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Maligne Hyperthermie:
Schwere Krisen bei Vollnarkosen

Universität Ulm

Sebastian Heiderich, Doktorand bei Privatdozent Dr. Werner Klingler, Leiter des Maligne Hyperthermie-Zentrums in der Neuroanästhesie an der Neurochirurgischen Universtitäsklinik Ulm im Bezirkskrankenhaus Günzburg, ist beim Jahreskongress der Europäischen Maligne Hyperthermie-Gruppe (EMHG) mit dem Forschungspreis der Fachgesellschaft ausgezeichnet worden.

Die EMHG würdigte damit eine Multicenterstudie, in der die Wissenschaftler nachgewiesen haben, dass Narkosegase als Agonisten des mutierten Kalziumkanals der Skelettmuskulatur in nahezu allen Fällen an der Auslösung einer klinischen Krise beteiligt sind. Hintergrund der Studie, in die europaweit sieben Testzentren einbezogen waren: Seit der Erstbeschreibung der Malignen Hyperthermie (MH), einer überaus seltenen Stoffwechselstörung der Skelettmuskulatur, vor mehr als 40 Jahren sind wiederholt Patienten aufgefallen, die nach der Einleitung von Vollnarkosen schwere Stoffwechselkrisen erlitten haben. Dabei erfolgte früher die Narkoseeinleitung vor allem bei Kindern mit dem Narkosegas Halothan und dem Muskelrelaxanz Succinylcholin. Beide gelten seit dieser Zeit als klassische Auslöser der Malignen Hyperhermie, deren Anlage vererbt wird. Während aber Narkosegase den mutierten Kalziumkanal der Skelettmuskulatur, den Ryanodinrezeptor, aktivieren, gilt dies nicht für Succinylcholin. Letzteres aktiviert den nikotinergen Azetylcholin-Rezeptor, der nur einen untergeordneten Aktivator für Kalziumionen darstellt. „Das ist durch Untersuchungen unseres Zentrums nachgewiesen“, sagt Dr. Klingler.

Ziel der aktuellen Studie sei nun der klinische Nachweis der unterschiedlichen Wirkmechanismen gewesen. Dabei seien 200 klinische und muskelbioptisch gesicherte Krisen untersucht worden. Ergebnis: „Nur in einem Fall war Succinylcholin der alleinige Auslöser.“ Knapp mehr als die Hälfte der Patienten waren Klingler zufolge Kinder unter zwölf Jahren und 70 Prozent männlich. „Die Ergebnisse unterstützen die pathophysiologische Hypothese, dass vor allem die Kombination aus volatilen Anästhetika und Succinylcholin potienziell lebensbedrohliche Krisen auslösen kann“, folgert der Wissenschaftler.

Charakterisiert werde eine MH-Krise durch einen massiv gesteigerten Stoffwechsel, Muskelsteifigkeit, Herzrhythmusstörungen und hohe Körpertemperatur. Unbehandelt führe die Maligne Hyperthermie in rund 80 Prozent der Fälle zum Tode. Insofern sei es sehr wichtig, Anlageträger zu erkennen. Das Maligne Hyperthermie-Zentrum Ulm/Günzburg ist Teil des kürzlich eröffneten neuen Zentrums für Seltene Erkrankungen der Ulmer Universitätsmedizin.

Von Willi Baur