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Studiengang und Fakultät geprägt
Professor Frank Stehling in den Ruhestand verabschiedet

Universität Ulm

Professor Frank Stehling, seit 1991 Direktor des Instituts für Wirtschaftswissenschaften der Universität Ulm, ist mit Ende des Wintersemesters in den Ruhestand verabschiedet worden. Der vielfältig engagierte Wissenschaftler, unter anderem schon seit drei Jahrzehnten ein leidenschaftlicher Verfechter nachhaltigen Wirtschaftens, hatte im November seinen

65. Geburtstag gefeiert.

Keine Verlängerung also, wie sie möglich wäre und nicht wenige seiner Kollegen praktizieren? „Nein“, sagt Frank Stehling, „es war immer mein Traumberuf, aber jetzt ist Zeit zum Aufhören“. Denn: „Es gibt noch mehr im Leben, viele Interessen habe ich bis heute zurückgestellt.“ Auf Wunsch der Fakultät werde er im Sommersemester noch einen Lehrauftrag übernehmen. „Dann wird man weitersehen.“ Wert indes legt er auf die Feststellung: „Ich gehe nicht im Groll, ganz im Gegenteil.“

Klare Worte, offene Worte. Wie sie an Stehling stets geschätzt worden sind. Im Institut, das er seinerzeit als Nachfolger von Professor Klaus Spremann übernommen hatte. In der Fakultät, für die er zwei Mal als Dekan Verantwortung übernommen hat, von 1997 bis 1999 und von 2006 bis 2009. Und in der Universität, für die er sich auf verschiedenen Ebenen auch über seine ureigenen Aufgaben hinaus engagiert hat: Intern, als Vorstandsmitglied des Zentrums für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) etwa, acht Jahre bis 2004. Oder mit Außenwirkung als Gründungsmitglied, später auch Vorsitzender (2000 bis 2003) des Ulmer Initiativkreises nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (unw), zuvor schon als Vorsitzender der Lokalen Agenda Ulm 21.

Wobei ihn der „Leitgedanke der Nachhaltigkeit“ eigener Aussage zufolge schon in den frühen 80er-Jahren beschäftigt hat. In Verbindung mit Vorlesungen und Seminaren über Umweltökonomik nämlich, damals noch an der Universität Karlsruhe, der zweiten Station seines Werdegangs mit Promotion 1972 („mit Auszeichnung“), Habilitation drei Jahre später und seiner ersten Professur für Volkswirtschaftslehre. Nicht zu vergessen schon dort eine erste zweijährige Amtszeit als Dekan und zwischendurch eine Gastprofessur an der renommierten University of California in Berkeley. Studiert hatte Stehling zuvor in Frankfurt, Mathematik übrigens und Physik.

„Eigentlich bin ich ein mathematischer Volkswirt“, beschreibt er sein Profil, früh geprägt durch seine beiden Forschungsschwerpunkte: Mikroökonomik zum einen, insbesondere Theorie Wirtschaftlicher Kennzahlen und Theorie kollektiver Entscheidungen (Social Choice Theory), zum anderen volks- und betriebswirtschaftliche Umweltökonomik, insbesondere Analyse von Instrumenten der Umweltpolitik. Womit sich der Kreis zu einem Teil seines ehrenamtlichen Engagements wieder schließt.

„Nachhaltigkeit zu erreichen, ist auch heute noch eine große Herausforderung“, erklärt Professor Stehling, weiß indes nur zu gut um die Defizite in diesem Bereich, von der Umwelt über die Wirtschaftswissenschaft und Finanzwirtschaft bis zu den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Mit der Folge riesiger globaler Probleme aufgrund gravierender Fehlentwicklungen. „Andererseits ist erfreulich viel erreicht worden, auch und gerade in Ulm“, freut sich der Wissenschaftler, der sich schon bei seiner vielbeklatschten Antrittsvorlesung beim „Dies academicus“ 1992 mit der Umweltthematik beschäftigt hatte.

Rundum positiv bilanzieren kann er dagegen sein Wirken im akademischen Kernbereich, als Hochschullehrer und in der Selbstverwaltung gleichermaßen. Dass er die Entwicklung der Ulmer Wirtschaftswissenschaften maßgeblich mitgeprägt hat, steht außer Frage. Umgekehrt freilich auch, vor allem den Rahmenbedingungen bei seinem Start hier geschuldet. „Wir hatten damals ja gerade mal vier Professuren“, erinnert sich Frank Stehling, „heute sind es in den Wirtschaftswissenschaften 16“. Folge für ihn: Obwohl bis dato stark volkswirtschaftlich ausgerichtet, hatte er nun auch diverse betriebswirtschaftliche Vorlesungen zu übernehmen, zum Teil sogar das gesamte Angebot im Grundstudium.

Keinesfalls selbstverständlich sei aus seiner Sicht rückblickend die bemerkenswerte Aufwärtsentwicklung der gesamten Fakultät gewesen. „Mathematik und Wirtschaftswissenschaften sind ja auch zwei verschiedene Kulturen“, weiß Stehling, gleichwohl in dieser Kombination „ideal für mich gewesen“. Zumal für seine Aufgaben als Dekan. Bei denen er allerdings auch vom Umfeld bestens unterstützt worden sei: „Alle in der Fakultät haben optimal mitgezogen, das Klima war immer prima.“ Weitere wichtige Vorteile aus seiner Sicht: Die überschaubare Größe, ein guter Draht zur Verwaltung, kurze Wege, „geistig und räumlich“, wie Stehling sagt.

Nur mit der Studienreform konnte er sich bis zuletzt nicht anfreunden. „Für mich ist sie ein schwerer Fehler“, macht er deutlich, mit sechs Semestern sei kein anständiges Universitätsstudium möglich, „schon gar nicht in den technischen Disziplinen, aber auch in den Wirtschaftswissenschaften“. Für alle gelte: Zu wenig Zeit für Reflektion und Vertiefung, schwierig die Integration von Auslandssemestern.

Mehr als 200 Diplomanden habe er in seinem Leben betreut, rund ein Dutzend zur Promotion geführt. „Zwei Doktoranden betreue ich derzeit noch“, beschreibt Professor Frank Stehling sein Restprogramm.

Das werde Raum lassen für manche bislang zu kurz gekommene Dinge, vielleicht auch für Neues. Ganz sicher auch für seine Hobbys: Musik. Literatur und Sport. Mit Tischtennis insbesondere will er sich weiter fit halten, gilt hier in seinem Verein in Lonsee nach wie vor als ehrgeizige Stütze der ersten Männermannschaft, mitunter fast ein Familienteam. Neben Stehling senior nämlich spielen hier auch seine drei Söhne.