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Humboldt-Studienzentrum: Festcolloquium zum Geburtstag
Seit 30 Jahren Heimat der Philosophie an der Uni Ulm

Universität Ulm

Die Philosophie gilt als älteste akademische Disziplin und hat seit jeher eine besondere Stellung unter den Wissenschaften. Die als Medizinisch-Naturwissenschaftliche Hochschule gegründete Universität Ulm musste jedoch lange Zeit ganz ohne Geisteswissenschaften auskommen. Doch seit ziemlich genau 30 Jahren haben Denkerinnen und Denker im Humboldt-Studienzentrum (HSZ), das mittlerweile Teil des Departments für Geisteswissenschaften ist, eine Heimat gefunden. Zum runden Geburtstag schenkten sich die „Humboldtianer“ ein Festcolloquium, dessen Titel passender nicht sein könnte: „Zum Verhältnis von Philosophie und Naturwissenschaften“.

Es soll ein Vortrag des Gießener Philosophieprofessors Odo Marquard gewesen sein, der den damaligen Ulmer Uni-Rektor, Professor Theodor Fliedner, zur Gründung eines geisteswissenschaftlichen Zentrums inspiriert hat. Neben ihrer Fachausbildung sollten die Studierenden philosophisches Grundwissen erwerben und über Ethik, politisches Handeln sowie etwa Technikfolgen reflektieren. Mit dem Aufbau eines solchen Zentrums, das, der Verbindung von Geistes- und Naturwissenschaften entsprechend, nach den Gebrüdern Humboldt benannt werden sollte, beauftragte man die Professoren Richard Brunner, Peter Pauschinger sowie Klaus Giel. Und bereits nach wenigen Monaten wurden 1986 erste Philosophievorlesungen angeboten.

30 Jahre später rief der aktuelle Sprecher des Zentrums, Professor Joachim Ankerhold, beim Festcolloquium Errungenschaften des HSZ ins Gedächtnis: Vom Philosophischen Salon über die Ringvorlesung auf dem Eselsberg bis hin zu dem Ulmer Denkanstößen, die „wie keine andere Veranstaltung die Universität in die Stadt bringen.“ Ein weiterer Publikumsmagnet sind regelmäßig die Vorträge hochkarätiger Humboldt-Professoren: Für 2017 hat sich der Juraprofessor und Autor Bernhard Schlink angesagt.

Engagierter Dialog von Philosophen und Naturwissenschaftlern

Im vollbesetzten Festsaal der Villa Eberhardt hatten sich die meisten der bisherigen Gastprofessoren des Humboldt-Studienzentrums eingefunden, die inzwischen wichtige Lehrstühle innehaben. Diese Philosophen diskutierten mit jeweils einem Naturwissenschaftler der Uni Ulm oder moderierten den Austausch. Den Anfang machten der Physiker Joachim Ankerhold und sein Professorenkollege Karl-Heinz Lembeck, der den Lehrstuhl für Theoretische Philosophie an der Universität Würzburg bekleidet. Während sich Lembeck in seinem Referat („Wie viel Interdisziplinarität verträgt die Philosophie?“) der Definition von „Interdisziplinarität“ widmete und derzeit mehr Schnittmengen seines Fachs mit den Lebenswissenschaften als mit der Physik sieht, fragte Ankerhold: „Wie viel Philosophie braucht die Physik?“ Seine Antwort lautete: Eigentlich gar keine. Allerdings gebe es auch – und hier nahm er Bezug auf Ludwig Wittgenstein – das „Mystische, Unaussprechliche“. Und in einer durch Mehrdeutigkeit geprägten Welt könne die Philosophie nur bereichern. Die Moderation dieses Austauschs übernahm ein alter Bekannter, der letzte HSZ-Gastprofessor für Philosophie Ralf Becker, der nun an der Universität Koblenz-Landau lehrt.

Weiterhin standen die Mathematik, vertreten durch den Ulmer Professor Dirk Lebiedz und Professor Jörg Wernecke von der TU München (Moderation Professor Achim Stephan), sowie die Biologie der Philosophie gegenüber.
Zuletzt moderierte der aktuelle Gastprofessor am HSZ, Matthias Wunsch, einen Dialog der EcoHealth-Forscherin Professorin Simone Sommer mit dem Philosophieprofessor Kristian Köchy aus Kassel. Die Leiterin des Instituts für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik, Simone Sommer, untersucht, wie sich Umweltveränderungen auf Mensch und Tier auswirken.

Gründer, ehemalige Gastprofessoren und gute Wünsche zum Geburtstag

Nach sechs Impulsvorträgen und lebhaften Diskussionen zog das Gesicht des HSZ, Geschäftsführerin Professorin Renate Breuninger, eine durchweg positive Bilanz: „Es war eine rundherum gelungene Geburtstagsfeier unseres HSZ. Das Wiedersehen mit vielen unserer ehemaligen Gastprofessoren und unseren Beiräten war ein Zeichen der bleibenden Verbundenheit über die Jahre hinweg. Die Veranstaltung hat auch gezeigt, dass Natur- und Geisteswissenschaften keine getrennten Kulturen sind, sondern eine tiefe Zusammengehörigkeit im Geiste verkörpern. Das zeigte sich nicht zuletzt im regen Interesse, auf das unser Kolloquium gestoßen ist. Das HSZ der Universität Ulm ist eine besondere und wohl auch eine geglückte Form des Austausches zwischen den Wissenschaften.“

Und Sprecher Joachim Ankerhold plante bereits den nächsten Schritt, nämlich die Einrichtung eines ständigen Philosophie-Lehrstuhls mit starken Bezügen zu den Naturwissenschaften an der Uni Ulm. Für den Gründungsvater Professor Giel, der oft gegen Widerstände ankämpfen musste, wäre dies sicher die Vollendung seines Werks. Selbstverständlich nahm der inzwischen 89-Jährige am Festcolloquium in der Villa Eberhardt teil.

Text/Medienkontakt: Annika Bingmann

Humboldt-Studienzentrum Jubiläum
Gruppenbild mit Gründern, Unterstützern und vielen ehemaligen Gastprofessoren des Humboldt-Studienzentrums (vorne v.l.): Prof. Michael Heidelberger, Prof. Ralf Becker, Alt-Oberbürgermeister Ernst Ludwig, Prof. Jörg Wernecke und HSZ-Gründer Prof. Klaus Giel. 2. Reihe (v.l.): Der aktuelle Gastprofessor am HSZ, Prof. Matthias Wunsch, HSZ-Geschäftsführerin Prof. Renate Breuninger, Prof. Karl-Heinz Lembeck, Prof. Achim Stephan und Prof. Joachim Ankerhold, HSZ-Sprecher und Vizepräsident der Universität Ulm (Foto: Uni Ulm)
Studentin Humboldt-Studienzentrum
Studentin in Wiblinger Bibliothek (Symbolbild, Foto: Uni Ulm)