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Abschiedsparty für Elektronenmikroskop
Ein Gerät mit Geschichte wird ausgemustert

Universität Ulm

Es war eine Verabschiedung der besonderen Art in der Zentralen Einrichtung Elektronenmikroskopie der Universität Ulm: Kein Händedruck und keine Dankesurkunde, keine Wünsche für die Zukunft. Eine kurze Rede und auch das eine oder andere Erinnerungsfoto. Denn verabschiedet wurde, bei Snacks, Getränken und mit diversen Demos, eigentlich nur ein Gerät, ein ganz besonderes allerdings. Genauer: Ein Elektronenmikroskop, Modell Philips 400, 30 Jahre alt und mit einer speziellen Geschichte, nicht nur für die Ulmer Elektronenmikroskopie.

Hunderte von Nutzerinnen und Nutzern haben in dieser Zeit hier Präparate beobachtet, analysiert und ausgewertet, haben das Gerät schätzen gelernt. Seiner vielseitigen Möglichkeiten wegen und wegen seiner Zuverlässigkeit. „Es war damals ein revolutionäres Modell, das erste mit Feldemissions-Kathode“, erinnert sich Professor Rainer Martin, der frühere Leiter der Elektronenmikroskopie, schon lange im Ruhestand, aber nach wie vor regelmäßig vor Ort. Er hat das Mikroskop 1980 beschafft, mit kaum absehbaren Folgen seinerzeit. Die vor allem Professor Albrecht Kleinschmidt ausgelöst hat. Dem auch international hoch angesehenen, inzwischen verstorbenen Forscher ist bei seinen bahnbrechenden Arbeiten in der unscheinbaren Dunkelkammer erstmals ein Blick auf die DNA gelungen. Wissenschaftler aus aller Welt ließen sich anschließend an dem Gerät in Kleinschmidts Methode unterweisen, über Jahre hinweg.

„Ulm hat in der Elektronenmikroskopie schon eine gewisse Tradition“, sagt Professor Paul Walther, seit elf Jahren Leiter der gefragten Einrichtung, zuvor in Madison/Wisconsin (USA), am Max Planck-Institut Dortmund und an der ETH Zürich tätig. „So gefragt, dass wir bei Besuchen immer wieder bremsen müssen.“ Was zum einen an der Ausstattung der Zentralen Einrichtung liege, vor allem aber am bestens ausgebildeten und spezialisierten Personal. „Ein Vorteil, der aus dem hier von Anfang an verfolgten Konzept der Zentralisierung resultiert.“ Denn eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Elektronenmikroskopie sei die Herstellung guter Präparate, weiß der Wissenschaftler, der mit seinem Team laufend neue Methoden erforscht, übernimmt und den Nutzern vermittelt. „Auch hier zeigt sich die hervorragende interdisziplinäre Zusammenarbeit als Stärke der Uni Ulm“, betont Walther, nennt dabei Projekte aus Medizin, Biologie, Physik, Chemie und Materialwissenschaften. Mitunter mit ganz ungewöhnlichen Verflechtungen rund um das Philips 400. „So wird das Gerät von einer Experimentellen Physikerin zur Darstellung von Intermediärfilamenten genutzt, Skeletten von Zellen also und eigentlich ein Arbeitsgebiet der Zellbiologie.“ Die Aufnahmen würden anschließend von Stochastikern ausgewertet, doch der Hintergrund der Arbeit komme aus der Medizin. „Intermediärfilamente spielen nämlich eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Pankreaskrebs“, so der Experte.

Nicht überraschend insofern, dass der Belegungsplan für das Mikroskop keine Lücke aufweist. „Bis zum letzten Betriebstag sind alle Termine vergeben“, sagt Professor Paul Walther, die Dauer der Abschiedsparty einmal ausgenommen. Und erläutert auch den Grund für die Ausmusterung des Geräts. Die Beschaffung von Ersatzteilen sei zuletzt immer schwieriger geworden und nicht länger gewährleistet, bedauert der Wissenschaftler. Ein Nachfolgemodell indes sei bereits bestellt und werde im Dezember installiert. „Natürlich voll digitalisiert, in jeder Beziehung wieder dem aktuellen Stand der Technik entsprechend und mit garantierter Wartung, unabdingbar für einen einwandfreien Betrieb.“ Wie man es beim alten Modell eben gewohnt war.

Von Willi Baur

Das Philips 400 Elektronenmikroskop der Universität Ulm wird jetzt ausgemustert