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Vorkämpfer ohne Denkzwänge
Professor Heiner Fangerau neuer HSZ-Sprecher

Ulm University

Professor Heiner Fangerau, seit Dezember 2008 Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Ulm, ist neuer Sprecher des Humboldt-Studienzentrums für Philosophie und Geisteswissenschaften (HSZ).

Der gebürtige Bremer, Jahrgang 1972, hat damit die Nachfolge von Professor Dieter Beschorner übernommen, der im Frühjahr in den Ruhestand getreten ist. Mit anspruchsvollen Zielen und Vorstellungen: „Das HSZ ist eines der Alleinstellungsmerkmale der Universität Ulm, die unbedingt ausgebaut werden müssen. Hierzu gehören Aktivitäten in der Lehre und in der Forschung“, nennt Fangerau unter anderem.

Schließlich ermögliche das Zentrum „genau die kultur-, gesellschafts- und geisteswissenschaftliche Perspektive, die notwendig ist, Forschung im Bereich der Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaftswissenschaft zukunftsorientiert und nachhaltig in gesellschaftliche Prozesse einzubinden“. Das Fehlen einer philosophischen Fakultät, die diese Aufgabe andernorts erfülle, könne insofern „als besondere Chance für das HSZ“ begriffen werden. Als interfakultär angesiedelte Einrichtung und ohne Denkzwänge hat es Fangerau zufolge beste Voraussetzungen, sich zum Vorkämpfer gegen Dogmatik und Scholastik zu entwickeln und neues Denken sowie neue Theoriebildung in den Naturwissenschaften anzuregen.

„Es muss Aufgabe des HSZ sein, die Basis geistes- und kulturwissenschaftlichen Denkens an der Universität zu verbreitern und zu festigen“, erklärt der Sprecher, begründet dies mit dem Anspruch einer Universität im Sinne der „universitas“, der „Gesamtheit aller Dinge“ also. Den bereits existierenden „Humboldtschein“ etwa möchte er weiter anbieten, ihn mit externer personeller Unterstützung möglichst über Ulm hinaus sichtbar machen. Fangeraus Vision: Eben durch die Nähe zu den Naturwissenschaften wissenschaftsphilosophisches Denken fächernah so attraktiv vermitteln, dass Studierende anderer Universitäten, die zu einer Kooperation bereit sind, für ein Semester nach Ulm kommen, um diesen Schein hier für ihr Studium an der eigenen Philosophischen Fakultät zu erwerben.
Denkbar aus seiner Sicht auch ein interdisziplinäres Masterprogramm zur Ausbildung von Ingenieuren, Medizinern oder Wirtschaftswissenschaftlern. Die dann, ausgestattet mit fundiertem ethischen und theoretischen Wissen, vielleicht für spezielle Beratungsaufgaben besonders qualifiziert wären. Grundsätzlich jedenfalls will er die Lehre „auf die Bereiche fokussieren, die für unsere Fakultäten relevant sind“.

Eine „zeitlich näher liegende Perspektive“ sieht der promovierte Medizinhistoriker und -ethiker dabei für das Ziel, die zehn Prozent Besten aller Fakultäten in Seminaren, Kursen und Ringvorlesungen auch für kultur-, gesellschafts- und geisteswissenschaftliches Denken zu begeistern. „Unter der Annahme, dass sie einmal die gesellschaftliche Elite darstellen sollen, erscheint es unbedingt notwendig, dass gerade die, die es sich intellektuell leisten können, auch auf diesem Gebiet geschult werden“, sagt Heiner Fangerau.
Für ihn keine Frage: Die Fortführung der erfolgreichen „Ulmer Denkanstöße“, der jährlichen Veranstaltungsreihe, die dazu beitrage, „das Wirken der Universität für die Gesellschaft in der Ulmer Gesellschaft sichtbar zu machen“. Unbestritten ist für den HSZ-Sprecher indes auch die Notwendigkeit eigener Forschungsaktivitäten. Nicht einfach zu realisieren, wie er im Wissen um die gemeinhin auf drei Jahre befristeten Gastprofessuren einräumt. „Aber Projekte können in dieser Zeit zumindest angestoßen werden.“ Wobei davon nicht zuletzt die naturwissenschaftlichen und technischen Bereiche der Uni profitieren sollen. Aus gutem Grund: „Im internationalen Forschungsbereich sind gerade die Länder mit einer starken Verankerung der Kultur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften erfolgreich.“

Das HSZ sei eine der Einrichtungen, „die aus der Universität Ulm eine wirkliche Universität im Sinne einer umfassenden Bildung unserer guten Studenten machen“, betont Professor Fangerau. „Dazu beitragen zu können ist ein wesentlicher Aspekt für meine Motivation.“ Ein weiterer sei die Möglichkeit, Erkenntnisse und Erfahrungen seiner Kernaufgaben in der Medizin Wissenschaftlern aller Fakultäten weiterzuvermitteln. „Natürlich ist meine Aufgabe als Sprecher mit viel Arbeit verbunden“, lässt der Wissenschaftler durchblicken, der seit dem Vorjahr auch das „Zentrum Medizin und Gesellschaft“ leitet. Aber als zusätzliche Belastung empfinde er das nicht. „Vielmehr lassen sich dadurch Synergieeffekte gewinnen und ich selbst erfahre eine inhaltliche Erweiterung meiner eigenen Forschungsausrichtung.“

 

Von Willi Baur