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Mitdenkende Häuser und intelligente Fahrkartenautomaten:
Sonderforschungsbereich/Transregio 62 von DFG weiterbewilligt

Universität Ulm

Fahrkartenautomaten passen sich den Terminplänen von Nutzern an und Digitalkameras erklären  Hobbyfotografen ihre Funktionen... dank des Sonderforschungsbereichs/Transregio 62 (SFB/TRR 62) könnten solche intelligenten, ja sogar „einfühlsamen“ technischen Systeme schon bald Einzug in unseren Alltag halten. Jetzt hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) entschieden, den SFB/TRR 62 „Eine Companion-Technologie für kognitive technische Systeme“ für weitere vier Jahre mit zehn Millionen Euro zu fördern. Rund 80 Wissenschaftler der Universitäten Ulm und Magdeburg sowie des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (Magdeburg) arbeiten seit 2009 erfolgreich in dem Sonderforschungsbereich zusammen. Ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal ist die Interdisziplinarität des Konsortiums: Dem SFB gehören Informatiker, Ingenieure, Psychologen, Neurobiologen und Mediziner an.

„In den vergangenen vier Jahren haben wir über Fächergrenzen und räumliche Distanzen hinweg neuartige Technologien entwickelt. Jetzt sind wir hocherfreut, die erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen zu können“, sagt Professorin Susanne Biundo-Stephan, SFB-Sprecherin und Direktorin des Instituts für Künstliche Intelligenz an der Uni Ulm. Freude auch bei dem Ulmer Universitätspräsidenten Professor Karl Joachim Ebeling: „Die Weiterbewilligung des Sonderforschungsbereichs bedeutet eine nachhaltige Stärkung unseres Forschungsschwerpunkts Kognitive Systeme und Mensch-Maschine-Interaktion. Sie stellt eine offenkundige Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen der beteiligten Forscher dar.“

Das übergeordnete Ziel des Sonderforschungsbereichs: Technische Systeme sollen sich individuell auf den Nutzer einstellen, seinen Kenntnissen, Vorlieben sowie aktuellen Bedürfnissen gemäß „maßgeschneidert“ reagieren. Dabei kann die  „Kommunikation mit der Maschine“ über verschiedene Kanäle ablaufen: via Sprache, Gestik, Mimik oder auch herkömmlich, etwa über einen Touchscreen. Alternativ greift das technische System auf Daten zurück, die der Nutzer in seinem Smartphone gespeichert und freigegeben hat. „Companion-Systeme  treten dem Nutzer als ganz persönliche, kompetente und vertrauenswürdige Dienstleister gegenüber. Um sie mit diesen Eigenschaften ausstatten zu können, greifen wir auch auf Erkenntnisse der Neurobiologie und auf psychologische Verhaltensmodelle zurück“, erklärt Susanne Biundo-Stephan.

Als wichtiges Etappenziel entwickeln die SFB-Wissenschaftler in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und –automatisierung einen Prototypen, der bald in Ausbildungswerkstätten der Volkswagen AG eingesetzt werden kann: Beim Erlernen komplexer Handlungsabläufe sollen  Berufseinsteiger über verschiedene Medien angeleitet werden. Der „virtuelle Ausbilder“ erkennt Aktionen, aber auch Emotionen der jungen Leute und kann sich individuell auf ihre Stärken und Schwächen einstellen. „Bereits in der ersten Förderphase ein Transferprojekt integriert zu haben, ist ein besonders schöner Erfolg“, betont Biundo-Stephan.
In Demonstrator-Systemen haben SFB-Forscher zudem Erkenntnisse der Teilprojekte gebündelt und gezeigt, was die Zukunft bringen könnte: Da wäre zum Beispiel eine Video-/Audioanlage, die wenig technikaffinen Nutzern bei ihrer eigenen Installation hilft. Diese und weitere Ideen entwickeln die Forscher aus Ulm und Magdeburg unter anderem bei halbjährlichen Projekttreffen und wöchentlichen Videokonferenzen.

Wie können Companion-Systeme möglichst effizient Wissen über ihre Nutzer erwerben?  Und auf welche Weise bleibt dieses Wissen aktuell und in sich schlüssig?  Diese Fragen wollen die Mitglieder des Sonderforschungsbereichs im Laufe der zweiten Förderphase beantworten. Weiterhin soll die Erkennung von Handlungsintentionen durch technische Systeme verbessert werden.
In Zukunft wird das junge Institut für Psychologie und Pädagogik noch stärker in den SFB einbezogen. Bereits seit einiger Zeit bereichern Anke Huckauf, Professorin für Allgemeine Psychologie,  und Juniorprofessorin Birte Glimm (Institut für Künstliche Intelligenz) das Konsortium mit ihrer Expertise.

Gemeinsam planen die Forscher weitere Transferprojekte und Industriekooperationen. Fernziel könnte außerdem ein englischsprachiger, interdisziplinärer Masterstudiengang zu Companion-Technologien sein. Denn schon jetzt haben viele Studentinnen und Studenten großes Interesse am Thema: In Ulm sind bereits etliche Abschlussarbeiten rund um „mitdenkende Häuser“ und „intelligente Kameras“ entstanden.


von Annika Bingmann