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Von Roboter-Ärzten, Cyborg-Patienten und Eizellen für die Zukunft
Medizin-Ethiker tagen zur Technisierung der Medizin

Ulm University

Robo-Docs operieren in technisch hochgerüsteten Operationssälen, auf Intensivstationen werden Vitalfunktionen automatisch überwacht und die maschinell unterstützte Pflege spart Zeit. In der Medizin rückt die Technik dem Menschen immer stärker auf den Leib - nicht zuletzt mit Transplantaten, Implantaten und Prothesen.

Der technische Fortschritt in der Medizin vergrößert Heilungschancen beträchtlich, birgt aber auch Gefahren einer zunehmenden Entfremdung und Entmenschlichung. Bei der Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM), die vom 9. bis zum 11. Oktober an der Universität Ulm stattfindet, geht es daher um die "Technisierung der Medizin als ethische Herausforderung".

 "Nicht nur in der ärztlichen Versorgung und Pflege schreitet die Technisierung voran. Mit Hochtechnologie-Prothesen und künstlichen Implantaten dringt die Technik förmlich in unsere Körper ein. Fragen nach Nutzen und Risiken, der `Humanverträglichkeit´ stellen sich dabei nicht nur in medizinischer Hinsicht, sondern auch auf ethisch-philosophischer Ebene", erläutert Professor Heiner Fangerau. Der Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin und Sprecher des Zentrums Medizin und Gesellschaft (ZMG) an der Universität Ulm leitet mit Dr. Gisela Badura-Lotter die Ulmer Konferenz.

Neue Technologien in der Medizin bringen nicht nur neue Chancen

Bei der dreitägigen Medizin-Ethik-Tagung geht es um assistierte Technologien in der Reproduktions-medizin, um den Einsatz von Brain-Computer-Interface-Technologien, um Neuroprothetik und Prädiktive Diagnostik sowie um die zunehmende Technisierung ärztlicher Versorgung und Pflege. "Was bringt es dem Patienten, wenn wir Biomarker haben, die ihm vorhersagen, dass er ein stark erhöhtes Risiko hat für eine Krankheit, die noch gar nicht behandelt werden kann? Wie riskant sind interfacebasierte Mensch-Maschine Allianzen, wenn sie das eigenverantwortliche Handeln einschränken? Es gibt so viele Fragen, auf die Medizin und Ethik gemeinsam eine Antwort finden müssen", so die Ulmer Medizinethikerin Badura-Lotter.

Diskutiert werden aber auch die Chancen neuer Technologien, beispielsweise im Hinblick auf eine personalisierte Medizin, die individuellen Bedürfnissen stärker Rechnung trägt, oder auf den altersgerechten Einsatz von Technik in der Pflege. Nicht selten geht es bei der Beurteilung des Verhältnisses von Mensch und Technik um ethisch-philosophische Probleme. Was hat es zu bedeuten, wenn der Mensch in seinem ambitionierten Selbstbild als Homo Faber Prothesen entwickelt, die viel leistungsfähiger sind als es die originären Körperteile des Menschen je waren? Wenn aus der Amputation eine Verstärkung zum Übermenschen wird?

Enhancement nennt die Medizinsoziologie dieses Phänomen. Ein anderer Diskurs kreist um die normative Kraft des Technischen. Was heißt es, wenn Technik und Ökonomie medizinische Maßstäbe setzen und nicht mehr der Mensch? Nach Ansicht des technikkritischen Darmstädter Philosophieprofessors Gernot Böhme, der bei der Ulmer Tagung den Eröffnungsvortrag halten wird, ist diese Entwicklung mit einer zunehmenden Entfremdung des Menschen und einer Entmenschlichung der Medizin erkauft. "Eine Technisierung im Dienste des medizinischen Fortschrittes muss letztendlich im Sinne des Menschen sein, darauf sollten sich Medizin und Ethik eigentlich einigen können", hofft Fangerau.

Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann