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Kluge Köpfe in der Forschung halten
Podiumsdiskussion mit der Wissenschaftsministerin

Universität Ulm

Mit dem neuen Landeshochschulgesetz (LHG) und dem Hochschulfinanzierungsvertrag „Perspektive 2020“ ergeben sich neue Möglichkeiten für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich bisher oft mit befristeten Verträgen und mangelnder Betreuung abfinden mussten. Die Verheißungen lauten unter anderem: Frühe Eigenständigkeit, verlässliche Zukunftsaussichten – beispielsweise über die Juniorprofessur mit Tenure Track – und gute Arbeitsbedingungen. Durch die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sollen Verträge, die teils nur wenige Monate laufen, schon bald der Vergangenheit angehören. Doch wie sieht die Situation von Nachwuchsforscherinnen und -forschern an der Universität Ulm aus? Davon hat sich die Landeswissenschaftsministerin Theresia Bauer am Mittwochabend bei der Diskussionsveranstaltung „Der wissenschaftliche Nachwuchs im Fokus“ im vollbesetzten Hörsaal 22 ein Bild gemacht.

„Qualitätsvolle Forschung und Lehre ist in hohem Maße dem wissenschaftlichen Nachwuchs zu verdanken. Es sind oft Doktoranden und Postdoktoranden, die im Labor stehen oder im Feld forschen“, betonte die Wissenschaftsministerin. Doch die Karriereaussichten seien in dieser Qualifikationsphase oftmals unsicher und eine Lebenszeitprofessur werde in Deutschland durchschnittlich erst im Alter von 42 Jahren erreicht. Auf dem Weg dahin gelte es Perspektiven zu schaffen, um „kluge Köpfe“ in der Wissenschaft zu halten. In ihrem Impulsreferat stellte die Ministerin Maßnahmen vor, die sich aus dem Opens external link in new windowHochschulfinanzierungsvertrag und der Opens external link in new windowNovelle des LHG ergeben: Zur Qualitätssicherung sollen in der Promotionsphase verbindliche und individuelle Betreuungsvereinbarungen gelten. Zudem sind an den Landesuniversitäten Promovierendenkonvente gegründet worden, deren Mitglieder Doktoranden beraten und bei Konflikten vermitteln. Zum ersten Mal überhaupt soll darüber hinaus die Zahl der Promovierenden an den Universitäten systematisch erhoben und dem Land gemeldet werden. Durch die Erhöhung der Grundfinanzierung um jeweils drei Prozent jährlich und dem Ausgleich der Energiekosten könnten die Hochschulen nun in Forschung und Lehre investieren und zusätzliche Dauerstellen schaffen. „Doch auch in Zukunft wird es in der Qualifikationsphase befristete Verträge geben – aber nicht unter einer Laufzeit von zwei Jahren“, so Theresia Bauer.
Für die Planungssicherheit durch den Vertrag „Perspektive 2020“ bedankte sich auch der Ulmer Universitätspräsident Professor Michael Weber bei der Ministerin: „Wir haben nun die Möglichkeit, unsere Ressourcen neu zu ordnen. Es gibt kein Füllhorn neuer Stellen, aber Verstetigungen, wo es sinnvoll ist.“

Nachwuchsforscher und Professoren auf dem Podium

In der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert vom ehemaligen Vizepräsidenten für Lehre und Internationales, Professor Ulrich Stadtmüller, kamen eben jene jungen Wissenschaftler verschiedener Qualifikationsstufen zu Wort. Weiterhin diskutierten Uni-Präsident Professor Michael Weber und Professor Michael Kühl, Sprecher der Opens external link in new windowInternational Graduate School in Molecular Medicine, mit. Für Benjamin Menhorn, Doktorand am Institut für Eingebettete Systeme/Echtzeitsysteme und Vorsitzender des Gründungsvorstands des Ulmer Promovierendenkonvents, sind kurzfristige, oft an Drittmittelprojekte gekoppelte Verträge nach wie vor das größte Problem auf dem Weg zum Doktortitel. Denn womöglich läuft die Finanzierung mitten in der Endphase der Promotion aus und das Projekt muss aufgegeben oder privat fertig gestellt werden. „Zur Überbrückung könnte künftig ein Risikofonds eingesetzt werden“, schlug Universitätspräsident Weber vor. Ein ähnliches Modell gibt es bereits an der durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder geförderte International Graduate School in Molecular Medicine: „Rund 75 Prozent unserer Doktoranden sind über Drittmittel finanziert. Wer mehr als drei Jahre promoviert hat, kann bei Wegfall der Mittel für ein weiteres Jahr von der Graduate School unterstützt werden“, so Michael Kühl. Im Dialog mit Benjamin Menhorn stellte er die strukturierte und die Individual-Promotion gegenüber. Als Vorteil der Graduiertenschule nannte Kühl beispielsweise die frühe Vernetzung mit Forscherkollegen, national und international.

Für die nächste Qualifizierungsphase standen die Postdoktorandin Dr. Patricia Alonso-Ruiz (Institut für Stochastik) und Juniorprofessorin Dr. Birte Glimm vom Institut für Künstliche Intelligenz als Diskutantinnen bereit. In diesem Karriereabschnitt werden die Weichen für eine wissenschaftliche Laufbahn oder einen Wechsel in die Industrie gestellt. Dabei sind eine Weiterqualifizierung in Forschung und Lehre, die selbstständige Bearbeitung wissenschaftlicher Projekte sowie Auslandsaufenthalte bedeutend.
Die Spanierin Patricia Alonso-Ruiz ist in einem für zwei Jahre befristeten Projekt beschäftigt. In dieser kurzen Zeit erfolgreich zu forschen und sich parallel um die nächste Stelle zu bewerben, findet die Mathematikerin schwierig – zumal sie sich thematisch umorientieren möchte: „Ich weiß nicht, wo ich nächstes Jahr im September sein werde“, sagte Alonso-Ruiz.
Einen anderen Weg zur Professur geht die Informatikerin Dr. Birte Glimm. Sie wurde auf eine Juniorprofessur mit Tenure Track berufen – bei positiver Evaluation bedeutet das den gesicherten Weg in eine Dauerstelle. „Die Anforderungen an Juniorprofessoren sind hoch und die Perspektiven vage“, so Glimm. Aufgrund der entscheidenden Evaluation in der Mitte der Laufzeit einer Juniorprofessur sei es in der zweiten Hälfte schwierig, Projekte zu beantragen und Personalverantwortung zu übernehmen. Unter diesen Umständen könne ein Wechsel in die Industrie attraktiv erscheinen. „Für den Tenure Track als Perspektive bin ich deshalb dankbar“, sagte die Mutter eines elf Monate alten Sohnes. Da ihr Partner Teile der Kinderbetreuung übernimmt, kann sie weiterhin zu 50 Prozent am Institut für Künstliche Intelligenz arbeiten. „Es gehört aber schon Mut dazu, in dieser Phase eine Familie zu gründen“, so die Juniorprofessorin, die zuvor an der renommierten Oxford University geforscht hat und auch Vergleiche zum angelsächsischen System zog.

Die Juniorprofessur als Zukunftsmodell?

Bisher fällt die Bilanz der „Probe-Professur“, für die keine Habilitation nötig ist, durchwachsen aus: In Baden-Württemberg sind von 719 möglichen Juniorprofessuren nur 193 besetzt, weshalb sich die Frage nach der Attraktivität stellt. In Zukunft will Bauer auf Tenure Tracks setzen, die bei entsprechender Evaluation verlässlich in W3-Professuren übergehen. Für die Gleichstellung habe sich die Juniorprofessur immerhin als positiv erwiesen. Eingangs hatte Universitätspräsident Weber auf Bemühungen des Präsidiums und die Erstellung eines Qualitätssicherungsskonzepts für Juniorprofessuren mit Tenure Track hingewiesen.
Die Wissenschaftsministerin betonte jedoch auch, dass nicht alle jungen Forscher das Ziel „Lebenszeitprofessur“ erreichen werden. „Der Weg kann auch zu einem hochqualifizierten Arbeitsplatz in der Industrie führen.“

Als Fazit ist die Entscheidung für eine akademische Karriere vor allem von der Finanzierung und der Vereinbarkeit mit der Lebensplanung abhängig. Projektbefristungen und unsichere Zukunftsaussichten bereiten vielen jungen Forschern Probleme. Juniorprofessuren mit verlässlichem Tenure Track könnten, das bekräftigten auch einige Hochschullehrer im Publikum, der richtige Weg sein.

Nach den Diskussionsblöcken durfte das Publikum Fragen stellen. Dabei ging es unter anderem um die Vereinbarkeit von Forschung und Familie. Außerdem wurden mehr dauerhafte Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau gefordert.
Bereits seit dem Sommersemester besucht die Wissenschaftsministerin alle Landesuniversitäten, um sich über die Bedingungen vor Ort zu informieren und mit jungen Forschern ins Gespräch zu kommen. Ulm war ihre siebte Station und die Universität hat „bei den Besucherzahlen alle getoppt“.  „Ich möchte Ihnen mit Ihren exzellenten Qualifikationen und Ihrer Leidenschaft für die Forschung hervorragende Perspektiven bieten. In unserer innovationsgetriebenen Gesellschaft ist es wichtig, die besten Köpfe in der Wissenschaft zu halten“, ermutigte Theresia Bauer die jungen Forscherinnen und Forscher.

Text/Medienkontakt: Annika Bingmann

 


An der Podiumsdiskussion nahmen teil (v.l.): Prof. Ulrich Stadtmüller (Moderator), Doktorand Benjamin Menhorn, Prof. Michael Kühl (Sprecher Graduiertenschule), Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, Universitätspräsident Prof. Michael Weber, die Postdoktorandin Dr. Patricia Alonso-Ruiz und Juniorprof. Birte Glimm (Foto: Eberhardt/kiz)