sequenz dieses Peptides, als VIRIP (VIRus-Inhibitorisches-Peptid) bezeichnet, die Wirksamkeit gegen HIV-1 um etwa das 100-fache steigern. Aufgrund des neuartigen Wirkmechanismus blockieren VIRIP und seine Derivate auch HIV-1 Varianten, die gegen andere Hemmstoffe resistent sind. „Die ist ein großer Vorteil und macht VIRIP sehr interessant für die klinische Weiterentwicklung“, sagt der Seniorautor der Studie Prof. Frank Kirchhoff vom Universitätsklinikum Ulm.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leben derzeit etwa 40 Millionen Menschen weltweit mit HIV/AIDS, davon mehr als 2 Millionen Kinder. Etwa 20 Millionen HIV-Infizierte sind seit Beginn der Pandemie an AIDS verstorben. Derzeit sind etwa 20 Medikamente zur Therapie von HIV/AIDS zugelassen.  Allerdings gehören diese lediglich vier unterschiedlichen Kategorien an und die Entwicklung von Resistenzen gegenüber einem Medikament führt häufig dazu, dass auch andere Therapeutika der gleichen Kategorie unwirksam gegen HIV werden „Da die Häufigkeit multi-resistenter HIV-1 Varianten zumindest in den Industrieländern stark zunimmt, ist es sehr wichtig, weitere Klassen von Medikamenten zu entwickeln“ berichtet der Erstautor der Arbeit, Prof. Jan Münch.

Die Strategie der Forschergruppe zur Endeckung neuer Hemmstoffe basierte auf früheren Beobachtungen, die zeigten, dass im menschlichen Blut eine Vielzahl von Verbindungen vorhanden sind, welche die Vermehrung von HIV-1 beeinflussen können. Prof. Wolf-Georg Forssmann und seine Mitarbeiter aus Hannover haben sich darauf spezialisiert, aus tausenden Litern Hämofiltrat, welches bei der Blutdialyse von Patienten mit Nierenversagen in sehr großen Mengen anfällt, bioaktive Peptide zu isolieren.  Die Untersuchung einer solchen „Peptidbank“, die etwa 300 Fraktionen und mehr als 1 Million unterschiedliche Peptide enthält, zeigte, dass eine Fraktion HIV-1 blockiert, ohne die Wirtszellen zu schädigen.

Weitere Untersuchungen führten dann zur Identifizierung von VIRIP als aktive Komponente. Anschließen wurden mehr als 600 synthetische Varianten von VIRIP getestet und einige Formen identifiziert, welche die HIV-1 Infektion etwa 100-fach besser blockieren als das ursprüngliche Peptid.  Es gelang Herrn Prof. Münch herauszufinden, dass VIRIP das Virus durch einen neuartigen Mechanismus blockiert und an eine hoch konservierte Region im viralen Hüllprotein bindet, die als Fusionspeptid bezeichnet wird.  Dieses wird beim Infektionsvorgang in der Zellmembran verankert und vermittelt dadurch den ersten direkten Kontakt zwischen Viruspartikel und Wirtszelle.  VIRIP verhindert somit die Verschmelzung des Virus mit der Zielzelle und blockiert dadurch die HIV Infektion.

Da das Fusionspeptid im Vergleich zu anderen viralen Domänen Veränderungen kaum toleriert  ist, sollte die Entwicklung von Resistenzen gegen VIRIP und seinen Derivate erschwert sein.  Aufgrund der breiten antiretroviralen Aktivität und des neuartigen Wirkmechanismus könnte die klinische Weiterentwicklung dieses neu entdeckten Hemmstoffs die Therapieoptionen gegen HIV/AIDS verbessern.

Nähere Informationen:
Wolf-Georg Forssmann, IPF PharmaCeuticals GmbH, Medizinische Hochschule Hannover
Frank Kirchhoff, Universität Ulm