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Krankheit durch Armut oder umgekehrt?
Anerkennung und Selbstkonstitution als Schlüsselkategorien

Universität Ulm

Erkranken arme Menschen eher aufgrund schlechterer Lebensumstände oder lässt erst die Krankheit Menschen verarmen? Verbindet gar erst die ärztliche Diagnose Armut und Krankheit miteinander?

Im Rahmen einer von der Volkswagen Stiftung geförderten Tagung des Zentrums Medizin und Gesellschaft der Universität Ulm sollen die Zusammenhänge zwischen Krankheit und der Verstetigung prekärer Lebensverhältnisse in Familien untersucht werden. Und zwar interdisziplinär, eine geisteswissenschaftliche Perspektive eingeschlossen. Das Symposium am 21./22. März soll dabei vor allem die Wirkung und Bedeutung der Schlüsselkategorien Anerkennung und Selbstkonstitution auf Armut, Krankheit, Arbeit und Familienverhältnisse aufzeigen (Wissenschaftszentrum Schloss Reisensburg der Universität Ulm/Beginn 9 Uhr).

„In der aktuellen Debatte um die Verstetigung von Armut, Krankheit und Arbeitslosigkeit in Familien ist die geisteswissenschaftliche Perspektive bisher kaum berücksichtigt worden“, sagt Sebastian Kessler, Wissenschaftler am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin und Koordinator der Veranstaltung.  Dementsprechend seien bislang medizinische Ursachen und Folgen von Armut, Arbeitslosigkeit oder Bildungsferne nur selten im geisteswissenschaftlichen Umfeld geführt worden.

Unabhängig davon ist die Aktualität der Thematik für die Ulmer Wissenschaftler unbestritten: „Die medikale Deutung und Verwaltung schwieriger Lebenslagen und ihrer familiären Transmission wird offensichtlich für die Entwicklung der modernen Gesellschaften immer bedeutender“, so Professor Heiner Fangerau, Direktor des genannten Instituts.

Allerdings zeige sich gerade in diesem Bereich eine Sprachlosigkeit, die unter anderem darauf zurückzuführen sei, dass den Disziplinen, die das Verhältnis von Armut, Krankheit, Arbeit und Familie untersuchen, schon eine gemeinsame Terminologie fehle. Ziel des Symposiums sei deshalb insbesondere „die Schärfung eines Begriffsinventars, um damit das geisteswissenschaftliche Schlüsselthema der Anerkennung und Selbstkonstitution zur Erklärung prekärer Lebensverhältnisse interdisziplinär zu fassen“. Zugleich soll mit der Tagung die Grundlage einer interdisziplinären Theorie der Anerkennung und Selbstkonstitution geschaffen werden. Aus Sicht der Organisatoren sind dies womöglich die Schlüsselkategorien, mit deren Hilfe medizinische Deutungszusammenhänge von Armut, Krankheit und ihrer familiären Transmission um eine geisteswissenschaftliche Dimension erweitert werden können.

Von Willi Baur