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Traumgebiss trotz zuckerreicher Ernährung
Ulmer Forscher untersuchen Fledermauszähne

Universität Ulm

Fruchtfledermäuse ernähren sich nur von „Süßkram“ und müssten eigentlich der Albtraum jedes Zahnarztes sein. Trotzdem haben die Säugetiere mit dem gut ausgebildeten Gebiss nur wenig Karies. Warum das so ist, und ob sich Zahnpastahersteller etwas von den Tieren abschauen können, will Professor Peter Dürre, Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Biotechnologie der Universität Ulm, erforschen. Mit ihrer etwas unkonventionellen Fragestellung zählen Projektleiter Dürre und seine Partner zu den Gewinnern des Ideenwettbewerbs Biotechnologie und Medizintechnik des Landesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK). Ziel des Wettbewerbs ist es, neuartige und damit risikoreiche Projekte zu fördern. Für das Forschungsvorhaben nutzt Dürre die interdisziplinäre Ausrichtung der Universität Ulm: „Fledermausexpertin“ im Team ist Professorin Elisabeth Kalko, Direktorin des Instituts für Experimentelle Ökologie. Bei ihren Forschungen am Smithsonian Tropical Research Institute in Balboa, Panama, waren Kalko die ungewöhnlich guten Zähne der Fruchtfresser aufgefallen. Für den zahnmedizinischen Part des Projekts konnte Dürre Professor Bernd Haller, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, sowie der Direktor des Instituts für Lasertechnologien in der Medizin und Meßtechnik, Professor Raimund Hibst, gewinnen.

Fast jeder Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens Karies. Dabei sind Gründe für die Erkrankung weitgehend bekannt. Warum Personen mit einem ähnlichen Lebenswandel unterschiedlichen Kariesbefall aufweisen, ist jedoch noch nicht geklärt. Hier könnte die Ulmer Studie Hinweise geben. „Fernziel unserer Forschung ist die Kariesprävention beim Menschen. Deshalb müssen wir zunächst prüfen, ob das humane Gebiss überhaupt mit den Zähnen der Fruchtfledermaus vergleichbar ist. Dieser ,risikoreiche’ Teil der Untersuchung wird vom MWK finanziert“, erklärt Professor Dürre. Sollte diese erste Frage bejaht werden, wollen die Wissenschaftler Bakterienstämme im Speichel der Tiere untersuchen und sich ein genaues Bild des Zahnmaterials machen. Ansätze reichen von der Erhebung des Plaque-Befalls und  Kariesläsionen bis zur Analyse der Zahnstruktur mittels Lasertechnik beziehungsweise unterschiedlicher Mikroskope. Dabei sollen die Fruchtfledermäuse teilweise mit insekten- oder nektarfressenden Arten verglichen werden.

In Ulm sind bereits zwei Diplomarbeiten zur Mundflora früchtefressender Fledermäuse entstanden. Diese von Kalko und Dürre betreuten und statistisch nicht unbedingt belastbaren Pionierstudien haben gezeigt, dass sich im Speichel der Tiere deutlich weniger Milchsäurebakterien (die eigentlichen Kariesverursacher) befinden als beim Menschen. Außerdem konnten die Diplomanden potentiell karieshemmende Bakterien nachweisen. „Sollten wir tatsächlich karieshemmende Stoffe im Speichel der Fledermäuse finden, könnten nachgebildete Substanzen eines Tages Zahncremes und Mundwasser verbessern“, erläutert Peter Dürre.

Für die Untersuchungen am Smithsonian Tropical Research Institute und an der Universität Ulm muss keine Fledermaus sterben oder einen strapaziösen Transport überstehen: Die Forscher verwenden Gebisse von Fledermäusen, die eines natürlichen Todes gestorben sind. Speichelproben werden von lebenden Tieren in Panama genommen und in Ulm molekularbiologisch analysiert. Das gesamte Projekt ist auf etwa drei Jahre angelegt.

Von Annika Bingmann

Fotos: Uni Ulm
Fotos: Uni Ulm