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Forschung zur Finanzkrise im endlosen Sommer
Rolle der Ratingagenturen kritisch beleuchtet

Ulm University

Das Projekt „endless summer“ (Sommer ohne Ende) hat Roger Bowden von der Victoria University in Wellington, Neuseeland, in diesem Jahr erneut nach Ulm verschlagen. „Wie in dem Surferfilm aus den 1960er Jahren folge ich dem Sommer um den ganzen Globus. Zudem reizen mich natürlich die interessanten Forschungsschwerpunkte an der Universität Ulm“, erklärt der renommierte Ökonom mit einem verschmitzten Lächeln. In diesem Jahr ist er von Ende Juni bis Mitte August Gast des Juniorprofessors Peter Posch am Institut für Finanzwirtschaft.

Gemeinsam suchen sie nach einem modellhaften Finanzsystem, das ohne Bürokratieapparate auskommt und sich bestenfalls selbst reguliert. Dabei seien zuverlässige Informationskanäle besonders wichtig: „In der Finanzkrise spielen Ratingagenturen eine große, wenn auch zweifelhafte Rolle. Ihre Urteile werden für bare Münze genommen, obwohl oft nicht klar ist, auf welchen Informationen sie basieren“, erklärt Bowden. „Unserer Meinung nach sollte ein zweistufiges System für Ratings eingeführt werden: registrierte Einschätzungen und unregistrierte.“ Im Fall einer Registrierung stünde die Agentur für ihr Rating gerade, bei groben Fehlern könne sie sogar ihr Honorar verlieren. Auf diese Weise würden registrierte Ratings an Glaubwürdigkeit gewinnen. Im letzten Jahr haben Posch und Bowden bereits einen Vorschlag zur nachhaltigen Bonusberechnung im Bankenbereich erarbeitet und veröffentlicht.

Seinen Aufenthalt in Ulm hat Roger Bowden weiterhin genutzt, um den europäischen Markt für Kohlendioxidemissionen zu studieren. „Ich frage mich, wie man auf diesem abstrakten Markt einheitliche Standards schaffen kann und bin gespannt, ob er überlebt oder sogar wächst“, merkt der Professor an.
In diesem Jahr hat der Neuseeländer keine Seminare gegeben. Von den Ulmer Studierenden ist er dennoch angetan, beschreibt sie als interessiert und im Durchschnitt besser als in angelsächsischen Ländern. „Allerdings brauchen sie immer etwas Zeit um mit meinem Humor umzugehen.“ Die Bologna-Reform sieht Bowden, der in Australien und Neuseeland Studiengänge aufgebaut und reformiert hat, positiv. „Bei Diplomstudiengängen mussten sich die Studierenden zu schnell festlegen, nach dem Bachelor haben sie jetzt die Möglichkeit, sich anderweitig zu orientieren.“ Peter Posch ist von seinem Gast begeistert und würde sich freuen, den renommierten Ökonomen auch im nächsten Jahr in Ulm begrüßen zu dürfen: "Der Forschungsaufenthalt von Roger Bowden ist ein Glücksfall für die Fakultät. Wir haben viele ergiebige Diskussionen geführt und profitieren von Rogers Bekanntheitsgrad in Wissenschaft und Praxis. So werden die von uns erarbeiteten Vorschläge derzeit von allen relevanten Regulierungsbehörden diskutiert.“

Roger Bowden hat Mathematik und Ökonometrie in Auckland, Neuseeland studiert und in Manchester im Bereich Volkswirtschaftslehre promoviert. Einige seiner vielfältigen Forschungsschwerpunkte sind Internationaler Handel, Makroökonomie, Entwicklungsökonomie, Risiko-Management im Finanzsektor und Wirtschaftspolitik.  Forschungsaufenthalte (und natürlich die Suche nach dem ewigen Sommer) haben ihn unter anderem an die University of California in Berkeley, die University of British Columbia, die chinesische Xiamen Universität sowie an diverse australische Hochschulen und europäische Forschungseinrichtungen geführt. Bowden berät die neuseeländische Regierung und Wirtschaftsunternehmen, außerdem ist er Mitglied des Nominierungskomitees für den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften. Der umtriebige Professor hat zudem zahlreiche Zeitschriften und Bücher in den Bereichen Ökonomie, Ökonometrie, Finanzwesen, Managementlehre, Statistik und Recht herausgegeben. Informative und humorvolle Beiträge aus seiner Feder werden regelmäßig in angelsächsischen Medien veröffentlicht.

 

Von Annika Bingmann