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Neue Mathematik-Professorin an der Uni Ulm

Ulm University

Irene Bouw: Abstraktes Denkvermögen wichtiger als schulische Vorkenntnisse

Für das zurückliegende Wintersemester war ihr bereits die Professurvertretung für Algebra und Diskrete Mathematik am Institut für Reine Mathematik der Universität Ulm übertragen worden, dieser Tage nun ist sie zur Professorin ernannt worden: Dr. Irene Bouw, Jahrgang 1968 und jüngste Professorin ihrer Fakultät.
Jeans, Pullover, Lederjacke, ein sportliches Rucksäckchen – auf den ersten Blick entspricht die Wissenschaftlerin nicht unbedingt Klischeevorstellungen, außerhalb des Hörsaals zumal und als Vertreterin eines Faches, das als eines der „harten“ gilt.
Der unauffällige Auftritt geht einher mit einem sehr zurückhaltenden Naturell der Professorin, die aus der Gegend von Utrecht stammt und an der dortigen Universität auch ihr Diplom erworben hat. Ebenso leise wie bescheiden erklärt die Mathematikerin ihre durch eine Reihe bemerkenswerter Auslandsaufenthalte geprägte Biografie: „Holland ist klein“, sagt sie, „und so muss man sich eben verstärkt im Ausland umsehen“. Das hat sie sich in der Tat. Über Padua, die University of Pennsylvania (USA) und das Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn führte sie ihr wissenschaftlicher Werdegang nach Paris, an die Universität Duisburg-Essen und zuletzt an die Universität Düsseldorf. Forschungsaufenthalte absolvierte sie in Budapest, Bordeaux, Lille, Berkeley und Montreal.
Und jetzt also Ulm. „Ich bin glücklich hier“, lässt Irene Bouw durchblicken. Sie sei hier sehr gut aufgenommen worden und so ganz neu sei das Umfeld hier für sie ja nicht gewesen: „Mein Ehemann hat in Ulm im vergangenen Jahr eine Professur vertreten und ich kannte schon viele Leute.“ Unabhängig davon: Eine gewisse Rolle, vermutet die Professorin, habe beim Einleben auch der Faktor Frau gespielt: „So fällt man eher auf und genießt etwas mehr Aufmerksamkeit.“ Andererseits sei die Fakultät relativ klein und jeder Neue sofort bekannt.
Dabei ist Professorin Bouw zufolge das weibliche Element in der Mathematik so ungewöhnlich nicht. „Die Anzahl der Professorinnen ist hier deutlich gestiegen und verglichen mit den Ingenieurwissenschaften oder der Physik sind es sogar relativ viele.“ In anderen Ländern allerdings sei ihre Zahl noch größer. Unbestritten aber sei der Anteil der Studentinnen niedriger.
Was den Mathematik-Nachwuchs insgesamt betreffe, zieht sie für ihr erstes Ulmer Semester eine ungewöhnliche Bilanz: „Die Studenten sind hier ganz anders als in Düsseldorf, vor allem engagierter und kommunikativer.“ Es gebe mehr Interaktion und „sie lassen es merken, wenn sie etwas schwierig finden“. Irgendwie seien es „andere Typen und vielleicht auch eine homogenere Gruppe“. Beeindruck habe sie zudem, „wie sich die Studenten hier organisiert haben“. Dabei habe sie bisher nur für die Mathematik und Wirtschaftsmathematik gelehrt, ab Herbst werde sie das auch für die Physik und Elektrotechnik tun.
Im Promotionskolleg allerdings seien diese Studiengänge ja vertreten und die Informatik dazu. „Eine schöne Kombination“, sagt Professorin Bouw, „und die Zusammenarbeit hier funktioniert sehr gut.“ Sie selbst betreut derzeit drei Doktoranden, zwei davon im Promotionskolleg.
Als Spezialgebiete, die sie in die Lehre einbringe und auf denen sie weiter intensiv forschen möchte, nennt die Wissenschaftlerin die arithmetische algebraische Geometrie, die Galois-Theorie, Kurven in positiver Charakteristik mit vielen Punkten, Anwendungen in der Codierungstheorie und Billards. Mithin weitgehend artverwandte Fachgebiete, aber mit höchst unterschiedlichen Facetten und Anwendungen. Darunter auch ganz konkreten. Auf der algebraischen Geometrie etwa, einem abstrakten Zweig der Mathematik, basieren Kryptografie und Codierungstheorie, letztere unter anderem genutzt für die Kommunikation mit Satelliten im Weltraum oder für das Speichern von Daten auf einer CD. Wobei Codierungstheorie, ein Instrument zur Vermeidung von Informationsverlusten bei der Datenübertragung, und Kryptografie, die Verschlüsselung von Informationen, zum Teil auf den gleichen algebraischen Kurven, jedoch unterschiedlichen Verfahren basieren.
„Hier gibt es noch viel Neues zu entdecken“, schwärmt Irene Bouw, ganz neue mathematische Fragestellungen ebenso wie potenzielle Anwendungen. Ein breites Feld insofern für „neue Impulse aus der Mathematik“, so die Wissenschaftlerin, die neben ihrer Heimatsprache, Deutsch und Englisch auch Französisch und Italienisch beherrscht. Die zudem, ungeachtet mancher Unterschiede zwischen Ulm und Düsseldorf, inzwischen festgestellt hat: „Viele Studenten kommen, was die Mathematik betrifft, mit falschen Vorstellungen an die Uni.“ Viel wichtiger als schulische Vorkenntnisse nämlich sei abstraktes Denkvermögen, offen sein für eine ganz neue Welt.“ Dies müssten Oberstufen-Lehrer ihren Schülern besser vermitteln. Sie jedenfalls habe schon häufiger erlebt, dass selbst gute Mathe-Schüler den Anforderungen der Uni nicht gewachsen waren. „Abstraktes Denken“, so ihre These, „muss man im ersten Semester lernen“. Auch dabei sehe sie für sich „eine wichtige Aufgabe“.
Nicht nur deswegen freilich stellt Professorin Bouw nach ihrem ersten Semester in Ulm fest: „Es gab viel zu tun.“ Die Freizeit indes sei knapp bemessen gewesen, hin und wieder wenigstens genutzt zum „Radeln und Wandern in der Gegend“. Für ihr bevorzugtes Hobby dagegen sei schon jahreszeitlich bedingt wenig Gelegenheit geblieben: Die Gartenarbeit.

Weitere Informationen: Frau Prof. Dr. Irene Bouw, Tel. 0731/50-23567